Die von den Finanzämtern erfassten Erbschaften und Schenkungen sind im Jahr 2023 auf einen Rekordwert von mehr als 121 Milliarden Euro gestiegen. Das sind laut dem Statistischen Bundesamt fast 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei handelt es sich nur um den kleineren Teil der Vermögenstransfers von der älteren an die jüngere Generation, weil die meisten Erbschaften, Vermächtnisse und Schenkungen innerhalb der steuerlichen Freibeträge liegen, sodass die Fälle nicht in der Statistik enthalten sind. Insgesamt wird jährlich Vermögen im Wert von 400 Milliarden Euro vererbt. Doch nicht immer landet das Vermögen bei den rechtmäßigen Erben.
Erbschleicherei ist eine Grauzone
Das Thema Erbe schieben viele Menschen gerne vor sich her. Lediglich 25,8 Prozent der Deutschen regeln ihren Nachlass im Testament oder in einem Erbvertrag. Das ergab eine Umfrage des Deutschen Forums für Erbrecht zusammen mit TNS Infratest. So steht das Erbe älterer Menschen auch im Fokus von Kriminellen, sogenannten „Erbschleichern“, die immer wieder Nischen finden, um an fremdes Vermögen zu kommen. Wie hoch der Schaden durch Erbschleicherei ist, lässt sich nur vermuten. Ein Paragraf, der Erbschleicherei strafrechtlich definiert, existiert nicht. Dieses Phänomen stellt keinen Straftatbestand im Sinne des Strafgesetzbuches dar.
Definition „Erbschleicher“: Wie es der Begriff bereits hergibt, erschleichen sich die Täter hierbei durch absichtliche und unlautere Beeinflussung das Erbe von vermögenden Personen. Das Ziel ist es, sich selbst oder Dritten Vorteile bei der Erbfolge oder im Testament zu verschaffen. Dies geschieht häufig durch Manipulation, Täuschung oder das Ausnutzen von Schwächen des Erblassenden, wie etwa Alter, Krankheit oder geistiger Verfassung. Meist gehören die Täter nicht zur Familie. (Quelle: Anwalt.de)
Eine häufige Betrugsmasche: Im Jahr 2017 gab sich ein 52-jähriger Mann als Ehemann einer sterbenden Witwe aus. Er überredete sie kurz vor ihrem Ableben, ihm eine Vollmacht zu erteilen und ihr Testament zu seinen Gunsten zu ändern. Ursprünglich war geplant, dass ein Teil ihres Vermögens in eine Stiftung zur Unterstützung talentierter Jugendlicher fließen sollte. Der Erbschleicher wurde aufgrund seiner Handlungen zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt.
Erbschleicher zu Lebzeiten auf Beutejagd
Dieser Fall verdeutlicht, dass Erbschleicher versuchen, bereits zu Lebzeiten ihrer Opfer an deren Vermögen zu gelangen. Dies kann von der missbräuchlichen Verwendung der überlassenen Bankkarte bis hin zur notariellen Beurkundung der Schenkung einer Immobilie reichen. Oft sind erschlichene Vollmachten ein effektives Mittel, um an das Erbe zu gelangen. Die Folge der Erbschleicherei ist, dass Verwandte teilweise oder vollständig vom Erbe ausgeschlossen werden.
Wie kann man sich vor Erbschleichern schützen?
Um sich vor Erbschleichern zu schützen, ist es wichtig, vorzubeugen. Dies kann durch eine „emotionale Absicherung“ geschehen, wie Jan Bittler, Rechtsanwalt und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Erbrecht im Deutschen Anwaltverein, den DWN erläutert. Erbschleicher bewegen sich rechtlich in einer Grauzone, da es keinen Paragrafen gibt, der Erbschleicherei strafrechtlich definiert. Straftaten wie Betrug, Untreue oder Nötigung kommen erst ins Spiel, wenn ältere, kranke oder labile Menschen bedroht oder stark unter Druck gesetzt werden, ihr Testament zu ändern.
„Emotionale Absicherung“ bester Schutz vor Erbschleicher
Daher ist es umso wichtiger, dass Erblassende und ihre Familien sich vor Erbschleichern schützen. Laut Bittler ist der beste Schutz wahrscheinlich eine gute Beziehung zueinander. Diese „emotionale Absicherung“ wirkt dem Gefühl entgegen, unbedingt auf Außenstehende angewiesen und diesen verpflichtet zu sein. Darüber hinaus ermöglicht sie einen offeneren Umgang mit dem Vermögen und der Möglichkeit, dass Dritte versuchen könnten, an das Geld zu gelangen.
Aus der Perspektive der Angehörigen funktioniert regelmäßiger Kontakt wie ein Frühwarnsystem: Wenn Eltern und Großeltern auffällig oft von netten, bisher unbekannten Besuchern erzählen oder plötzlich keine vertrauten Familienmitglieder mehr sehen wollen, sollte man misstrauisch werden. Denn das Isolieren und Abschotten gehört zur Strategie der Erbschleicher. Juristinnen und Juristen beschreiben dieses dreiste Vorgehen mit den Worten: „Anschleichen, abschirmen, abzocken.“
Vermögen mit einem Testament schützen
Erblassende können sich und ihr Vermögen durch ein Testament schützen. Dieses kann handschriftlich oder von einem Notar verfasst werden. Ein notarielles Testament kostet zwar Gebühren, bietet aber die Sicherheit, dass der letzte Wille nicht in falsche Hände gerät. Der Grund dafür ist, dass notarielle Testamente beim Nachlassgericht und im zentralen Testamentsregister der Bundesnotarkammer hinterlegt werden. So ist laut Anwalt.de theoretisch eine Anfechtung möglich.
Ehepartner können sich mit einem Ehegattentestament schützen. In diesem setzen sie einander als Alleinerben und die Kinder als Schlusserben ein. Diese kommen erst nach dem Tod des länger lebenden Elternteils zum Zug. Der Vorteil dieser Variante ist, dass die Ehepartner weitgehend an den gemeinsam verfassten letzten Willen gebunden sind. Sie dürfen das Testament ohne Zustimmung des anderen nicht mehr ändern und Erbschleicher haben keinen Zugang. Dabei gilt es jedoch, das Testament ordnungsgemäß zu verfassen. Dafür gibt es fünf Kriterien, damit das Testament gültig ist:
1. Überschrift: Testament muss als solches gekennzeichnet sein. Ein Testament muss als Testament erkennbar sein. Ein Brief mit Wünschen oder eine ähnliche Niederschrift reichen eventuell nicht aus, um tatsächlich einen Letzten Willen festzuhalten.
2. Testament nur handschriftlich: Keine gedruckten Dokumente erlaubt. Ein Testament, das selbst verfasst wird, muss immer handschriftlich sein, um Gültigkeit zu haben. So ist es im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in § 2247 geregelt. Darin heißt es unter anderem: „Der Erblasser kann ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten.“
3. Testament richtig unterschreiben: vollständiger Name, Datum und Ort erforderlich. Neben einer Überschrift und der Tatsache, dass es handschriftlich verfasst sein muss, bedarf ein gültiges Testament auch immer einer Unterschrift des Erblassers. Diese sollte laut Gesetz sowohl Vor- als auch Familiennamen enthalten oder anderweitig auf den Verstorbenen zurückzuführen, also als echt erkennbar sein. Erst die Unterschrift macht das Testament gültig und unterscheidet es zum Beispiel von einem Testamentsentwurf. Besteht das Dokument aus mehreren Seiten, benötigt jede Seite eine Unterschrift.
4. Namen nennen: An wen genau der Nachlass vererbt werden soll. Anstatt im Testament zu schreiben, dass „meine Tochter“, „mein Sohn“, „mein Ehepartner“ oder „mein Pfleger“ etwas erbt, sollte man die Namen der Erben mit Vor- und Zunamen genau nennen. So können am Ende Missverständnisse ausgeschlossen werden, bei denen nicht klar ist, wer gemeint ist und als Erbe eingesetzt werden soll.
5. Geschäftstauglichkeit: Nicht jeder kann ein Testament aufsetzen. Um ein Testament aufzusetzen, muss man nach deutschem Recht geschäftsfähig sein. Das bedeutet, dass man volljährig und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte sein muss. Minderjährige, die ein Testament aufsetzen wollen, können dies trotzdem tun, allerdings nur mithilfe eines Notars. Das Gleiche gilt für Personen, die nicht lesen oder ein Testament nicht selbst schreiben können. Auch sie müssen ihr Testament bei einem Notar erstellen lassen.
Übrigens: Ein Testament kann immer wieder geändert werden, solange der Erblasser geschäftsfähig ist. Ein Handschriftliches kann beispielsweise zerstört werden, oder man schreibt einen Widerruf oder lässt den Letzten Willen beim Notar ändern.
Erblasser muss Testament selbstständig erklären
Es ist wichtig, dass der letzte Wille verfasst wird, solange man noch selbstständig handeln kann. Spätestens bei den ersten Anzeichen von Demenz sollten zukünftige Erblasser handeln. Die Testierfähigkeit muss gegeben sein. Notarinnen und Notare prüfen sowohl bei Zweifeln am Geistes- und Gesundheitszustand als auch bei Anzeichen von Beeinflussung, um den Willen zu ergründen. „Wir haben da einen guten Riecher.“
Wenn Angehörige den Eindruck haben, dass beim Testament etwas nicht stimmt, können sie die Testierfreiheit infrage stellen. Die Entscheidung liegt letztendlich beim Nachlassgericht. Das Gleiche gilt für Anzeigen gegen mutmaßliche Erbschleicher. Um erfolgreich gegen sie vorzugehen, sind stichhaltige Beweise wegen strafrechtlicher Delikte wie Unterschlagung des Testaments erforderlich – nur so landen sie am Ende im Gefängnis.
ACHTUNG vor Enkeltrick oder Schockanruf
Wie uns die Berliner Polizei aktuell bestätigte, gibt es neben den klassischen Vermögensdelikten derzeit vermehrt vor allem ein Phänomen, von dem zuvorderst Senioren betroffen sind; dem sogenannten Enkeltrick oder Schockanruf.
Der sogenannte Enkeltrick ist eine besonders hinterhältige Form des Betrugs, der für Opfer oft existenzielle Folgen haben kann. Sie können dadurch hohe Geldbeträge verlieren oder sogar um Ihre Lebensersparnisse gebracht werden. Vermutliche Angehörige oder Bekannte beeinflussen die Geschädigten bei einer vorherigen telefonischen Kontaktaufnahme durch Darstellung einer fiktiven finanziellen Notlage so sehr, dass diese sich bereiterklären, mit einem meist hohen Bargeldbetrag „auszuhelfen“ und diesen an eine ihnen völlig fremde Person zu übergeben. Dafür nutzen die Täter vermehrt „WhatsApp-Nachrichten“. Sie geben sich als Tochter oder Sohn aus und bitten die Angeschriebenen, die neue Telefonnummer für die weitere Kommunikation zu speichern. Sehr zeitnah folgt dann die Bitte, Geld zu überweisen, da man z.B. dringend eine Rechnung bezahlen muss.
Diese Betrugsmasche ist im Gegensatz zur Erbschleicherei ein Straftatbestand: Die polizeiliche Kriminalstatistik zählt für 2022 alleine in Berlin 406 erfasste Fälle. Der verursachte Schaden beträgt 0,55 Millionen Euro. Hinzu kommen 1.200 Enkeltricktaten, die aus dem Ausland begangen wurden. Tendenz steigend!
Bei einem „Schockanruf“ wird dem Opfer suggeriert, dass ein Familienmitglied einen schweren Verkehrsunfall verschuldet und eine Person getötet hat. Im Folgenden wird eine hohe Geldsumme als Kaution für die Freilassung gefordert. Dazu wurden in Berlin 608 Taten erfasst.
Auf der Seite der polizeilichen Kriminalprävention finden Sie weitere Informationen zum Enkeltrick und Tipps, wie Sie sich schützen können.
Bleiben Sie argwöhnisch und wachsam!