Politik

Totales Versagen in Griechenland: Es droht der rasche Crash

Der griechische Premier Tsipras verkündete am Dienstagabend eine neue Schreckensmeldung: Die Banken bleiben geschlossen, bis es ein ESM-Abkommen gibt. Doch dieses Abkommen wird immer unwahrscheinlicher: Der IWF teilte nämlich mit, dass er bei der anstehenden „Rettung“ nicht mitmachen will. Außerdem wird bekannt, dass die Syriza-Regierung nicht die geringsten Vorbereitungen für den Notfall getroffen hat. Jetzt droht der rasche und totale Zusammenbruch.
15.07.2015 03:25
Lesezeit: 4 min
Totales Versagen in Griechenland: Es droht der rasche Crash
Dramatischer Anstieg der faulen Kredite: so etwas können die Banken in einer Depression nicht überleben. (Grafik: Zerohedge)

Die Syriza-Regierung taumelt von einem schweren Fehler in den nächsten. Die Kapitulation vor den brutalen und wirtschaftlich schädlichen Forderungen der Euro-Retter konnte man nach dem Referendum eigentlich nicht mehr verstehen. Viele Beobachter haben sich gefragt: Warum gibt Premier Alexis Tsipras auf der ganzen Linie nach? Warum die bedingungslose Kapitulation?

Langsam wird klar, warum Tsipras vor Merkel zusammengebrochen ist: Die Syriza-Regierung hat beim Poker nicht bloß als erster geblinzelt und damit der Troika einen leichten Sieg beschert. Der Grund war nicht nur das martialische Vorgehen von Wolfgang Schäuble und Angela Merkel. Man kann es kaum fassen – doch die griechische Regierung hat offenbar keinen Plan B in der Tasche.

Die BBC berichtet, dass die Regierung nicht die geringsten Vorbereitungen für den Fall getroffen hat, dass kein Deal zustande kommt: So bestätigen Banker der BBC, dass es keine Vorkehrungen für den Fall gegeben hat und solche Vorkehrungen auch heute nicht gibt, was geschieht, wenn die Verhandlungen scheitern und die EZB die ELA-Notkredite abdreht. Beides war bis in den frühen Montagmorgen eine mindestens 50:50-Wahrscheinlichkeit. Die BBC zitiert einen griechischen Banker mit den Worten: „Es hat absolut keine Gespräche mit den Autoritäten gegeben, was wir tun werden, wenn wir den Euro verlassen – keine technischen Vorbereitungen, wir haben nichts dergleichen wahrgenommen.“ Es hat keine Gespräche zwischen der griechischen Zentralbank, den Banken oder der Bankenaufsicht gegeben, was zu tun sei, wenn eine neue Währung eingeführt werden soll. Der Wirtschaftskorrespondent der BBC, Robert Peston nennt dieses Verhalten „erstaunlich, einige würden sogar sagen, es ist ziemlich nahe an einem kriminellen Verhalten“.

Der von der BBC zitierte Banker sagte im Hinblick auf einen Grexit: „Wenn er eintritt habe ich keine Ahnung wie und ob wir überhaupt jemals wieder öffnen werden.“

Die Tatsache, dass die griechische Regierung ohne Notfall-Plan agiert, obwohl die Zeichen auf Crash stehen, ist in der Tat atemberaubend. Auch der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis scheint sich in abenteuerlicher Weise auf seine „Spieltheorie“ verlassen zu haben. Zwar brachte er einige Tage vor dem Gipfel in Brüssel die Variante ins Gespräch, Griechenland könnte sogenannte IOUs einführen, also eine Art Parallelwährung in Form von Schuldscheinen. Doch es blieb beim Gedanken. Varoufakis sagte dem australischen Sender ABC auf die Frage, ob die griechische Regierung Pläne für die Einführung der Drachme in der Tasche habe: Man hätte dies zwar im engen Kreis von etwa fünf Leuten mit Tsipras diskutiert, hätte aber nichts vorbereitet. Die Begründung für dieses grob fahrlässige Verhalten: Wenn man eine neue Währung einführen will, müssten davon mindestens 500 Leute wissen. Dies wollte man nicht, um zu verhindern, dass die Pläne bekannt würden.

Vor diesem Hintergrund wird klar, warum Tsipras so sang- und klanglos eingeknickt ist: Er stand tatsächlich völlig nackt vor den Haien und hatte nicht einen Millimeter Spielraum. Schäubles harte Tour ist verwerflich. Doch Tsipras‘ Untätigkeit ist nicht minder wahnwitzig.

Und dem jungen Premier, den viele für ehrlich und aufrichtig halten, scheint immer noch nicht klar zu sein, dass die Lage total aus der Kontrolle gerät: In einem Interview mit ERT sagte Tsipras am Vorabend zur Parlamentsabstimmung, dass die Banken erst wieder öffnen werden, wenn es eine neue Vereinbarung mit der Troika gibt. Er rechne damit, dass „dies in einem Monat der Fall sein wird“. Dies ist zum einen naiv – die Verhandlungen werden wegen der gigantischen Summen, um die es mittlerweile geht, noch viel länger dauern. Vor allem aber bedeutet dies: Die griechischen Banken bleiben mindestens ein Monat geschlossen. Das ist das Todesurteil für die griechische Wirtschaft. Denn nach einem Monat ist die jetzt schon durch die unzulässige Hinhaltepolitik der EZB am Ende.

Denn wie Kathimerini berichtet, ist die Summe der faulen Kredite – also Krediten, die seit 90 Tagen nicht mehr bedient wurden, auf 100 Milliarden Euro angestiegen. Der Grund: Die Griechen haben mit der Einführung der Kapitalverkehrskontrollen und der Schließung der Banken schlagartig aufgehört, ihre Kredite zu bezahlen. Schon vor der Bankenschließung hatten sich die griechischen Banken geweigert, Immobilien oder Schiffsbeteiligungen anzunehmen, um Kredite abzulösen – wegen des dramatischen Preisverfalls in diesen Segmenten. Man kann sich ausrechnen, wie die Bilanzen der Banken aussehen. Der Plan der EZB, zwei Banken zu schließen, dürfte damit obsolet werden: Keine Bank kann das realistisch überleben. Im Treuhandfonds der Euro-Retter sollen 25 Milliarden für die Rekapitalisierung der Banken verwendet werden. Das ist nur ein Bruchteil dessen, was die Banken wirklich brauchen werden.

Der IWF scheint sich des Desaster mittlerweile bewusst zu sein und hat angekündigt, nicht an der nächsten „Rettung“ mitwirken zu können: Offiziell hat sich der IWF darauf zurückgezogen, dass die Schulden mit 200 Prozent des BIP nicht tragfähig sein werden. Der IWF sagt zwar, dass der Schuldenschnitt „weit über das hinausgehen muss, was die Europäer bisher zu akzeptieren bereit sind“. Doch in einer Liquiditätskrise sind die Schulden absolute Nebensachen: Tatsächlich ahnt der IWF nun das gesamte Ausmaß der sich abzeichnenden Liquiditätskrise und zieht die Reißleine. All jene, die die Hoffnung hatten, die USA könnten ihre Position beim IWF nutzen, um das Fiasko doch noch abzuwenden, werden enttäuscht sein: Der IWF darf aufgrund seiner internen Regeln keinen Kredit ausreichen, wenn die Lage so verheerend ist.

Das dürfte auch den ganzen geplanten EU-Deal in die Luft sprengen: Denn Griechenland hat sich verpflichtet, auch beim IWF um eine Beteiligung am Bailout anzusuchen. Das Papier kann sich die Syriza-Truppe nun sparen.

Auch die notwendige Brückenfinanzierung könnte nicht zustande kommen. Die Euro-Gruppe ist bisher zu keinem Ergebnis gekommen, weil sich Großbritannien weigert, mitzumachen. Wenn die anderen Staaten erfahren, wie die Lage wirklich ist, wären ihnen selbst bei gutem Willen die Hände gebunden. Die Euro-Retter haben außerdem bisher bewiesen, dass sie total zerstritten sind, jeder nur an sich selbst denkt und daher rasche und wirksame Maßnahmen nicht beschlossen werden können.

Alexis Tsipras, der am Freitag noch als der „tragische Held“ erschien, könnte nun zum fahlen Totengräber werden. Er vergeudet seine Zeit in dieser absoluten Höchstgefahr damit, sinnlose Personalentscheidungen in seiner Syriza zu diskutieren. Er verliert sich in der Rhetorik über das deutsche Diktat und den Verlust der Demokratie.

Tatsächlich wird auch die Rolle der Währungshüter von Tag zu Tag unmoralischer: Die EZB müsste das griechische Finanzsystem retten, auch wenn in der Syriza offenbar in Sachen Banken und Geldpolitik völlige Inkompetenz herrscht. Ein FT-Kolumnist attackiert die EZB und sagt, in einer Liquditätskrise müsste eine Zentralbank die Probleme eines Landes lösen, nicht verursachen:

Wolfgang Schäubles Plan, Griechenland aus dem Euro zu werfen, scheint aufzugehen. Und die Laienspieler in Athen scheinen Schäuble und Merkel sogar zu einem zweiten Sieg zu verhelfen: Wenn die griechische Regierung ihre eigene Propaganda weiter glaubt und der Fehleinschätzung, es werde 86 Milliarden an neuen Krediten geben, bricht das Land innerhalb von Wochen, wenn nicht sogar Tagen zusammen. Und es gibt keinen Plan, was dann geschieht.

Dann wird die Schuldfrage wieder eindeutig nach Griechenland wandern. Demokratie hin, Souveränität her: Die griechische Regierung ist verantwortlich, Notfallpläne zu haben, wenn die Euro-Rettung schiefgeht. Sie kann – Ideologie hin oder her – ihre Banken nicht einfach ignorieren. Milliarden an Einlagen von kleinen Sparern werden vernichtet. Tausende Insolvenzen werden folgen, weil es keine Kredite gibt. Wer ein Mindestmaß an Realitätssinn vermissen lässt und einfach untätig bleibt, macht sich mitschuldig an einer Katastrophe von gewaltigem Ausmaß.

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