Politik

Eskalation: Türkei und Saudi-Arabien wollen in Syrien einmarschieren

Die Türkei und Saudi-Arabien bereiten einen Einmarsch in Syrien vor: Beide wollen verhindern, dass die syrische Armee das Land zurückerobert. Damit würde die Situation brandgefährlich: Russland kämpft als einziges Land gegen den IS-Terror an der Seite der syrischen Armee. Ein Zwischenfall ist jederzeit möglich. Auch deutsche Soldaten könnten in den Krieg hineingezogen werden - ohne Mandat des Bundestags.
13.02.2016 13:22
Lesezeit: 4 min
Eskalation: Türkei und Saudi-Arabien wollen in Syrien einmarschieren
Die kurdische YPG soll Dörfer in der Nahe des Flughafens Menagh eingenommen haben. (Grafik: almasdarnews)

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Die Türkei bereitet die Entsendung von Bodentruppen ins Nachbarland Syrien vor: "Wenn es eine Strategie (gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat, IS) gibt, könnten die Türkei und Saudi-Arabien einen Einsatz am Boden starten", sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Samstag nach seiner Teilnahme bei der Münchner Sicherheitskonferenz den türkischen Zeitungen Yeni Safak und Haber.

Russland warnt seit Wochen vor einem türkischen Einmarsch. Moskau beobachtet demnach bereits seit längerem konkrete türkische Vorbereitungen.

Die Türkei ist in die Defensive geraten, weil die syrische Armee mit Hilfe der russischen Luftschläge die von der Türkei unterstützte Terror-Miliz IS zurückgedrängt hat. Außerdem kooperieren Russen und Amerikaner mit der kurischen YPG und habe verhindert, dass die Türkei in Nord-Syrien einen territorialen Vorstoß unternimmt, um die Kurden zu bekämpfen. Eine erste Invasion der Türkei in den Irak vor einigen Wochen endete damit, dass die Amerikaner den türkischen Präsidenten Erdogan zurückpfeifen mussten. Der Irak hatte die Invasion als aggressiven Akt bezeichnet und bei den UN gegen die Türkei protestiert.

Nun hat es den Anschein, als würden Saudi-Arabien und die Türkei zu einer Allianz zusammenwachsen, die dem Westen das Heft des Handelns aus der Hand nimmt. Vor einigen Wochen hatten die beiden Länder eine intensive Militär-Zusammenarbeit bekanntgegeben. Die Saudis haben schon in der vergangenen Woche bekanntgegeben, Bodentruppen für den Kampf gegen den IS nach Syrien zu entsenden. Die Türkei kann die EU jederzeit mit der Drohung erpressen, einen neuen Flüchtlings-Zug nach Europa zu schicken - Angela Merkel kann in dieser Hinsicht den türkischen Ambitionen nichts entgegensetzen, sondern muss ihre Politik nach den Regeln des türkischen Präsidenten Erdogan spielen.

Cavusoglu kündigte in dem Interview an, dass Saudi-Arabien Kampfflugzeuge für den Einsatz gegen den IS zum türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik entsenden werde. Saudiarabische Regierungsvertreter hätten den Stützpunkt bereits inspiziert. Wie viele Flugzeuge Riad dort stationieren werde, sei aber noch unklar.

Im südtürkischen Incirlik sind auch Bundeswehrsoldaten im Rahmen des Anti-IS-Einsatzes stationiert. Sie absolvieren dort mit bis zu sechs Tornado-Jets Aufklärungsflüge über Syrien und dem Irak. Ein Airbus hilft zudem bei der Betankung von Kampfjets der Koalition in der Luft, eine Fregatte gibt einem französischen Flugzeugträger Geleitschutz. An Luftangriffen beteiligt sich die Bundeswehr bisher nicht. Außerdem hat die Nato einige Kriegsschiffe im Mittelmeer, die angeblich zur Bekämpfung der Schlepper dort kreuzen, wie Angela Merkel behauptet hatte. Tatsächlich können die Nato-Schiffe wichtige militärische Unterstützung für die Türkei liefern. Eigentlich würde ein solcher Einsatz mit deutscher Beteiligung die Zustimmung des Bundestages erfordern. Doch mit der Begründung, dass die Nato nur die Schlepper überwacht, wurde die Diskussion darüber im Keim erstickt.

Die Hektik in Riad und Ankara ist in den russischen Militär-Erfolgen in Syrien begründet: Die FAZ berichtet, dass die deutschen Geheimdienste mit einem Sieg der Russen rechnen: "Das Eingreifen Russlands bedeutet eine Trendwende zugunsten des Regimes in Damaskus, die unumkehrbar ist", zitiert die FAZ anonyme Quellen aus Sicherheitskreisen. Der bewaffnete Widerstand gegen Assad zersplittere immer mehr und werde schließlich zusammenbrechen. Die Dienste gehen demnach davon aus, dass die syrischen Regierungstruppen - wenn auch erst nach monatelangen Kämpfen - die Stadt Aleppo einnehmen werden. Dadurch würde die Legitimität des Assad-Regimes quasi wiederhergestellt, der bewaffnete Widerstand würde zusammenbrechen. Ein direktes militärisches Eingreifen Saudi-Arabiens oder der Türkei auf Seiten der Anti-Assad-Kräfte hält die FAZ für unwahrscheinlich. Überprüfen kann man diese Spekulationen nicht. Sie decken sich allerdings mit der US-Einschätzung, wonach Russland bei seinem Einsatz einen sehr professionellen Eindruck hinterlassen habe. 

Auch die Kurden machen offenbar Fortschritte: Almasdarnews meldet, dass die YPG Dörfer in der Nähe des strategisch wichtige Flughafens Menagh eingenommen haben sollen. Doch der IS ist immer noch in mehreren Wichtigen Ortschaften präsent (siehe Karte). Die syrische Armee hat zwar einen wichtigen Durchbruch in Richtung Aleppo erreicht. Doch kommen die Truppen trotz der russischen Unterstützung aus der Luft offenbar nur langsam voran, schreibt Almasdarnews.

Wie weit die Vorbereitungen gediehen sind, zeigt eine Reuters-Meldung: In Syrien agierende Söldner haben demnach im Kampf gegen Regierungstruppen nahe Aleppo nach eigenen Angaben eine große Zahl von Boden-Boden-Raketen erhalten. Die Raketen vom Typ "Grad" seien in den vergangenen Tagen von Unterstützern im Ausland gekommen, sagten zwei Söldner-Kommandanten, die namentlich nicht genannt werden wollten, der Nachrichtenagentur. "Das ist für uns eine exzellente Verbesserung unserer Feuerkraft", sagte einer. Der zweite Kommandeur erklärte, die Waffen würden benutzt, um Ziele hinter der Front zu treffen. Durch die Raketen hätten die Rebellengruppen eine größere Reichweite erhalten.

Einige Terror-Gruppen wie etwa die zur al-Kaida gehörende al-Nusra-Front haben eine Militärausbildung unter der Aufsicht des US-Geheimdienstes CIA erhalten. Die Terror-Gruppen hatten bislang vergeblich um Boden-Luft-Raketen gebeten. Diese wären nach ihren Angaben notwendig, um die von Russland unterstützte Offensive bei Aleppo zu bekämpfen. Da sie nun die Raketen bekommen haben, steigt die Gefahr einer direkten Konfrontation mit Russland.

Die USA begrüßen nach den Worten von Verteidigungsminister Ash Carter die Einmarsch-Pläne: Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sollen die in Syrien tätigen Söldner mit Spezialeinheiten unterstützen. Dazu gehörten auch die Anstrengungen zur Rückeroberung der Stadt Rakka, sagte Carter am Freitag nach Beratungen in Brüssel. Insbesondere sunnitische Araber in Syrien sollten die Möglichkeiten erhalten, ihre Gebiete von der ebenfalls sunnitischen IS-Miliz zurückzuerobern.

Vertreter der VAE hätten ihm zudem versichert, sich wieder an den US-Luftangriffen gegen den IS zu beteiligen, sagte Carter. Eine ähnliche Zusage hatte er am Vortag von Saudi-Arabien erhalten.

Mit der Lieferung von Raketen an Söldner und Terroristen besteht die erhebliche Gefahr einer Eskalation: Denn die einzigen, die bisher wirklich gegen den IS und andere Terror-Gruppen kämpfen, sind die Russen - wie selbst die UN bestätigt haben. Die Saudis wollen Assad weiter stürzen, die Amerikaner wollen den russischen Sieg in Syrien verhindern. Die Türkei hat mit dem Abschuss einer russischen Militärmaschine schon einmal bewiesen, dass sie keine Rücksicht auf andere Interessen nimmt. Wenn sich die Ankündigungen tatsächlich materialisieren, dann könnte es zu einer brandgefährlichen Entwicklung in der Region kommen. Ein anonymer Nato-Mann sagte der Wiener Zeitung Standard, dass ein Einmarsch der Türkei "den Konflikt noch vergrößern und völlig außer Kontrolle geraten lassen würde"; zugleich räumt der anonyme Nato-Mann ein, dass es sich nur um einen "Bluff" der Türkei handeln könne, um für die EU den Preis für die Flüchtlinge in die Höhe zu treiben.

Russland baut jedenfalls schon einmal vor: Zur Sicherung seiner Flug-Operationen schickte Moskau am Samstag ein Kriegsschiff Richtung Syrien. Das mit Raketen bestückte Schiff sei auf dem Weg ins Mittelmeer, berichtet die Nachrichtenagentur RIA Nowosti.

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