Politik

Obama: Großbritannien muss aus der EU austreten

US-Präsident Obama hat ein Machtwort zum Brexit gesprochen: Die Wahlbeteiligung beim Referendum sei so hoch gewesen, dass der EU-Austritt Großbritanniens nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. Obama macht die Sparpolitik der EU für die Ablehnung in vielen Staaten verantwortlich – und kritisiert damit unmissverständlich Bundeskanzlerin Merkel, die diesen Kurs erneut als alternativlos bezeichnet.
11.07.2016 02:34
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

„Wir müssen uns darauf einstellen, dass ein Referendum mit einer so starken Beteiligung eingehalten wird“, sagte Obama laut Bloomberg nach dem NATO-Treffen am Samstag in Warschau. „Unser oberstes Interesse ist es, sicher zu stellen, dass die Verhandlungen und der Ablösungsprozess so geordnet wie möglich verlaufen.“ Beide Seiten sollten versuchen, Schäden für den anderen zu vermeiden. Großbritannien bleibe ein wichtiger Partner der EU – und vor allem der USA, die mit dem Vereinigten Königreich über die enge Partnerschaft mit der NATO verbunden sind.

Während des NATO-Gipfels hatte sich Obama bereits am Freitag mit EU-Ratspräsident Tusk und EU-Kommissionspräsident Juncker getroffen, um den Brexit zu besprechen. Am Samstag war Obama dann mit Großbritanniens, Deutschlands, Frankreichs und Italiens Staatschefs zusammengekommen. Es sei entscheidend, dass sich die Fronten nicht verhärten und so deren Wirtschaft oder die Weltwirtschaft darunter leiden, vor allem in Zeiten, in denen die Weltwirtschaft sowieso gerade schwächelt.

Bevor Großbritannien jedoch nicht offiziell nach Artikel 50 des Lissabon-Vertrages den EU-Austritt erklärt, können keine Entscheidungen getroffen werden. Nach dem Eingang dieser Benachrichtigung bleiben zwei Jahre Zeit, um die Trennung zwischen der EU und dem Königreich zu vollziehen, es sei denn, die EU-Staaten einigen sich einstimmig auf eine Verlängerung der Frist.

Während seines Spanien-Besuches im Anschluss an den NATO-Gipfel hat US-Präsident Obama noch einmal die Sparpolitik einiger EU-Staaten als eine der Ursachen für den Unmut vieler Bürger in Europa bezeichnet. Viele europäische Länder in Europa hätten sich für Sparmaßnahmen entschieden, sagte Obama in einem Interview mit der spanischen Zeitung El País. „Diese Politik ist aus meiner Sicht ein wichtiger Faktor zur Erklärung der Frustrationen und Ängste, die in vielen europäischen Ländern zu beobachten sind.“

Die Europäer hätten das Gefühl, dass die wirtschaftliche Integration und die Globalisierung nicht allen Menschen gleichermaßen zugutekämen, so Obama in dem anlässlich seines Besuchs in Madrid gegebenen Interview. In Spanien wachse zwar die Wirtschaft wieder, jedoch sei die Arbeitslosigkeit weiterhin zu hoch, vor allem bei den Jüngeren. Spanien leidet nach einer Wirtschaftskrise unter einer Arbeitslosenquote von 21 Prozent, in den USA beträgt die Quote weniger als drei Prozent.

„In Spanien, in Europa und in der Welt werde ich weiter eine Politik verteidigen, die auf die Menschen Rücksicht nimmt, das Wachstum ankurbelt und Arbeitsplätze schafft“, sagte Obama. Der US-Präsident war am Samstagabend in Madrid eingetroffen. Wegen der tödlichen Schüsse auf Polizisten in Dallas am Donnerstag wollte er am Sonntagabend - früher als geplant – von seiner Europareise in die USA zurückkehren.

Wie Obama sieht auch Bundeskanzlerin Angela Merkel keine Möglichkeit für den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union. „Diese Entscheidung ist aus meiner Sicht gefallen“, sagte Merkel am Sonntag im Sommerinterview der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Der nächste Schritt sei, dass London den EU-Austritt nach Artikel 50 beantrage. „Ich befasse mich mit den Realitäten und ich gehe davon aus, ganz fest, dass dieser Antrag gestellt wird.“

Den Vorwurf Obamas, dass die Austeritätspolitik eine Ursache für den Brexit gewesen sein könnte, wies Merkel zurück: Zu Strukturreformen und der Konsolidierung der Haushalte in überschuldeten Mitgliedstaaten habe es in der Eurokrise keine Alternative gegeben. Die Kanzlerin verwies dabei auf die unter ihrem Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) in Deutschland eingeleitete Agenda 2010, die zu mehr Wachstum und Arbeitsplätzen geführt habe: „Diesen Weg, den haben wir genommen und den müssen andere auch nehmen.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Technologie
Technologie KI im Jobmarkt: Die große Lüge von der Objektivität
04.07.2025

Algorithmen sollen neutral entscheiden – doch KI entlarvt sich im Personalbereich als versteckter Türsteher: Diskriminierung,...

DWN
Panorama
Panorama Grillmarkt in der Krise? Holzkohle wird teurer
03.07.2025

Grills verkaufen sich längst nicht mehr von selbst. Nach Jahren des Booms mit Rekordumsätzen schwächelt die Nachfrage. Händler und...

DWN
Finanzen
Finanzen Milliarden für Dänemark – Deutschland geht leer aus
03.07.2025

Dänemark holt 1,7 Milliarden DKK aus Deutschland zurück – ohne die deutsche Seite zu beteiligen. Ein heikler Deal im Skandal um...

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögen im Visier: Schweiz plant Enteignung durch Erbschaftssteuer für Superreiche
03.07.2025

Die Schweiz steht vor einem Tabubruch: Kommt die 50-Prozent-Steuer auf große Erbschaften? Die Eidgenossen debattieren über ein riskantes...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Drogeriehandel: Wie dm, Rossmann und Müller den Lebensmittelmarkt verändern
03.07.2025

Drogeriemärkte verkaufen längst nicht mehr nur Shampoo und Zahnpasta. Sie werden für Millionen Deutsche zur Einkaufsquelle für...

DWN
Technologie
Technologie KI-Gesetz: Bundesnetzagentur startet Beratungsservice für Unternehmen
03.07.2025

Die neuen EU-Regeln zur Künstlichen Intelligenz verunsichern viele Firmen. Die Bundesnetzagentur will mit einem Beratungsangebot...

DWN
Panorama
Panorama Sprit ist 40 Cent teurer an der Autobahn
03.07.2025

Tanken an der Autobahn kann teuer werden – und das oft völlig unnötig. Eine aktuelle ADAC-Stichprobe deckt auf, wie groß die...

DWN
Politik
Politik Brüssel kapituliert? Warum die USA bei den Zöllen am längeren Hebel sitzen
03.07.2025

Die EU will bei den anstehenden Zollverhandlungen mit den USA Stärke zeigen – doch hinter den Kulissen bröckelt die Fassade. Experten...