Finanzen

Wirtschaftskrimi im Vatikan: Papst Benedikt XVI. hat offenbar Machtkampf verloren

Es wird immer deutlicher: Der Rücktritt von Papst Benedikt XVI. dürfte mit dem Wirtschafts-Krimi im Vatikan zu tun haben. Offenbar hat der Papst in einem tobenden Machtkampf resigniert. Sein spektakulärer Schritt könnte nun zu einem Befreiungsschlag führen – wenn Joseph Ratzinger auspackt und den Kardinälen sagt, wie schlimm es um den Kirchenstaat steht.
12.02.2013 18:03
Lesezeit: 2 min

Joseph Ratzinger ist ein kühler Rechner. Aber er ist auch ein Realist: Mit seiner kleinen Truppe, allen voran seinem treuen Sekretär Georg Gänswein, konnte der Papst in Rom in der sich zuspitzenden wirtschaftlichen Lage nichts ausrichten. Sein Rücktritt wird daher immer mehr dahingehend interpretiert, dass der Papst nicht zu müde oder zu alt gewesen sei, um weiterzumachen. Der wahre Grund dürfte tatsächlich darin liegen, dass Joseph Ratzinger das Handtuch angesichts der scheinbar unglaublichen Grabenkämpfe in der Kurie geworfen hat - und der offenbar existentiellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Kirchenstaats.

Der Corriere della Sera berichtet am Tag nach dem Rücktritt davon, dass der Papst mehrfach angedeutet haben soll, dass er sich durch die Machenschaften im Vatikan überfordert fühle. Vor allem die wirtschaftliche Lage des Kirchenstaats soll ihm große Sorgen bereitet haben.

Denn der Vatikan ist – möglicherweise mehr denn je – ein Hort der Korruption und der Geldwäscherei geworden (mehr zu den Hintergründen – hier). Alarmierend: Die Vatikan Bank hat seit über acht Monaten keinen Chef mehr. Im Mai 2012 musste Ettore Gotti Tedeschi gehen, nachdem er ins Visier von Korruptions-Ermittlern geraten ist. Nun ist die Bank des Papstes in den aktuellen MPS-Skandal verstrickt, es soll um Schmiergeldzahlungen gehen, bei denen die Kirchen-Banker an vorderster Front mitgemischt haben (hier).

Außerdem sind offenbar neue Finanz-Löcher aufgetaucht. Der Corriere schreibt, dass viele karitative und spirituelle Einrichtungen des Vatikan ums Überleben kämpfen. Die Vatikanbank ist offenbar völlig außer Kontrolle geraten. Im Istituto per le Opere di Religione (IOR), wie die Bank offiziell heißt, herrschen Zustände, die jeder Beschreibung spotten. Vor allem weigert sich die Bank, ihre Zahlungsströme offen zu legen. Sie gilt traditionell als Hort der Geldwäsche für die Mafia und andere zwielichtige Vereinigungen. Papst Benedikt XVI. hatte in den vergangenen Jahren versucht, die Bank auf Vordermann zu bringen. Sehr glücklich hat er dabei nicht agiert.

In dieser Phase haben die Kardinäle erkannt, dass der Papst aus Deutschland auch nur mit Wasser kocht. In einem solchen Führungsvakuum blühen die Intrigen: Es muss exzessive Grabenkämpfe, Intrigen und Eifersüchteleien gegeben haben – gepaart mit handfesten Skandalen und kriminellen Machenschaften (mehr dazu in Kürze auf den Deutschen Wirtschafts Nachrichten).

Der deutsche Papst hat mit seinem Rücktritt einerseits sein Scheitern eingestanden. In der klassischen Konstruktion des Vatikan war er nicht in der Lage, die rivalisierenden Gruppen im Vatikan zu befrieden. Der Mafia vom IOR war Joseph Ratzinger denn auch hoffnungslos unterlegen. Der Blog Linkiesta analysiert: „Der Papst hat den Kampf gegen die die Mysterien des IOR verloren.“

Beobachter halten es jedoch auch für denkbar, dass Papst Benedikt XVI. mit seinem Rücktritt einen radikalen Kulturwandel in Rom auslösen möchte: Es ist gut denkbar, dass er nun das Konklave auch über die aus seiner Sicht grauenvollen Missstände im Vatikan unterrichten wird. Er könnte, wie ein katholischer Gorbatschow, dem Kardinals-Kollegium klarmachen, dass nur ein radikaler Neuanfang die katholische Kirche vor dem Untergang bewahren kann.

Dazu zählt vor allem, dass die Korruption und Vetternwirtschaft im Vatikan beendet werden.

Ob allerdings der Kirchenstaat angesichts der gravierenden Finanz- und Justiz-Probleme noch die Innovationskraft hat, sich wirtschaftlich zu sanieren, wird von manch einem in Rom mit Skepsis gesehen. Der Corriere jedenfalls schreibt: „Dieses Mal wird das Konklave ein ganz anderes Konklave sei als bisher. Das Opfer von Papst Benedikt XVI. stellt jedem einzelnen Teilnehmer seine unentrinnbare Verantwortlichkeit vor Augen.“

Weitere Themen

Fracking: Bundesregierung will gefährliche Technik im Schnell-Verfahren beschließen

Euro zu riskant: Lombardei will lokale Währung einführen

EU: Der Zentral-Staat ist ein Paradies für Industrie-Lobbyisten

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...