Politik

Korrupte Fifa und Kommerz-Kicker: Will man diese Fußball-WM überhaupt sehen?

Lesezeit: 3 min
11.06.2014 01:35
Die Öffentlichkeit, allen voran die öffentlich-rechtlichen Sender steigern sich in einen wahren Fußballrausch. Werden die Zuschauer mit wehenden Fahnen mitziehen und ARD und ZDF fette Einschaltquoten bescheren?

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Vieles spricht dafür: Fußball ist der globale Volkssport Nummer eins. Spätestens seit 2006 gieren die Deutschen geradezu nach immer neuen „Sommermärchen“. Kein Volk der Erde ist so (auf diese spezifisch deutsche Art) fußballbegeistert wie eben die Deutschen.

Einiges spricht dagegen: Immer mehr Menschen in meiner Umgebung sagen mir, dass sie die Lust an der Show namens WM verloren hätten. Ich höre immer öfter, dass sie die Veranstaltung der Fifa, die „immer korrupter“ geworden sei, nicht unterstützen wollen. Das Turnier sei immer größer, undurchsichtiger, unmenschlicher geworden, sagen sie.

Deshalb wollen sie den Fernseher „öfter mal ausgeschaltet“ lassen. Viele Menschen in meiner Umgebung nehmen auch Notiz von der Wut der Mehrheit der Menschen im Gastgeberland Brasilien. Sie solidarisieren sich mit den zahllosen Demonstrationen gegen Korruption, gegen die Gigantomanie der Funktionäre und gegen die völlig aus dem Ruder laufenden Kosten des Turniers. Ich habe den Eindruck, die Akzeptanz der WM sinkt und sinkt und sinkt...

Wird sich das auf die Einschaltquoten der Sender auswirken, die dieses Megaevent übertragen?

Die Fifa jedenfalls lässt die Kritik wie gewohnt abperlen und lässt die Brasilianer wissen, dass sie dankbar sein sollten. Reuters meldet:

Der Weltfußballverband Fifa hat Kritik aus Brasilien zurückgewiesen, wonach die Kosten der Weltmeisterschaft vor allem von den Bürgern des lateinamerikanischen Landes getragen werden. Die reinen Veranstaltungskosten von zwei Milliarden Dollar bezahle die Fifa selbst und finanziere sie mit dem Verkauf von Fernsehübertragungs- und Marketingrechten, erklärte die Organisation am Dienstag. Die brasilianischen Steuerzahler würden mit keinem einzigen Cent belastet. Dagegen hingen viele Investitionen in die Infrastruktur nicht direkt mit dem Großereignis zusammen. Brasilien werde noch viele Jahre von moderneren Straßen, Flughäfen oder Telekommunikationsnetzen profitieren.

Die WM stößt im Schwellenland Brasilien auf scharfe Kritik. Die öffentliche Hand hat für die Veranstaltung umgerechnet mehr als acht Milliarden Euro in Stadien, Flughäfen, Nahverkehr und andere Infrastruktureinrichtungen gesteckt. Nach Ansicht vieler Bürger wäre das Geld im Gesundheits- und Bildungswesen besser angelegt gewesen. Die WM wird am Donnerstag in Sao Paulo mit der Begegnung zwischen dem Gastgeber und Kroatien eröffnet.

Die Erklärung ruft den deutschen Bürgern in Erinnerung, dass sie die WM finanzieren - mit Zwangsgebühren, die die öffentlich-rechtlichen Sender von jedem Haushalt einheben. Auch wer keinen Fernseher hat und kein einziges Spiel ansieht, muss Sepp Blatters Geschäfte finanzieren. Wer mit Zuschauer-Boykott droht, erntet bei der Fifa nicht einmal ein müdes Lächeln: ARD und ZDF verwenden die Rundfunkgebühr - auch wenn sich niemand dafür interessiert.

P.S.: ARD und ZDF übertragen alle 64 Spiele der Fußball-WM in Brasilien. Für die Übertragungsrechte – inklusive der Pay-TV-Rechte – dürften sie geschätzte 150 bis 180 Millionen Euro gezahlt haben. Der exakte Kaufpreis für die WM-Übertragungsrechte wird von den Sendern nicht veröffentlicht. Das Geld dafür bekommen sie über die Rundfunkgebühren: Im vergangenen Jahr waren es fast 8 Milliarden.

P.P.S.: offene Fragen an die Fernseh- und Medienkritiker in Deutschland:

- Ist die Fußball-WM-Berichterstattung von ARD und ZDF „gute“ TV-Unterhaltung, „gute“ Sportberichterstattung? Oder weder das eine noch das andere?

- Gehört es zum Grundauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sämtliche 64 Spiele der Fußball-WM in Brasilien zu senden?

P.P.P.S.: Übrigens: ARD und ZDF haben sich auch die deutschen Übertragungsrechte für das WM-Turnier 2022 in Katar gesichert. Der Abschluss steht unter Vorbehalt der Zustimmung der zuständigen Gremien.

Der renommierte Investigativ-Journalist Antonio Cascais begleitet für die Deutschen Wirtschafts Nachrichten in den kommenden Wochen die Entwicklung in Brasilien. In der Rubrik „Das andere Tagebuch der Fußball WM“ wird Cascais über die sozialen Probleme und die Proteste der Brasilianer gegen das Kommerz-Spektakel berichten. Cascais hatte zuletzt mit seiner TV-Dokumentation „die story – Geschäfte wie geschmiert?“ (mit Marcel Kolvenbach) für Aufsehen gesorgt. In der Doku zeigten die Autoren die Hintergründe eines U-Boot-Deals in Portugal auf. Der Film ist in der Mediathek des WDR abrufbar.

 

Teil 1: Die Revolution hat in Brasilien Feuer gefangen

Teil 2: Brasilien: Künstler protestieren gegen die Fußball-WM

Teil 3: Brasilien: Von der Fußball-WM profitieren Konzerne, Politiker und Banken

Teil 4: Weltmeister: Deutsche Waffen-Industrie verdient prächtig mit der Fußball-WM

Teil 5: Brasilien: Staudamm-Bau mit Methoden einer Militär-Diktatur

Teil 6: Wer ist die rätselhafte Dilma Rouseff?

Teil 7: Brasilien: Straßenkinder passen nicht ins Bild der WM – und verschwinden

Teil 8: Der ganz andere WM-Song:  „Öffnet eure Augen, Brüder / die FIFA greift in unsere Taschen“

Teil 9: Brasilien: Fifa unterstützt Projekte gegen Kinderprostitution nicht

Teil 10: Lage in São Paulo eskaliert: Polizei knüppelt streikende U-Bahn-Fahrer nieder

 


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