Finanzen

Der Westen baut Wirtschafts-Front gegen China auf

Lesezeit: 3 min
16.06.2016 01:14
China baut sein Wirtschaftsmodell um: Die billige Massenproduktion soll von Innovationen und Dienstleistungen abgelöst werden. Dazu braucht das Land jedoch Zugriff auf moderne westliche Technologie und Know-How. Der Westen ist besorgt und schaltet auf Abwehr.
Der Westen baut Wirtschafts-Front gegen China auf

Mehr zum Thema:  
China > USA >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
China  
USA  

Chinas Führung peilt eine grundlegende Änderung des Wirtschaftsmodells an. Die auf billiger Arbeitskraft und Massenproduktion basierende Exportwirtschaft soll durch ein Modell ersetzt werden, dass auf Dienstleistungen und Binnenkonsum beruht. Den Schlüssel zu dieser „new economy“ bilden Innovation, Know-How und die Nutzung modernster Technologien. Obwohl eigene Anstrengungen bereits zu spürbaren Fortschritten in diesen Bereichen geführt haben, bleibt der Zugriff auf westliche Schlüsseltechnologien immens wichtig.

Dies führt zu Konflikten mit westlichen Ländern, die sich im wirtschaftlichen Austausch zunehmend benachteiligt fühlen. Sie beklagen massive Wettbewerbsvorteile chinesischer Firmen, welche – finanziert von den Staatsbanken – relativ ungehindert im Westen auf Einkaufstour gehen könnten, während auf dem chinesischen Markt noch immer hohe bürokratische Hürden einen echten Marktzutritt verhindern. Der deutsche Botschafter in China hatte diesen Umstand neulich mit den Schlagworten asymmetrischer Wettbewerb, asymmetrische Investitionen und asymmetrischer Technologietransfer beschrieben.

Es mehren sich nun die Vorstöße gegen China, die als Aufbau einer wirtschaftlichen Front gedeutet werden können. Die derzeit vieldiskutierte Frage, ob China von der EU als Marktwirtschaft anerkannt werden soll, ist einer davon. Offenbar wurde China bei der Aufnahme in die Welthandelsorganisation im Jahr 2001 versprochen, in 15 Jahren als Marktwirtschaft anerkannt zu werden. Die EU hat aber zu verstehen gegeben, dass sie dieser Einschätzung nicht zustimmen werde, solange China Produktions-Überschüsse auf den Weltmarkt wirft. Wenn der Titel Marktwirtschaft verliehen wurde, können europäische Staaten keine Sondermaßnahmen wie beispielsweise Strafzölle mehr gegen Peking ergreifen.

Auch die Ablehnung des amerikanischen Börsenindex-Betreibers MSCI vom Dienstag, chinesische Aktien in seinen Indizes aufzunehmen (obwohl dies Anfang des Jahres zumindest angedeutet wurde), muss in diesem Kontext verstanden werden. „Internationale Investoren haben klargemacht, dass sie weitere Verbesserungen beim Zutritt auf Chinas Aktienmarkt wünschen, bevor es zu einer Aufnahme kommt“, zitiert Financial Times einen Beobachter.

Doch China ist praktisch dazu gezwungen, technisches Know-How aus dem Ausland abzuschöpfen, wie jüngst auf einer Asien-Konferenz von Allianz Global Investors deutlich wurde. „Für den Umbau der Wirtschaft braucht es eine starke Nachfrage und neue Technologien spielen dabei eine entscheidende Rolle“, sagte Raymond Chan von Allianz Global Investors. Übernahmen sind in diesem Zusammenhang ein bewährtes Mittel: derzeit führen das Schweizer Agrartechnologie-Unternehmen Syngenta und der deutsche Roboterbauer Kuka hochdotierte Übernahmegespräche. Es ist kein Zufall, dass es sich dabei um Firmen aus Zukunftsbranchen handelt. Die gesamten Investitionen chinesischer Firmen im Ausland beliefen sich vergangenes Jahr auf rund 100 Milliarden Dollar.

Der Technologietransfer durch Übernahmen ist kein rein chinesisches Phänomen – er wurde und wird von zahlreichen aufstrebenden Ländern angewendet – beispielsweise auch von Deutschland und den USA gegenüber Großbritannien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Raymond Chan weist darauf hin, dass China mittlerweile über ein eigenes Innovationspotential verfügt. So beträgt der Anteil von Dienstleistungen am chinesischen Bruttoinlandsprodukt rund 50 Prozent, derjenige der Industrie nur noch rund 41 Prozent. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung entsprechen mit rund 320 Milliarden Dollar jährlich ungefähr den Ausgaben aller europäischer Länder.

Trotzdem bleibt das Land auch weiterhin stark auf den Marktzutritt im Westen angewiesen. Bislang war China dabei in der komfortablen Situation, den eigenen Markt relativ stark abschotten zu können. Der schwelende Streit um den Status der Marktwirtschaft ist ein Anzeichen dafür, dass der Westen in Zukunft mehr Gegenleistungen von Peking fordert.

Entscheidende Bedeutung im Verhältnis des Westens zu China kommt der nächsten amerikanischen Regierung zu. Raymond Chan geht davon aus, dass sich die Gesamtlage sowohl unter Donald Trump als auch Hillary Clinton verschlechtern wird. „Ein Präsident Trump wäre ein Protektionist, der ein isolierteres Amerika bevorzugen würde. Darunter würden nicht nur die Exporteure, sondern der Marktzugang in den USA allgemein leiden. Eine Präsidentin Clinton wäre zwar globaler eingestellt, doch sie dürfte geopolitisch aggressiver gegen China vorgehen.“

Ungeachtet deutlicher Kritik aus China hat US-Präsident Barack Obama hat am Mittwoch das religiöse Oberhaupt der Tibeter, den Dalai Lama, empfangen. Es habe sich um ein privates Treffen gehandelt, betonte das Washingtoner Präsidialamt. Obama habe den Dalai Lama aufgefordert, durch einen Dialog mit den chinesischen Behörden zu einer Entspannung im Tibet-Konflikt beizutragen. Der im indischen Exil lebende Religionsführer tritt für eine Autonomie Tibets ein. Im Vorfeld der Begegnung hatte die Pekinger Regierung erklärt, das geplante Treffen werde den Separatismus in der Region weiter anheizen und die diplomatischen Beziehungen der USA zu China belasten. In einem Kommentar der amtlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua hieß es am Mittwoch, die US-Regierung habe ihr Versprechen gebrochen, die Bestrebungen Tibets nach Unabhängigkeit nicht zu unterstützen.

Obama hat den Dalai Lama in den vergangenen acht Jahren vier Mal im Weißen Haus empfangen. Bei der letzten Begegnung 2014 hatte der US-Präsident die chinesische Regierung damit verärgert, dass er sich für die Achtung der Menschenrechte in Tibet ausgesprochen hatte. Die Brisanz des Treffen am Mittwoch liegt auch darin, dass die Beziehungen zwischen den USA und China derzeit besonders angespannt sind.


Mehr zum Thema:  
China > USA >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Robert Habeck sollte endlich die Kehrtwende vollziehen - im Heizungskeller Deutschlands
03.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Finanzen
Finanzen Wirtschaftsstandort in der Kritik: Deutsche Ökonomen fordern Reformen
03.05.2024

Deutschlands Wirtschaftskraft schwächelt: Volkswirte geben alarmierend schlechte Noten. Erfahren Sie, welche Reformen jetzt dringend...

DWN
Politik
Politik Rheinmetall-Chef: Deutschland muss Militärausgaben um 30 Milliarden Euro erhöhen
03.05.2024

Armin Papperger, der CEO von Rheinmetall, drängt darauf, dass Deutschland seine Militärausgaben um mindestens 30 Milliarden Euro pro Jahr...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Indische Arbeitskräfte im Fokus: Deutschland öffnet die Türen für Fachkräfte
03.05.2024

Die Bundesregierung strebt an, einen bedeutenden Anteil der indischen Bevölkerung nach Deutschland zu holen, um hier zu arbeiten. Viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Wie lege ich mein Geld an – wichtige Tipps für Anfänger
03.05.2024

Die Tipps zur Geldanlage können wirklich spannend sein, besonders wenn es darum geht, die eigenen finanziellen Ziele zu erreichen und eine...

DWN
Politik
Politik Die Bundesregierung macht Russland für den Cyberangriff auf SPD verantwortlich
03.05.2024

Im Januar des Vorjahres wurden die E-Mail-Konten der SPD von Hackern attackiert. Die Bundesregierung gibt nun "eindeutig" Russland die...

DWN
Finanzen
Finanzen Der komplette Guide zur Bankvollmacht: Sicherheit und Flexibilität im Finanzmanagement
03.05.2024

Eine Bankvollmacht kann entscheidend dafür sein, Sicherheit und Flexibilität in Ihren finanziellen Angelegenheiten zu gewährleisten....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fleischersatz auf dem Vormarsch: Deutschland erlebt Produktionsboom
03.05.2024

Vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte gewinnen in Deutschland an Beliebtheit: Produktion verdoppelt sich seit 2019. Fleischkonsum...