Politik

Bayern fordert nach Würzburg Begrenzung der Zuwanderung

Bayern fordert nach dem Axt-Angriff in einem Regionalzug bei Würzburg eine Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland, um die Kontrolle im Land zu behalten. Die Ermittlungen der Behörden nähren den Verdacht eines islamistischen Terrorakts. Viele Erkenntnisse können jedoch objektiv nicht überprüft werden.
20.07.2016 02:48
Lesezeit: 3 min

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Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat angesichts des Attentats von Würzburg seine Forderung einer Begrenzung der Zuwanderung erneuert. «Entscheidend bleibt, wir müssen wieder eine stärkere Kontrolle überhaupt über alles behalten, was in unser Land kommt», sagte der CSU-Politiker am Dienstagabend im ARD-«Brennpunkt». «Wir müssen auch den Zuzug begrenzen und dadurch dann in der Lage sein, uns mit denen, die da sind, denen, die auch wirklich fluchtberechtigt sind, dann auch intensiv zu befassen und alles dafür zu tun, dass die nicht derartig aus dem Ruder laufen.»

Bei dem Täter, der am Montagabend in einem Regionalzug bei Würzburg Mitreisende mit Axt und Messer angegriffen und fünf Menschen verletzt hatte, handelte es sich nach bisherigen Erkenntnissen um einen 17-jährigen Flüchtling aus Afghanistan. In einer Videobotschaft bezeichnete er sich als Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat.

In den vergangenen Monaten hatte die CSU von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) immer wieder eine Obergrenze für Flüchtlinge gefordert. Merkel lehnt eine solche Obergrenze ab.

Die Ermittlungsergebnisse, die am Dienstag vorgelegt wurden, können unabhängig nicht beurteilt werden. 

Der Axt-Angriff in einem Regionalzug bei Würzburg hat nach Erkenntnissen der Ermittler einen islamistischen Hintergrund. Der 17-jährige Täter aus Afghanistan habe sich an Nicht-Muslimen rächen wollen, die seinen Glaubensbrüdern Leid angetan hätten, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager am Dienstag. Auslöser könnte die Nachricht vom Tod eines Freundes in Afghanistan gewesen sein. Bei dem Angriff am Montagabend waren fünf Menschen verletzt worden, zwei von ihnen schweben noch in Lebensgefahr. Unter den Opfern waren eine Familie aus Hongkong und eine Passantin.

Ob diese Erklärungen so kurz nach der Tat wirklich valide sind, lässt sich objektiv nicht beurteilen.

Der auf der Flucht erschossene junge Mann sei mit dem vorgefassten Entschluss in den Zug gestiegen, ihm unbekannte «Ungläubige» umzubringen. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hatte wenige Stunden nach der Bluttat die Attacke für sich reklamiert. Außerdem veröffentlichte das IS-Sprachrohr Amak im Internet ein Bekenner-Video, das den Attentäter vor dem Angriff zeigt. Das bayerische Innenministerium bestätigte die Echtheit des Videos am Dienstagabend.

Ob hinter der angeblichen IS-Website wirklich der IS steckt, ist objektiv nicht festzustellen. Eine Beurteilung der Echtheit durch unabhängige Gutachter kann in der Kürze der Zeit nicht erfolgt sein.

«Im Namen Gottes, ich bin ein Soldat des IS und beginne eine heilige Operation in Deutschland», sagt der 17-Jährige darin. Dabei hält er ein Messer in der Hand und erklärt weiter: «Wenn Gott will und ich Luft und Blut in meinem Körper haben, werde ich bis zum letzten Moment kämpfen. So Gott will werde ich Euch mit diesem Messer abschlachten und Eure Schädel mit Äxten einschlagen.»

Ob es sich bei dem Video wirklich um den Täter handelt, kann nicht festgestellt werden. Er wurde erschossen. 

Möglicher Auslöser für den Angriff im Zug könnte gewesen sein, dass der Jugendliche am vergangenen Samstag vom Tod eines Freundes in der Heimat erfahren habe. Dies habe großen Eindruck auf ihn gemacht und ihn nachhaltig verändert, sagte Lothar Köhler vom bayerischen Landeskriminalamt. Der junge Mann habe danach sehr viel telefoniert. Mit wem, sei noch unklar, denn das Handy müsse erst noch ausgewertet werden.

Es gebe keine Beweise, dass der Täter sich bereits vor seiner Einreise am 30. Juni 2015 als Flüchtling nach Deutschland radikalisiert habe, so Ohlenschlager. Auch seien konkrete Verbindungen zum IS nicht belegt, selbst wenn der Angreifer wohl eine Sympathie für die Terrorgruppe gehabt habe.

Während der Tat habe er mehrmals «Allahu akbar» («Gott ist groß») gerufen, so LKA-Ermittler Köhler. Auf dem Handy-Notruf einer Zeugin, der von der Polizei aufgezeichnet worden sei, sei dieser Ausruf «deutlich zu verstehen», sagte Ohlenschlager. Die Zeugin war eine Mitarbeiterin eines Heims für Asylbewerber, die den 17-Jährigen erkannt habe.

Er wohnte seit kurzem bei einer Pflegefamilie. In seinem Zimmer dort wurde ein Block mit einem IS-Symbol gefunden sowie einer Textpassage, die wohl ein Abschiedsbrief an seinen Vater ist. Darin beklagte sich der Jugendliche «über Ungläubige und Taten, die diesen Ungläubigen zuzurechnen sind».

Vor allem eine Passage untermauere die Vermutung, dass die Tat mit einer islamistischen Überzeugung in Verbindung gebracht werden müsse. Der Jugendliche habe an seinen Vater geschrieben: «Jetzt bete für mich, dass ich mich an diesen Ungläubigen rächen kann und bete für mich, dass ich in den Himmel komme.» Kanzleramtsminister Altmaier sagte zu dem Video am Abend im ZDF, inwieweit der IS selbst involviert gewesen sei, müsse überprüft werden. «Wir werden jedem Hinweis nachgehen.»

Wie das Kanzleramt überprüfen will, ob der IS hinter der Tat steckt, ist unbekannt. 

Bisher sei der 17-Jährige strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, erklärte der LKA-Ermittler in Würzburg weiter. Er sei «polizeilich ein völlig unbeschriebenes Blatt» gewesen, so Köhler. «Auch die Nachrichtendienste hätten ihn nicht registriert.» Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen bestätigte am Abend in den ARD-«Tagesthemen»: «Der junge Mann war uns nicht bekannt.» Nach Angaben des LKA war der Jugendliche ein gläubiger Muslim, der aber nicht regelmäßig in die Moschee gegangen sei und privat gebetet habe.

Woher das LKA diese Informationen in so kurzer Zeit gesammelt haben will, ist unklar.

Auch Zeugen fiel er bisher nicht als aggressiv oder reizbar auf. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft war die Tat daher nicht vorhersehbar.

Um welche Zeugen es sich handelt, ist nicht bekannt. 

Der 17-Jährige war mit einer Axt und einem Messer auf Fahrgäste in einem Regionalzug bei Würzburg-Heidingsfeld losgegangen. Als der Zug per Notbremse stoppte, sprang er aus dem Zug, flüchtete und griff noch eine Spaziergängerin an. Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei, das zufällig wegen eines anderen Einsatzes in der Nähe gewesen war, nahm die Verfolgung auf.

Warum das Spezialkommando zufällig in der Nähe war und welchem Einsatz es nachging, ist nicht bekannt. 

Die Polizisten hätten in einer Notwehrsituation auf den 17-Jährigen geschossen und «in höchster Not keine andere Möglichkeit gehabt». Mindestes vier Schüsse seien abgegeben worden. Wie viele Schüsse es genau waren, müsse die Obduktion zeigen.

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