Wenn sich die EU-Finanzminister am Freitag in Dublin treffen, werden sie über einen Gesetzes-Entwurf der EU-Kommission diskutieren. Diese regelt, wie in Zukunft die Banken gerettet werden. Das Modell folgt dem Experiment, welches die EU in Zypern durchgeführt hat: Alle müssen bluten.
Die Reihenfolge dürfte, wie Reuters berichtet, etwas so aussehen: Großanleger und Aktionäre der Banken werden als erste rasiert. Als nächste werden auch die anderen Banken Verluste hinnehmen müssen. Denn der Entwurf sieht vor, dass auch die Interbanken-Kredite einen Haircut erleiden. Am Ende schließlich werden alle Bank-Guthaben über einer bestimmten Grenze gekürzt.
Diese Grenze ist noch Gegenstand der Diskussion: Offiziell gilt eine 100.000 Euro-Grenze als „heilig“, wie EU-Kommissar Olli Rehn neulich sagte (hier). Doch dabei muss es nicht bleiben: Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte gesagt, dass man die Einlagen unter 100.000 Euro schonen möchte, wenn möglich (hier).
Wenn jedoch die Beiträge der großen Einleger nicht reichen, dann wird diese Grenze mit Sicherheit fallen. Ihre Garantie ist ohnehin rein theoretischer Art: Denn die Staaten können Einlagen – egal in welcher Höhe – nur garantieren, wenn sie sich das Geld für diese Garantie vom Steuerzahler holen. In beiden Fällen ist das ein Griff in Taschen der Bürger – mit dem einzigen Unterschied, dass die Bürger den Banken entfliehen können, den Steuern nicht.
Das Gesetz soll 2015 in Kraft treten. Der erste Entwurf wird nun im Europa-Parlament und auf der Ebene der Finanzminister diskutiert.
Dass nun auch Kredite, die sich die Banken gegenseitig gewährt haben, von den Verlusten betroffen sein soll, ist neu. Es wird dazu führen, dass der Interbanken-Markt nie wieder zum Leben erwacht. Sehr zum Bedauern von EZB-Chef Mario Draghi ist dieser Markt seit der Finanzkrise klinisch tot.
Aus gutem Grund: Denn niemandem trauen die Banken weniger als anderen Banken. Die gigantische Derivatenblase, von der praktisch alle Banken bedroht sind (hier), hat das Misstrauen unter den Banken gewaltig erhöht. In der Vergangenheit haben sich die Banken auch gegenseitig mit den Derivaten ausgetrickst: Die älteste Bank der Welt, die Banca Monte dei Paschi di Siena (MPS) wurde von der Deutschen Bank und der Normura über den Tisch gezogen und geriet durch diese Geschäfte an den Rand der Pleite (hier).
Weil in der EU wegen der komplizierten Entscheidungen kein Entwurf schnell umgesetzt werden kann, dürfte die EZB gezwungen sein, bis zum Inkrafttreten der neuen Regelungen massiv Geld zu drucken.
Formal hatte Draghi angekündigt, dies über die sogenannten OMTs zu machen: Das sind im Grunde kleine Bailouts, weil es Geld aus diesem Topf nur zu harten Spar-Auflagen geben wird. Daher hat bisher niemand davon Gebrauch gemacht, weil kein Land die Sparkommissare der Troika (Men in Black) über die Grenze lassen will.
Daher ist zu erwarten, dass sich die EZB nach den LTROs und OMTs irgendwelche andere Mechanismen einfallen lassen wird, wie sie leichter Geld in die Märkte pumpen kann.
Frankreich und Italien haben bereits gegen den Haircut im Interbanken-Geschäft protestiert. Sie dürften es schwer haben, sich durchzusetzen: Italien ist seit der Wahl handlungsunfähig, Präsident Francois Hollande kämpft, kaum im Amt, bereits ums Überleben.
Das Konzept ist klar: Die Staaten wollen sich von den Banken abkoppeln, weil die Beispiele Zyperns, Sloweniens, Frankreichs und Italiens zeigen, dass die Banken selbst den Überblick verloren haben.
Die Strategie erklärt auch, warum der Banken-Crash in Zypern bisher vergleichsweise geringe Auswirkungen auf den Finanzmärkten ausgelöst hat. Wie sich jetzt herausstellt, haben vor der Einführung der Kapitalverkehrskontrollen 6.000 Anleger Guthaben über 100.000 Euro außer Landes gebracht. Die europäischen Banken waren schon viel früher gewarnt worden und kommen mit einem blauen Auge davon (hier). Damit sollten die Sparer in ganz Europa beruhigt werden.
Die EU hat Zypern als kleines Land dazu verwendet, um den Ernstfall einmal durchzuspielen. Das hat, aus Sicht der EU, gut funktioniert. George Soros sagte in seiner Rede in Frankfurt, mit Zypern habe Angela Merkel einen glänzenden Sieg errungen, weil ihr nun niemand in Europa widersprechen werde. Wolfgang Schäuble soll am Tag nach der Banken-Schließung in Zypern sehr zufrieden gewesen sein.
Die offiziellen Schlupflöcher haben verhindert, dass es einen Bank-Run gegeben hat. Damit wurden die Sparer in Deutschland und in den anderen europäischen Ländern eingelullt: Es wurde ihnen vorgegaukelt, dass es sich um eine ganz und gar harmlose, aber eben notwendige Maßnahme handelt. Angela Merkels Aussage, dass die Aktion unvermeidbar gewesen sei, um die Verursacher der Krise zu treffen, ist ihr von der deutschen Öffentlichkeit dankbar abgekauft worden und hat die Beliebtheit der Kanzlerin weiter gesteigert.
Dass die Opfer des nächtlichen Zugriffs die einfachen zypriotischen Krankenschwestern, Rentner und kleinen Unternehmen sind, wurde in Europa nicht mehr zur Kenntnis genommen.
Im Gegenteil: Durch eine „zufällig“ ausgerechnet jetzt veröffentlichte Studie der EZB, der zufolge die Zyprioten viel reicher sein sollen als die Deutschen (hier), wurde der Neidfaktor sehr raffiniert bedient. Tatsächlich ist die Studie wertlos, weil sie Äpfel mit Birnen vergleicht. Unter Vermögen versteht man in jedem Euro-Land etwas anderes, externe Faktoren wie Preistreiberei durch Blasenbildung wurden naturgemäß ausgeblendet.
Für den einfachen Bank-Kunden ist es gut, dass die Form der europäischen Banken-Rettung immer konkretere Formen annimmt: Er kann nämlich handeln und sein Geld von der Bank holen. Zwar ist es wegen der umfassenden Manipulationen der Zentralbanken einigermaßen seriös, andere Anlageformen zu finden. Der Bank-Kunde in Deutschland hat aber vermutlich bis zur Bundestagswahl im September Zeit, Maßnahmen für seine persönliche Vorsorge zu treffen.
Die Härte, mit der die EU nun die Banken-Rettung durchziehen will, hat einen weiteren Vorteil: Der einfache Bank-Kunde kann spätestens jetzt erkennen, dass er in dem Moment, in dem er sein Geld auf die Bank bringt, keinerlei Rechtsanspruch mehr besitzt, dass er das Geld wiederbekommt (mehr dazu hier).
Angesichts der Zockerei der Banken bei den Derivaten war es nämlich bisher schon so: Wenn man heute einer Bank 500 Euro gibt, ist es nicht anders, als würde man die 500 Euro einem Drogensüchtigen im fortgeschrittenen Stadium zu getreuen Händen überlassen – mit der Bitte, das Geld doch sicher aufzubewahren und damit keine Dummheiten zu machen.
Das ist vielleicht keine schöne Erkenntnis.
Aber sie erklärt dem einzelnen, dass der Tanz auf dem Vulkan keine Party an der Wall Street ist, sondern jeder einzelne mit seinen Bank-Einlagen das Ticket zur Spaziergang auf der Lava gelöst hat.
Wenn es schließlich zu den ersten Crashs kommt, kann keiner mehr sagen, er wäre nicht gewarnt worden.