USA investieren 80 Milliarden Dollar in Atomkraft für KI
Die USA wollen mindestens 80 Milliarden Dollar (rund 69 Milliarden Euro) in neue Atomkraftwerke investieren. Die US-Regierung schloss dafür am Dienstag eine strategische Partnerschaft mit zwei Energieunternehmen und einer Investmentgesellschaft. Die Reaktoren sollen Strom für Rechenzentren liefern, die für die Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) gebraucht werden. Google setzt zum selben Zweck auf das Wiederhochfahren eines stillgelegten Meilers in Iowa. Ob das reine PR zum Behufe des weiteren Aufpumpens der KI-Blase ist, sei dahingestellt, die Pläne jedenfalls werden gefasst und verkündet, und was davon dann tatsächlich umgesetzt wird, bleibt erstmal abzuwarten.
Strategische Partnerschaft in der Atomenergie
Die Vereinbarung wurde am Rande des Japan-Besuchs von Präsident Donald Trump unterzeichnet. Westinghouse liefert die Technologie, Cameco die Uran-Brennstäbe. Die neuen Reaktoren sollen "die industrielle Basis der Kernenergie wiederbeleben". Zur Zahl der geplanten Meiler äußerte sich die Regierung noch nicht.
Trump hatte bereits Ende Mai vier Dekrete zum Bau neuer Kraftwerke unterzeichnet. Ziel ist, die Atomstromproduktion in 25 Jahren zu vervierfachen – durch schnellere Genehmigungen und weniger Auflagen. Derzeit betreiben die USA 94 Reaktoren, im Schnitt über 40 Jahre alt. Sicherheitsbedenken wies Trump zurück.
KI treibt Stromhunger in neue Dimensionen
Globale KI-Anwendungen zählen zu den größten Stromverbrauchern überhaupt. Studien gehen von rund 80 Terawattstunden pro Jahr aus – so viel wie der Bedarf Schwedens oder Argentiniens. Dazu gehören Chatbot-Anfragen, das Training großer Modelle und ihr täglicher Betrieb. Der wachsende Energiebedarf stellt bestehende Versorgungspläne infrage. Mini-Atomkraftwerke gelten als mögliche Lösung – auch, weil Tech-Konzerne ihre Energieversorgung zunehmend selbst kontrollieren. Eine derart komplexe und risikoreiche Technik in den Händen von Firmen, die Profit über alles setzen und vermutlich lieber Kosten sparen als Risiken minimieren – was soll schon schiefgehen?
Google reaktiviert stillgelegtes Kraftwerk
Google hat mit Nextera Energy eine Vereinbarung zum Wiederhochfahren des 2020 abgeschalteten Meilers Duane Arnold in Iowa geschlossen. Ab 2029 soll das Kraftwerk wieder Strom für KI-Anwendungen liefern. Die Wiederinbetriebnahme kostet mehr als 1,6 Milliarden Dollar. Duane Arnold ist das dritte US-AKW, das wegen des KI-Strombedarfs reaktiviert wird – nach Palisades (Michigan) und Three Mile Island (Pennsylvania).
Google plant zudem den Bau von drei neuen Atomkraftwerken und will ab 2030 Mini-Reaktoren (Small Modular Reactors, SMR) betreiben. Auch Amazon investiert in diese Technologie.
Amazon entwickelt eigene Mini-Reaktoren
Unter dem Projektnamen Cascade Advanced Energy Facility baut Amazon mit Energielieferanten aus Washington an bis zu zwölf neuartigen SMR-Anlagen. Die ersten 320 Megawatt sollen Amazon selbst versorgen. Das Know-how stammt vom US-Unternehmen X-energy, an dem Amazon 500 Millionen Dollar investierte und zwei Vorstandssitze erhielt. Dessen Hochtemperaturreaktor Xe-100 erzeugt 80 Megawatt und nutzt TRISO-Brennstoffpartikel, die laut Hersteller eine Kernschmelze ausschließen sollen.
Meta setzt auf Solar- und Atomstrom
Meta, der Mutterkonzern von Facebook und Instagram, beauftragte den französischen Energiekonzern Engie mit dem Bau eines 600-Megawatt-Solarparks in Texas. Engie liefert Meta künftig 1,3 Gigawatt Strom aus vier Anlagen. Zusätzlich bezieht Meta Atomstrom aus dem Kraftwerk Clinton in Illinois, dessen Laufzeit bis 2027 verlängert wurde.
Chancen für Mittelstand und Energiebranche
Für mittelständische Unternehmen eröffnen sich neue Chancen. Laut International Energy Agency wachsen die Investitionen in kleine modulare Reaktoren (SMR) kräftig, da Rechenzentren und Cloud-Infrastruktur eine verlässliche Energieversorgung verlangen. Mittelständische Versorger oder datenintensive Betriebe könnten durch Beteiligungen an SMR-Projekten Kosten senken oder neue Einnahmequellen schaffen.
Die IEA erwartet, dass sich die globale Nuklearkapazität bis 2050 mehr als verdoppelt. Damit entsteht voraussichtlich ein wachsender Markt für Infrastruktur, Projektentwicklung und Spezialwissen – auch jenseits der Großkonzerne.
Immer mehr Kernenergie weltweit?
Global wurde 2024 mehr Atomstrom erzeugt als je zuvor – 2.677 Terawattstunden aus 408 Reaktoren. Der Zuwachs geht ausschließlich auf China zurück. Dort stieg die nukleare Stromproduktion auf 418 TWh, der Anteil an der Gesamtproduktion sank jedoch leicht auf 4,7 Prozent, da Solarstrom um 44 Prozent zulegte. Weltweit fiel der Anteil der Atomkraft am Strommix von 17,5 Prozent (1996) auf 9 Prozent. Mitte 2025 betrieben 31 Länder Reaktoren – eines weniger als im Vorjahr, nachdem Taiwan sein letztes AKW abschaltete.
Neubauten und Rekordkosten
2024 begann der Bau von neun Reaktorblöcken, sechs davon in China. Insgesamt laufen derzeit 63 Neubauprojekte, davon 60 in Atomwaffenstaaten oder staatskontrollierten Unternehmen. Die durchschnittliche Bauzeit neuer Reaktoren liegt bei 9,4 Jahren. Der französische EPR in Flamanville brauchte 17 Jahre und kostete 25,6 Milliarden Dollar – sechsmal mehr als geplant.
Doch im Vergleich boomen die Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien: 2024 wurden weltweit 728 Milliarden Dollar in neue Kapazitäten investiert – das 21-Fache der Kernenergie. In der EU erzeugen Wind- und Solarenergie bereits 28 Prozent des Stroms, Atomkraft nur 23 Prozent. Vielleicht muss es nicht nur das eine oder das andere sein. Und vielleicht machen Atomkraftwerke einfach mehr Schlagzeilen als das x-te Windrad.


