Panorama

Globale Anti-Tabak-Strategien unter Druck: WHO-Konferenz warnt vor Rückschritten

Eine weltweite Initiative zur Eindämmung von Tabak- und Nikotinprodukten steht vor Herausforderungen: Trotz internationaler Abkommen setzt die Tabakindustrie auf neue Produkte und aggressive Marketingstrategien. Auf der laufenden WHO-Konferenz diskutieren Expert:innen über Wege, den Trend umzukehren und Fortschritte im Kampf gegen den Tabakkonsum zu sichern.
17.11.2025 15:15
Lesezeit: 2 min
Globale Anti-Tabak-Strategien unter Druck: WHO-Konferenz warnt vor Rückschritten
Die Tabakindustrie setzt auf neue Produkte und aggressive Marketingstrategien, während die WHO strengere Maßnahmen fordert (Foto: dpa).

Eine internationale Anti-Tabak-Konferenz hat mit einer Warnung vor Rückschritten begonnen. „Neue Produkte, aggressives Marketing und Desinformation drohen die Fortschritte zunichtezumachen, die wir erzielt haben“, sagte Andrew Black, Leiter des Sekretariats der Anti-Tabak-Konvention der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf.

Vertreter der 183 Vertragsstaaten dieses internationalen Abkommens treffen sich diese Woche in der Schweizer UN-Stadt, um über Entwicklungen im Konsum und in der Kontrolle von Tabak- und Nikotinprodukten zu beraten.

Bei der Konferenz liegt ein Experten-Papier auf dem Tisch, das unter anderem ein Verbot der Einfuhr und Herstellung von Filtern und Filterzigaretten vorschlägt. Laut den Fachleuten reduzieren Filter die Gefährlichkeit des Rauchens praktisch nicht, sondern verleiten dazu, Giftstoffe tiefer in die Lunge zu inhalieren. Die Vorschläge in dem Papier sind nicht als verbindliche Maßnahmen konzipiert.

Vor der Konferenz hatte ein angeblich geplantes EU-Verbot von Filterzigaretten Schlagzeilen gemacht - die Angaben wurden von der EU dementiert.

WHO fürchtet Einflussnahme

Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnte im Vorfeld alle Teilnehmerländer vor Einflussversuchen der Industrie und rief sie auf, Lobbyisten der Industrie nicht in ihren Delegationen zu dulden.

Tabakfirmen seien sehr einflussreich, mahnte Etienne Krug, der Direktor der für Tabak zuständigen WHO-Abteilung. „Wir müssen uns der Einmischung der Industrie in Debatten bewusst sein.“ Die WHO würde ein Filterverbot zwar begrüßen, doch die Besteuerung von Tabak würde den Verbrauch noch viel stärker schrumpfen lassen, sagte Krug der Deutschen Presse-Agentur.

Kritik der WHO an Deutschland

Deutschland bekommt in WHO-Berichten über Fortschritte im Kampf gegen Tabak und Nikotin meist schlechte Noten: Die Steuern seien nicht hoch genug. Sie sollten nach WHO-Angaben mindestens 75 Prozent des Preises ausmachen. Auch die WHO-Empfehlung, Zigaretten in Einheitspackungen ohne Farben und Logos zu verkaufen, ist in Deutschland bisher nicht umgesetzt.

Krebshilfe für weitreichende Verbote

„Die Tabak- und Nikotinindustrie ist mit immer neuen Produkten unterwegs, etwa den Vapes, weil sie junge Leute ansprechen, die sie damit früh nikotinabhängig machen - so sichern sie ihren Markt“, sagt Ärztin Ulrike Helbig, die das Berliner Büro der Deutschen Krebshilfe leitet. Vapes sind elektronische Geräte, die eine Flüssigkeit erhitzen und Dampf erzeugen, der inhaliert wird. Die meisten Vapes enthalten Nikotin. Helbig würde auch ein Filterverbot begrüßen.

In Deutschland sterben nach ihren Angaben 127.000 Menschen pro Jahr aufgrund von Tabakkonsum. Jede fünfte der 520.000 Krebsneuerkrankungen im Jahr gehe auf Tabak und Nikotin zurück.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Merz fordert Abschaffung: EU-Lieferkettengesetz wird deutlich gelockert
09.12.2025

Das EU-Lieferkettengesetz sollte Unternehmen weltweit verpflichten, Menschenrechte zu achten. Doch bevor es überhaupt greift, haben sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kosten für Wohnen und Essen fressen geringere Einkommen auf
09.12.2025

Wohnen und Lebensmittel werden teurer – doch die Härte trifft nicht alle gleich. Neue Daten der Statistiker zeigen, wie stark vor allem...

DWN
Politik
Politik Analyse: Putins Besuch in Indien zeigt die gefesselten Hände des Kreml
09.12.2025

Wladimir Putins Besuch in Indien sollte Stärke demonstrieren, doch die Realität wirkt gegenteilig. Der Kreml ist stark von Ölexporten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Thyssenkrupp-Aktie: Rückkehr in die Gewinnzone trotz Sanierungsdruck
09.12.2025

Thyssenkrupp meldet wieder Gewinn, doch der Preis dafür ist hoch. Der Konzern kämpft mit sinkender Nachfrage, Sanierungsrückstellungen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Butterpreis im Sturzflug: Milchbauern schlagen Alarm – "wirtschaftliches Desaster"
09.12.2025

Der Butterpreis rutscht auf 99 Cent je 250 Gramm und jubelnde Kunden treffen auf alarmierte Milchbauern. Hinter dem Preisschub steckt der...

DWN
Technologie
Technologie Arbeitsplatz 2030: Wie KI Bürojobs neu definiert
09.12.2025

Roboter übernehmen nicht mehr nur Fließbänder, sondern auch Schreibtische. Die künstliche Intelligenz dringt tief in den Büroalltag...

DWN
Finanzen
Finanzen Halbleiter-Aktien: Wie die ASML-Aktie zur europäischen Macht im Chipsektor wird
08.12.2025

Die US-Großbank Bank of America setzt in Europa auf einen Chipkonzern, der in einem neuen Wachstumszyklus steckt und die Branche unter...

DWN
Politik
Politik EU-Staaten beschließen schärfere Migrationspolitik
08.12.2025

Die EU zieht die Zügel in der Migrationspolitik an: Abschiebungen sollen leichter, Verteilung verpflichtender werden. Doch neue Regeln zu...