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Papst-Rücktritt: Vatikan-Bank im Visier der Ermittler

Lesezeit: 4 min
14.02.2013 03:16
Die Vatikan-Bank scheint bei den aktuellen italienischen Korruptions-Skandalen eine zentrale Rolle zu spielen. Benedikt XVI. hatte verzweifelt versucht, die Bank aus den Schlagzeilen zu bekommen – und wurde von den Machenschaften der „Unberührbaren“ förmlich überrollt. Am Ende blieb ihm nur der spektakuläre Rücktritt.
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Es sind viele „Zufälle“, die sich gleichzeitig in diesen Tagen ereignen: Der erste Rücktritt eines Papstes seit Jahrhunderten (hier). Die Verhaftung des Chefs des italienischen Rüstungskonzerns Finmeccanica, Giuseppe Orsi (hier). Das Verhör, dem sich der ehemalige Chef der Vatikan-Bank (IOR), Ettore Gotti Tedeschi, wegen des Banken-Skandals um die Monte Dei Paschi die Siena (MPS) unterziehen muss (hier). Und schließlich die überraschende Freilassung des päpstlichen Kammerdieners Paolo Gabriele aus der Haft: Er hatte mit der „Vatileaks“-Affäre erstmals Dokumente an die Öffentlichkeit gebracht, die den Vatikan als Hort von kriminellen Machenschaften entlarvt hatten. Zufälle?

Gotti Tedeschi war im Vorjahr als Chef der Vatikanbank abgesetzt worden. Interessanterweise stimmte der Chef der vatikanischen Finanzaufsicht als einer von nur zwei aus dem Aufsichtsrat gegen die Entlassung von Gotti Tedeschi. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass Gotti Tedeschi tatsächlich den Willen von Papst Benedikt XVI. befolgen wollte: Nämlich die Bank endlich aus den Schlagzeilen zu bringen. Die Bank gilt als Zentrum der Geldwäsche – für die Mafia, für steuerflüchtige reiche Italiener und alle anderen, denen an diskreten schwarzen Konten gelegen ist.

Joseph Ratzinger wollte diese Rolle der Bank ein für allemal beenden. Er gab der Bank ein neues Statut, mit dem strenge Transparenz-Regeln hätten eingeführt werden sollen. Ganz freiwillig war diese Initiative allerdings nicht: Die EU hatte dem Vatikan ein Ultimatum gestellt, damit der Kirchenstaat von der schwarzen Liste der Geldwäsche-Staaten kommen kann.

Doch der Papst scheiterte mit seinem Vorhaben: Gotti Tedeschi wurde im Vorjahr von Ermittlern der Staatsanwaltschaft aus Neapel aufgesucht - im Zuge der Ermittlungen gegen die Finmeccanica: Diese hatte an Indien einige Hubschrauber verkauft – zu dramatisch überhöhten Preisen. Beträchtliche Schmiergelder sollen in die Taschen von Hintermännern geflossen sein. Gotti Tedeschi fürchtete um sein Leben und hatte ein Dossier angelegt, welches er dem Papst überreichen wollte. Das Papier ist nun in den Händen der italienischen Ermittler.

Gotti Tedeschi sagt, dass er deswegen von der Vatikan-Bank gefeuert wurde, weil ihm mysteriöse Konten bei der Bank aufgefallen sei: Die Bank soll eigentlich für Prälaten, Priester und Nonnen arbieten. Gotti Tedeschi wunderte sich, dass etliche Konten auf die Namen von Leuten lauteten, die mit der Kirche nichts zu tun haben.

Niemand weiß, welche Rolle der „Banker Gottes“ wirklich gespielt hat. Denn dieser Tage holte Gotti Tedeschi ein anderes, dunkles Kapitel ein: Er musste dem Untersuchungsrichter erklären, wie es möglich war, dass die älteste Bank der Welt, die Monte Dei Paschi di Siena, um einen überhöhten Preis Eigentümer der kleinen Regionalbank Antonveneta werden konnte. Gotti Tedeschi war zu dem Zeitpunkt Chef der italienischen Niederlassung der Santander-Bank - jener Bank, die mit dem 9 Milliarden Euro-Deal einen fantastischen Schnitt gemacht hatte (mehr hier).

Die Zeitung Il Giornale berichtet, dass es zu der kriminellen Übernahme mehrere geheime Treffen zur MPS gab – in der Vatikan-Bank. Mehrere Top Banker der MPS sollen geheime Konten in der Vatikan-Bank unterhalten haben. Die Aufsicht über den Deal hatte der damalige Präsident der italienischen Notenbank und heutige EZB-Chef, Mario Draghi (mehr hier). Alle dementieren, mit der Sache irgendetwas zu tun zu haben. Draghi lapidar: Das ist eben der übliche Lärm eines italienischen Wahlkampfs (hier).

Es ist gut denkbar, dass die Vatikan-Bank auch bei den Millionenzahlungen aus dem Rüstungsgeschäft eine Rolle gespielt hat: Irgendwo mussten die illegalen Gelder ja geparkt werden. Es gibt keinen diskreteren Ort als die Vatikanbank. Die von Benedikt XVI. eingesetzten Transparenz-Regeln waren von Kurien-Kardinälen bereits nach wenigen Monaten wieder außer Kraft gesetzt worden.

Gotti Tedeschi war vom deutschen Papst als Chef der Bank installiert worden. Er erstellte mehrere Gutachten für den Papst, in denen er vor der drohenden Finanzkrise warnte und in denen er dem Papst darlegte, dass der Vatikan angesichts der Krise in Richtung Zahlungsunfähigkeit marschierte. Seine Warnungen vor der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Vatikan waren dramatisch. Er schlug dem Papst die Einrichtung eines professionellen Wirtschafts-Ministeriums vor. Er schrieb, dass die alten Mechanismen nicht mehr funktionierten und sich der Kirchenstaat auf magere Jahre einstellen solle.

Für die fetten Jahre in der italeinischen Politik sorgte dagegen unverdrossen die Finmeccanica. Der Rüstungskonzern gilt in Italien als der „Bankomat“ der italienischen Politik, wie der Corriere schreibt: Das Unternehmen beschafft das Geld, das die Politiker brauchen, um ihre Wahlversprechen einlösen zu können. „Saubere Hände“ hat keiner: Der aktuelle Premier Mario Monti, der sich nun als Saubermann gibt, hatte den nun verhafteten Orsi persönlich eingesetzt.

Zwischen dem Vatikan und der italienischen Politik besteht ein symbiotisches Verhältnis: Der Papst hatte unter anderem den italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano zu einem privaten Abendessen zu Gast, bei dem ausführlich über die italienische Politik und die Folgen der Finanzkrise gesprochen wurde. Die Protokolle dazu hat der italienische Journalist Gianluigi Nuzzi in seinem Buch „Seine Heiligkeit“ veröffentlicht.

Weder die italienische Politik, noch die Mafia und auch nicht eine mächtige Gruppe von Kardinälen haben ein Interesse daran, dass der Sumpf um die Vatikan-Bank trockengelegt wird. Der Papst aus Oberbayern kämpfte allein gegen die Mafia. Ein aussichtsloser Kampf.

Joseph Ratzinger ist in diesem Zusammenhang am fortgeschrittenen Stadium der moralischen Zersetzung im Vatikan gescheitert. Die Leute, die er zur Lösung holte, waren eher Teil des Problems als der Lösung: So ist der aktuelle Interims-Chef der Vatikan-Bank, der Deutsch-Brasilianer Ronaldo Hermann Schmitz, als ehemaliges Vorstands-Mitglied der Deutschen Bank mit einem Interessenskonflikt belastet: Die Deutsche Bank war für die zwischenzeitlich gesperrten Kreditkarten-Abwicklungen (hier) für den Vatikan betraut – ein gutes Geschäft, das mit einem transparenten System ebenfalls gefährdet erscheint. Mittlerweile wurde das Schweizer Unternehmen Aduno mit der Abwicklung der Kreditkarten betraut - unmittelbar nach dem Papst-Rücktritt hat Aduno den elektronischen Zahlungsverkehr des Vatikan übernommen.

Ratzinger versuchte nach dem Ende der Ära Gotti Tedeschi, den Ex-Bundesbankchef Hans Tietmeyer auf den Chefposten der umstrittenen Bank zu hieven. Der Deal kam jedoch nie zustande – wohl auch, weil verschiedene Kardinäle kein Interesse an einem weiteren Deutschen hatten, der sich in ihre Angelegenheiten hätte mischen können.

Der italienische Journalist Andrea Tornielli von La Stampa schrieb nach dem ersten Bekanntwerden der Finanzskandale im Vatikan in einem Gastbeitrag für Christ und Welt: „Der Rauch Satans, der vor 40 Jahren in den Vatikan eindrang, scheint sich mittlerweile in allen Gemächern ausgebreitet zu haben. Bekommt Papst Benedikt in der vergifteten Atmosphäre noch genug Luft zum Atmen?“

Die Antwort hat Joseph Ratzinger nun selbst gegeben: Am 28. Februar um 17 Uhr wird er mit dem Hubschrauber aus dem Vatikan in das Schloss Castelgandolfo geflogen. Dann endet seine Regentschaft, die im Strudel der Vatikan-Skandale ein überraschend schnelles, unrühmliches Ende gefunden hat.

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