Von der Leyen warnt mit EU-Verteidgungsplan: Europa ist in Gefahr
Die Europäische Kommission hat in Brüssel einen umfassenden EU-Verteidigungsplan vorgestellt, der die militärische Einsatzbereitschaft der Mitgliedstaaten bis 2030 deutlich erhöhen soll. Im Mittelpunkt stehen vier zentrale Initiativen, darunter ein gesamteuropäisches Abwehrsystem gegen Drohnen. Ursprünglich war nur ein „östlicher Drohnenschild“ vorgesehen. Nun soll er alle Mitgliedstaaten schützen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte: „Die jüngsten Bedrohungen haben gezeigt, dass Europa in Gefahr ist. Wir müssen jeden Bürger und jeden Quadratmeter unseres Territoriums schützen. Unsere Antwort muss geeint, solidarisch und entschlossen sein.“ Das Leitmotiv des Plans lautet: Wer bis 2030 verteidigungsbereit sein will, muss jetzt gemeinsam und koordiniert handeln.
Von der Vorbereitung zur Umsetzung
Der EU-Verteidigungskommissar Kubilius betonte, die EU befinde sich nun in der „Lieferphase“: Bisher haben wir rechtliche Rahmen geschaffen, Finanzierungen ermöglicht und politische Strategien entwickelt. Jetzt beginnt die Phase der konkreten Umsetzung mit Verträgen, Produktion, Modernisierung und öffentlichen Beschaffungen.“
Ziel sei es, die volle Verteidigungsbereitschaft der EU bis 2030 zu erreichen, in enger Abstimmung mit der NATO. Derzeit erfülle die EU nur rund die Hälfte der entsprechenden Kapazitätsziele. Der Plan definiert Verteidigungsbereitschaft als die Fähigkeit der Mitgliedstaaten, auf jede sicherheitsrelevante Krise, einschließlich eines Hochintensitätskriegs, vorbereitet und einsatzfähig zu reagieren. Dazu gehören gut ausgerüstete Streitkräfte, eine koordinierte Ausbildung und eine gemeinsame technologische sowie industrielle Basis.
Brüssel betont, dass eine starke europäische Rüstungsindustrie unverzichtbar sei. Dafür sollen rechtliche Hindernisse abgebaut, Innovationsförderung ausgebaut und ein einheitlicher europäischer Verteidigungsmarkt geschaffen werden.
Mehr Geld, mehr Industrie, mehr gemeinsame Beschaffung
Der neue EU-Verteidigungsplan sieht vier zentrale Handlungsfelder vor:
1. Schließung kritischer Lücken durch gemeinsame Beschaffung
Die Mitgliedstaaten sollen verstärkt Waffen und Ausrüstung bei europäischen Herstellern erwerben. Der Anteil gemeinsamer Beschaffungen soll bis 2027 auf 40 Prozent steigen – doppelt so viel wie heute. Kubilius rechnete vor: „Wenn die EU-Staaten bis 2035 zusammen rund 6.800 Milliarden Euro in Verteidigung investieren, könnten sie durch Synergien in der Beschaffung bis zu 200 Milliarden Euro einsparen.“ Zu den prioritären Bereichen zählen Drohnenabwehr, Luftverteidigung, militärische Mobilität, Marineverteidigung und Munition.
2. Stärkung der industriellen Basis
Die EU will sicherstellen, dass Verteidigungshersteller über ausreichende Kapazitäten verfügen, Innovationspotenzial ausschöpfen und ihre Lieferketten widerstandsfähiger machen.
3. Erhöhung der Verteidigungsinvestitionen
Die Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten sind zwischen 2021 und 2024 von 218 auf 343 Milliarden Euro gestiegen; für 2025 werden 392 Milliarden Euro erwartet. Ziel ist der Aufbau eines einheitlichen europäischen Verteidigungsmarktes mit klaren Standards und interoperablen Systemen.
Brüssel plant dazu:
- die Mobilisierung öffentlicher und privater Finanzierungen,
- die Nutzung des neuen 800-Milliarden-Euro-Aufrüstungsplans,
- die Bereitstellung eines 150-Milliarden-Euro-Rüstungsfonds, über den Mitgliedstaaten Kredite für Beschaffungen aufnehmen können.
4. Militärische Mobilität
Bis 2027 soll es einheitliche Verfahren und Korridore für den Transport von militärischem Gerät, Drohnen und Ausrüstung geben. Im November wird die Kommission ein entsprechendes Legislativpaket vorlegen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Unterstützung der Ukraine, die nicht nur militärisch fortgesetzt, sondern auch in die industrielle Verteidigungsstruktur der EU integriert werden soll. Die Ukraine gilt als wertvolle Quelle technologischer Innovation, insbesondere im Drohnenbereich.
Vier Leuchtturmprojekte für Europas Verteidigung
Brüssel hebt vier strategische Initiativen hervor, die europaweit koordiniert umgesetzt werden sollen:
- Ein gesamteuropäischer Drohnenschutzschild:
„Jeder Staat ist bedroht und sollte in Systeme zur Abwehr von Drohnen investieren“, erklärte die Hohe Vertreterin der EU, Kaja Kallas. - Stärkung der Sicherheitsarchitektur an der Ostflanke Europas,
- Aufbau einer gemeinsamen europäischen Luftverteidigung,
- Ausbau der Verteidigungsfähigkeit im Weltraumsektor.
Diese Initiativen sollen sicherstellen, dass Europa bis 2030 über integrierte Verteidigungsstrukturen verfügt, die unabhängig von den USA einsatzfähig bleiben.
Europa will verteidigungsfähig werden, gemeinsam oder gar nicht
Für Deutschland bedeutet der EU-Verteidigungsplan eine zentrale Rolle. Die Bundesregierung hat in den vergangenen zwei Jahren umfangreiche Programme zur Modernisierung der Bundeswehr gestartet – unter anderem den 100-Milliarden-Euro-Sonderfonds. Deutschland gilt als logistische Drehscheibe für militärische Mobilität in Europa und als Schlüsselstaat beim Aufbau gemeinsamer Luft- und Drohnenabwehrsysteme. Zudem soll ein Teil der europäischen Industrieinvestitionen in deutsche Rüstungsstandorte fließen, insbesondere nach Nordrhein-Westfalen und Bayern, wo bereits mehrere Drohnentechnologiezentren angesiedelt sind.
Mit dem neuen EU-Verteidigungsplan will Brüssel den jahrzehntelangen Rückstand bei Verteidigungsinvestitionen aufholen und die industrielle Abhängigkeit von den USA verringern.
Der Erfolg hängt davon ab, ob die Mitgliedstaaten bereit sind, ihre Beschaffung zu koordinieren und ihre Industrie zu öffnen. Nur wenn gemeinsame Finanzierung, Produktion und strategische Planung gelingen, kann Europa seine Sicherheitsstrukturen auf ein neues Niveau heben – und eine glaubwürdige Verteidigung gegenüber Russland und anderen Bedrohungen aufbauen.

