Politik

Sócrates: Korruption und Politiker-Luxus in Zeiten der Euro-Krise

Lesezeit: 2 min
29.11.2014 00:47
Mitten in der Euro-Krise haben es sich einige Politiker in Europa offenbar durchaus behaglich mit Steuergeldern eingerichtet: Recherchen der Deutschen Wirtschafts Nachrichten zeigen, dass der ehemalige portugiesische Premier José Sócrates nicht nur korrupt gewesen sein dürfte. Er dürfte aus Steuergesetzen, die er auf den Weg gebracht hatte, auch persönlich profitiert haben. Nun sitzt er im Gefängnis. Seine Karriere zeigt, wie die politischen Eliten mit der EU ein System geschaffen haben, von dem sie selbst profitieren.
Sócrates: Korruption und Politiker-Luxus in Zeiten der Euro-Krise

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

In Portugal galten ehemalige Regierungschefs bislang als unantastbar – ähnlich wie Helmut Kohl oder Gerhard Schröder in Deutschland. Das scheint sich aber geändert zu haben.

Portugals früherer sozialistischer Regierungschef José Sócrates sitzt seit dem 22. November in Untersuchungshaft. Dort bleibt er vorerst auch. Das entschied der zuständige Richter Carlos Alexandre nach einer dreitägigen Befragung zu möglicher Steuerhinterziehung, Korruption und Geldwäsche. Die Verteidigung nannte die Entscheidung unfair und kündigte an, dagegen vorzugehen.

José Sócrates war zwischen 2005 und 2011 Regierungschef Portugals. Von vielen Beobachtern wird er für die katastrophale Wirtschafts- und Finanzlage des Landes verantwortlich gemacht: Portugal war am Ende seiner Amtszeit praktisch bankrott und musste unter den europäischen Rettungsschirm schlüpfen.

Nach seiner Wahlniederlage im Juni 2011 beschließt Sócrates „Philosophie“ in Paris zu studieren. Im Jahre 2013 unterschreibt er einen „Beratervertrag“ mit dem Schweizer Pharmaunternehmen Octopharma und kehrt er nach Portugal zurück.

Laut Steuererklärung hat José Sócrates kein Konto im Ausland, kein Vermögen. Nach seinem Rücktritt als Premierminister hat er - laut eigener Aussage - einen Kredit bei seiner Sparkasse „Caixa Geral de Depósitos“ aufgenommen, um damit sein „Sabbatjahr“ in Paris zu finanzieren.

Nach Recherchen der DWN ermittelt die Staatsanwaltschaft Lissabon gegen den Ex-Premier wegen des Verdachts auf Korruption während seiner Amtszeit. Weitere Details bezüglich des Verdachts auf Steuerhinterziehung und Geldwäsche kommen jetzt nach und nach ans Tageslicht:

In Paris soll er über einen Strohmann eine Wohnung für 2,8 Millionen Euro gekauft haben.

Das Geld stammt von einem Konto mit Einlagen in Höhe von etwa 20 Millionen Euro bei der Banco Espírito Santo.

Dieses Geld wurde im Zuge eines von der Regierung Sócrates erlassenen Steueramnestie-Gesetzes von der Schweizer UBS-Bank nach Portugal transferiert.

Das Konto läuft auf den Namen von Carlos Santos Silva, einem Jugendfreund von José Socrates, der auch in Untersuchungshaft ist.

Carlos Santos Silva hat 2012 auch eine Wohnung für 600.000 Euro im Zentrum Lissabons gekauft. Außerdem kauft er zwei weitere Wohnungen für 175.000 Euro. Verkäuferin ist eine gewisse Maria Adelaide Sousa. Das Geld wird auf das Konto von Maria Adelaide Sousa transferiert. Maria Adelaide Sousa ist die (offiziell mittellose) Mutter von José Sócrates.

Adelaide Sousa transferiert die 600.000 Euro plus 175.000 Euro auf das Konto ihres Sohnes José Socrates. Sie überweist viele kleine Teilbeträge.

Derweil werden weitere 10.000-Euro-Teilbeträge von dem 20-Millionen-Konto bei der Espirito-Santo-Bank abgehoben. Diese Abhebungen werden von dem benannten Jugendfreund, Carlos Santos Silva, sowie vom (ebenfalls verhafteten) Anwalt Gonçalo Ferreira, ebenfalls ein langjähriger Freund von José Sócrates, vorgenommen. Das Geld wird in bar an José Pernas übergeben.

Der ebenfalls verhaftete José Pernas ist der Fahrer von José Socrates. Pernas fährt monatlich mit dem Bargeld von Lissabon nach Paris und übergibt Sócrates jeden Monat die 10.000-Euro-Tranchen in Bar.

Außerdem erhält Sócrates monatlich 12.000 Euro von Lalana Castro, der portugiesischen Repräsentantin des Schweizer Pharmaunternehmens Octopharma. Mit Octopharma hat Sócrates einen Beratervertrag unterschrieben. Er soll als Marktöffner in Lateinamerika fungieren. Es gibt Hinweise, dass Sócrates nicht wirklich für Octopharma tätig ist.

Vom 20-Millionen-Konto bei der Espírito Santo Bank werden von Carlos Santos Silva monatlich 12.000 Euro auf ein Offshore-Konto überwiesen.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla Grünheide - Protesttage: Polizei schützt Autofabrik mit Großaufgebot
10.05.2024

Die Kundgebungen gegen den Autobauer Tesla in Grünheide erreichten am Freitag einen neuen Höhepunkt. Während eines...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Chefredakteur kommentiert: Deutsche Bahn, du tust mir leid!
10.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Technologie
Technologie Kein Erdgas mehr durch die Ukraine? Westeuropa droht erneute Energiekrise
10.05.2024

Eines der größten Risiken für die europäische Erdgasversorgung im nächsten Winter ist die Frage, ob Gaslieferungen weiterhin durch die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch bei über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das für Anleger und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Streik am Bau: Gewerkschaft kündigt Proteste in Niedersachsen an
10.05.2024

Die IG Bauen Agrar Umwelt hat angekündigt, dass die Streiks am Bau am kommenden Montag (13. Mai) zunächst in Niedersachsen starten...

DWN
Politik
Politik Selenskyj drängt auf EU-Beitrittsgespräche - Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Überblick
10.05.2024

Trotz der anhaltenden Spannungen an der Frontlinie im Ukraine-Krieg bleibt Präsident Selenskyj optimistisch und setzt auf die...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...