Reich werden und Vermögen sichern - alles nicht so einfach
Wer sich ein Vermögen erarbeitet hat, hat aus finanzieller Sicht offenbar nicht so viel falsch gemacht - und mit Sicherheit oft gute Entscheidungen in seinem Leben getroffen. Doch ein Vermögen zu sichern ist eine ganz andere Geschichte, das ist kein Selbstläufer. Da gehört ein gesundes Maß an Disziplin dazu, gepaart mit einem guten Riecher bei der Geldanlage. Dennoch geht die Vermögenssicherung oft schief. Der Reichtumsforscher und Multimillionär Rainer Zitelmann schildert in seinem Buch „Reich werden und reich bleiben” zahlreiche Fälle von Lottospielern, Prominenten und Unternehmern, die ein großes Vermögen komplett verloren haben. Zitelmann sieht den größtmöglichen Fehler in Selbstüberschätzung. Ein Mensch, der Millionen als Unternehmer verdient habe, sei davon eher betroffen als ein Geringverdiener. „Ich habe viele Menschen kennengelernt, die Hunderte Millionen oder Milliarden als Unternehmer verdient haben, aber kaum etwas von Finanzthemen verstehen“, erklärt Zitelmann gegenüber den DWN.
Thomas Neukirch vom Family-Office HQ Trust warnt vor teuren Finanzprodukten und einer falschen Strategie. „Ein typischer Fehler bei einem größeren Vermögen kann die Unterschätzung der Kosten und Entnahmen im Zeitverlauf sein, im ungünstigsten Fall gepaart mit einer fehlgeleiteten Risikoaversion gegen ertragsstärkere Anlageformen“, erklärt der Leiter Strategische Vermögensplanung und Hedgefonds.
Dann drohe die sukzessive Erosion des Vermögens, wenn zu hohe Kosten und Entnahmen zu geringen Erträgen gegenüberstehen. Außerdem würden Vermögende teilweise für sie zu große Risiken bei Aktien oder alternativen Investments eingehen. Folge könnte die Realisierung hoher Buchverluste in einer Kapitalmarktkrise sein, etwa durch Panikverkäufe oder „aufgrund nicht hinreichender Liquidität“.
Vermögensschutz? Die Reichen werden ärmer
Die meisten Reichen schaffen es denn auch nicht, dauerhaft an der Spitze der Vermögenspyramide zu bleiben, wie die Studie The myth of dynastic wealth: the rich get poorer aus dem Jahr 2015 berichtet. Demnach werden die reichsten Familien der USA meist wieder ärmer. Die US-Forscher untersuchten die Forbes-Liste der 400 reichsten US-Amerikaner und fanden heraus, dass lediglich 24 Familien durchgehend von 1982 bis 2014 unter den Top 400 waren. 34 Namen waren zum Beginn der Erhebung im Jahr 1982 und im Jahr 2014 auf der Liste. Die große Mehrheit konnte sich nicht an der Spitze halten.
Solange eine Familie unter den Top 400 war, stieg ihr Vermögen wesentlich langsamer als das Vermögen eines Anlegers, der in ein Portfolio aus 60 Prozent US-Aktien und 40 Prozent Anleihen investiert hätte (im Schnitt 5,9 Prozent versus 11,0 Prozent pro Jahr). Laut den Autoren liegt das an den Nachfahren von Unternehmensgründern. „Wenn der Visionär nicht mehr da ist, können die Nachkommen in der Regel nicht mehr in seine Fußstapfen treten, und ohne den Gründungsunternehmer verschwindet das Familienvermögen unweigerlich.“
Reich werden und reich bleiben: Strategien zum nachhaltigen Vermögensschutz
Wahre finanzielle Freiheit erfordert mehr als nur das Reichwerden. Entscheidend ist die Kunst, reich zu bleiben. Viele Investoren, Millionäre und vermögende Unternehmer verkennen, dass sich die Strategien für den Vermögensaufbau grundlegend von denen des Vermögensschutzes unterscheiden. Wer diesen Unterschied nicht versteht, setzt sein erarbeitetes Vermögen unnötig aufs Spiel.
Der Unterschied zwischen Vermögensaufbau und Vermögensschutz
Beim Vermögensaufbau liegt der Fokus auf Wachstum. Hohe Renditen erfordern hohe Risikobereitschaft, weshalb Unternehmer oder Investoren in dieser Phase oft bereit sind, spekulativ zu handeln und finanzielle Hebel zu nutzen. Sie setzen auf Investitionen in Unternehmen, Immobilien oder Wertpapiere mit hohem Gewinnpotenzial.
Vermögensschutz hingegen verfolgt ein anderes Ziel: Das bereits erworbene Kapital soll langfristig erhalten und vor Verlusten geschützt werden. Risikomanagement rückt in den Vordergrund - und Strategien müssen sich entsprechend anpassen. Wer weiterhin spekulativ investiert, obwohl er sein Ziel bereits erreicht hat, riskiert hohe Verluste und eine finanzielle Abwärtsspirale.
Diversifikation: Ein wichtiger Aspekt beim Vermögensschutz
Rainer Zitelmann rät dazu, das Vermögen zu streuen. Unternehmer würden allzu oft fast alles in der Firma belassen und kein streng getrenntes Privatvermögen aufbauen. „Das ist ähnlich riskant, wie wenn Sie alles Geld in einer einzigen Aktie anlegen würden“, schreibt Zitelmann in seinem Buch. Er investiere in die klassischen Anlageklassen Aktien, Anleihen und Immobilien, erklärt Zitelmann gegenüber den DWN. Konkret bestehe das Portfolio aus einem weltweit streuenden Aktien-ETF, inflationsindexierten Anleihen als Sicherheitspuffer und Direkt-Immobilien. Dazu kämen einige Kilogramm Gold für einen schweren Finanzcrash. Die Strategie verändere er kaum im Zeitablauf. „Mein wichtigster Rat: Meistens nichts tun.“
Laut einer Umfrage von Handelsblatt Research im Auftrag des Family-Office Finvia diversifizieren die Reichen nicht gut. Bei Aktien und Anleihen würden sie einem Home Bias unterliegen, also deutsche Titel bevorzugen. 63 Prozent nahmen zudem keine Hilfe von Experten in Anspruch. Befragt wurden für die Finvia-Umfrage 300 Volljährige im Jahr 2021 mit einem Gesamtvermögen von mindestens einer halben Million Euro.
Thomas Neukirch schlägt außerdem alternative Anlageklassen wie Private Equity oder Private Debt vor. Hierbei handelt es sich um Aktien und Schulden, die nicht an der Börse gehandelt werden. „Im Vergleich zu deren gelisteten Analoga kann hier mit Mehrerträgen von 2 bis 4 Prozent per annum gerechnet werden“, erklärt Neukirch. Das Musterportfolio von HQ Trust bestehe aktuell aus 40 Prozent Aktien, 4 Prozent Anleihen, 6 Prozent Hedgefonds, 2 Prozent Gold, 23 Prozent Private Equity, 10 Prozent Private Debt, 10 Prozent Immobilien und 5 Prozent Infrastruktur. Ein solches Portfolio habe im Rahmen der Risikomodelle das gleiche Schwankungsrisiko wie ein 60/40-Portfolio.
„Wie hoch der Anteil illiquider Anlagen sein sollte, hängt natürlich vom Anlagehorizont ab“, erklärt Neukirch weiter. Alternative Investments wie Private Debt oder Private Equity sind nicht so liquide wie etwa ETFs oder Aktien. Laut Neukirch haben Private-Equity-Fonds Laufzeiten von 10 Jahren und mehr. Ein vorzeitiger Ausstieg sei in der Regel bloß mit deutlichen Abschlägen auf dem Zweitmarkt möglich. Verkäufe „sollten daher unbedingt vermieden werden“, erklärt Neukirch.
Manche Experten sehen Private Equity indes kritisch. Entsprechende Fonds würden nach Kosten nicht besser rentieren als ETFs mit Aktien von kleinen Unternehmen (Small Caps). Außerdem lasse sich aus einer guten Vergangenheitsperformance nicht schließen, dass der Private-Equity-Fonds auch künftig outperformen werde. Rainer Zitelmann rät im Zweifel dazu, einen Honorarberater zu suchen, der keine Provisionen von den Anbietern der Finanzprodukte erhalten dürfe, die er empfehle. Letztendlich komme man aber über Eigenrecherche nicht herum. „Wem Geld so unwichtig ist, dass er die Zeit scheut, sich solides Finanzwissen anzueignen, ist selbst schuld, wenn er das Geld, das er vielleicht in Jahrzehnten als Unternehmer verdient hat, wieder verliert.“
Laut einer Studie des Berliner Wirtschaftsforschungsinstituts DIW investieren Millionäre anders als Durchschnitts- oder Geringverdiener. Demnach steckt ein Großteil im eigenen Unternehmen (40 Prozent des Bruttovermögens). Danach folgen sonstige Immobilien (rund ein Viertel) und die eigengenutzte Immobilie (18 Prozent). Geldvermögen spielen im Gegensatz zu den mittleren und unteren Schichten eine untergeordnete Rolle, wie die Zahlen für das Jahr 2019 zeigen.
Vermögensschutz: Erfolgreich Vermögen sichern - darauf sollten Sie achten
Ein wesentlicher Aspekt des Vermögensschutzes ist die Anpassung der Anlagestrategie an den Lebenszyklus. Während jüngere Anleger durch langfristige Perspektiven und eine höhere Risikotoleranz profitieren können, sollten ältere Anleger zunehmend risikoarme Anlagen in Betracht ziehen. Eine solide Finanzplanung erfordert daher, dass sich das Portfolio mit der Zeit weiterentwickelt.
Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Diversifikation. Wer sein gesamtes Kapital auf wenige Anlageklassen oder Regionen konzentriert, setzt sich unnötigen Klumpenrisiken aus. Eine breite Streuung – sei es durch unterschiedliche Asset-Klassen wie Aktien, Immobilien, Anleihen oder Rohstoffe – hilft, Risiken zu minimieren und das Vermögen langfristig zu stabilisieren. Zudem sollte geografische Diversifikation berücksichtigt werden, da einzelne Wirtschaftsräume unterschiedlich auf Krisen reagieren.
Ein häufig unterschätzter Aspekt der Vermögenssicherung ist der Schutz vor Inflation. Wer sein Kapital ausschließlich in Bargeld oder auf Sparbüchern hält, riskiert durch Geldentwertung reale Verluste. Sachwerte wie Immobilien oder inflationsindexierte Anleihen können dabei helfen, Kaufkraftverluste zu vermeiden und das Vermögen langfristig zu erhalten. Ebenso sollten steuerliche Aspekte in die Strategie einfließen, um unnötige Abgaben zu minimieren und die Nettorendite zu maximieren.
Darüber hinaus ist es ratsam, die eigene Verschuldung zu reduzieren. Während Kredithebel in der Wachstumsphase vorteilhaft sein können, stellen Schulden in der Phase der Vermögensschutz ein unnötiges Risiko dar. Wirtschaftliche Schwankungen oder steigende Zinsen können zu Liquiditätsproblemen führen, wenn hohe Verbindlichkeiten bestehen. Ein schuldenfreies oder zumindest schuldenarmes Vermögen schafft finanzielle Sicherheit und Unabhängigkeit.
Ein zentraler Punkt, der oft vernachlässigt wird, ist die psychologische Anpassung an die neue Finanzsituation. Viele Investoren, die erfolgreich reich geworden sind, glauben, dass dieselben Methoden auch in der Phase des Reichbleibens funktionieren. Doch diese Denkweise kann gefährlich sein. Unternehmerische Risikobereitschaft, die einst zum Erfolg führte, kann sich in der Vermögenssicherungsphase als verhängnisvoll erweisen. Der Wechsel von einer wachstumsorientierten Strategie zu einer sicherheitsfokussierten erfordert Disziplin und ein Umdenken. Erfolgreiche Vermögensinhaber sollten daher bewusst strategische Anpassungen vornehmen und nicht an risikoreichen Investments festhalten, nur weil sie in der Vergangenheit funktioniert haben.
Konkrete Handlungsempfehlungen zum Vermögensschutz
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Regelmäßige Portfolioüberprüfung: Die Finanzmärkte unterliegen ständigen Veränderungen. Eine kontinuierliche Anpassung der Anlagestrategie schützt vor unerwarteten Risiken und sichert das Kapital langfristig.
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Nachlass- und Steuerplanung: Wer Vermögen für kommende Generationen bewahren möchte, sollte frühzeitig steueroptimierte Strategien zur Vermögensweitergabe entwickeln.
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Sicherheitsorientierte Anlagen bevorzugen: In der Phase der Vermögenssicherung sollten risikoarme und stabile Ertragsquellen im Mittelpunkt stehen.
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Vermeidung emotionaler Fehlentscheidungen: Viele Anleger neigen dazu, in wirtschaftlich turbulenten Zeiten panisch zu reagieren. Eine langfristige und rationale Strategie hilft, impulsive Entscheidungen zu vermeiden.
Es reicht nicht aus, einmal reich geworden zu sein – die wahre Herausforderung liegt darin, dieses Vermögen zu bewahren. Die Strategien für den Vermögensaufbau und den Vermögensschutz sind grundverschieden, und wer den rechtzeitigen Wechsel von Wachstum auf Kapitalerhalt verpasst, riskiert seinen finanziellen Erfolg. Durch eine kluge Diversifikation, Reduktion von Schulden und realistische Renditeerwartungen lässt sich das Vermögen langfristig sichern. Wer frühzeitig handelt und strategisch denkt, legt den Grundstein für eine stabile finanzielle Zukunft – für sich selbst und für kommende Generationen.