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China-Krise trifft deutschen Mittelstand hart

China ist weltweit ein wichtiger Handelspartner. Kommt es zu einem schnelleren Abschwung der chinesischen Wirtschaft werden vor allem die deutsche Automobilindustrie und die Maschinenbauer vor große Probleme gestellt.
08.02.2016 00:06
Lesezeit: 2 min

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie schätzen Sie die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft ein, wenn die Wirtschaft in China weiter an Fahrt verliert?

Klaus-Jürgen Gern: China hat aufgrund seiner Größe inzwischen eine sehr große Bedeutung für die Weltwirtschaft, sowohl als Absatzmarkt als auch als Produktionsstandort. Die Wachstumsverlangsamung in China betrifft insbesondere die Rohstoffexporteure, da China einen großen Teil der Rohstoffe absorbiert, bei vielen Metallen beträgt der Anteil Chinas am Weltverbrauch mehr als 50 Prozent. Nach Modellsimulationen reduziert sich das Wirtschaftswachstum in der übrigen Welt um rund 0,5 Prozentpunkte, wenn sich Chinas Wirtschaftswachstum um drei Prozentpunkte verringert. In der Wirtschaft nennt man das eine harte Landung der Konjunktur.

Schwer einzuschätzen sind die Auswirkungen auf die Finanzmärkte. China ist in die Weltfinanzmärkte zwar nur begrenzt integriert, die Eintrübung der Wachstumsaussichten führt aber zu Rückgängen bei den Aktienkursen, die in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften belastend wirken.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie werden die Auswirkungen für Deutschland konkret sein?

Klaus-Jürgen Gern: Für Deutschland hat China als Absatzmarkt erhebliche Bedeutung. Knapp sechs Prozent der Exporte, also etwa drei Prozent des BIP, werden direkt nach China geliefert. Aber durch die dämpfende Wirkung auf den Rest der Welt entstehen zusätzliche Belastungen. Stark getroffen werden insbesondere der Maschinenbau und die Automobilindustrie, die zuvor von der Expansion der Nachfrage in China besonders profitiert haben. Es gibt aber auch günstige Effekte für Deutschland, die den Belastungen für den Exportsektor entgegenwirken, insbesondere niedrigere Importpreise für Rohstoffe, aber auch für verarbeitete Güter, so dass die Binnennachfrage gestärkt wird, weil Kaufkraft freigesetzt wird.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie stark wird Chinas Wirtschaftswachstum sich maximal abschwächen? 

Klaus-Jürgen Gern: Zunächst mal ist das Ausmaß der gegenwärtigen Schwäche bereits schwer abzuschätzen, da die offiziellen BIP-Zahlen die Realität wohl in zu günstigem Licht darstellen. Darauf lassen jedenfalls alternative Aktivitätsindikatoren schließen. Längerfristig ist ohnehin mit einer Wachstumsverlangsamung auf vielleicht vier bis fünf Prozent zu rechnen, was für eine aufholende Volkswirtschaft ganz normal ist. Fraglich ist, ob es kurzfristig zu einem krisenhaften Konjunktureinbruch kommt. Risiken bestehen infolge der hohen Verschuldung von Unternehmen und einigen Gebietskörperschaften, insbesondere auch im Zusammenhang mit dem Immobilienmarkt. Die Regierung wird aber alle Hebel in Bewegung setzen, um dies zu verhindern, da sie soziale Unruhen im Zusammenhang mit einer Rezession fürchtet.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Gibt es eine Grenze, bei der die Regierung wirklich außergewöhnliche Schritte einleiten würde?

Klaus-Jürgen Gern: Eine Grenze lässt sich hier in Wachstumszahlen nicht nennen. Sie würde aber wohl insbesondere auf dramatische Beschäftigungsverluste stark reagieren. Im Übrigen hat sie ja die Erfahrung gemacht, dass ungewöhnliche Maßnahmen zuweilen nicht die gewünschte Wirkung entfalten. So sind die Eingriffe in den Finanzmarkt, die zur Stützung der Aktienkurse eingeführt wurden, bereits zum Teil wieder zurückgenommen worden.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Ab wann wird es bezüglich China gefährlich für die deutschen Exporte und die Weltwirtschaft?

Klaus-Jürgen Gern: Wichtig ist vor allem, ob die Wachstumsverlangsamung als vorübergehend oder nachhaltig eingeschätzt wird. Wenn auf längere Sicht nicht mehr mit großen Zuwächsen in China gerechnet würde, müssten viele deutsche Unternehmen ihre Unternehmensstrategie überdenken und vermutlich Investitionspläne zurücknehmen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Der Abschwung in welcher Branche in China würde die deutschen Exporte am meisten treffen?

Klaus-Jürgen Gern: Besonders wichtig sind der Automobilmarkt und die Ausrüstungsgüter für Unternehmen, die rund 70 Prozent der deutschen Exporte ausmachen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie schätzen Sie die Entwicklungen der kommenden sechs Monate ein?

Klaus-Jürgen Gern: Wir erwarten, dass die konjunkturstützenden Maßnahmen einen regelrechten Einbruch der Konjunktur verhindern werden. Mit einer raschen, deutlichen Wende zum Besseren ist aber wohl auch nicht zu rechnen. Hier sind die bremsenden Faktoren, insbesondere der Konsolidierungsbedarf in weiten Teilen der Wirtschaft, wohl zu mächtig. Die Bemühungen der Regierung, geldpolitische Anregungen zu geben, werden im Umfeld der eher strafferen US-Geldpolitik den Renmimbi voraussichtlich unter Druck setzen. Eine Abwertung der chinesischen Währung ist aber in der gegenwärtigen Gemengelage eine den Fundamentaldaten entsprechende Entwicklung und sollte nicht als „Währungskrieg“ interpretiert werden.

Klaus-Jürgen Gern forscht beim Institut für Weltwirtschaft in Kiel.

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