Welchen Weg soll die EU einschlagen: Mehr Abgabe von Souveränität an Brüssel oder Rückgabe von Souveränität an die Nationalstaaten, wie von den Briten gefordert?
Die Eurokrise führt uns eins deutlich vor Augen: eine Währungsunion ohne eine gemeinsame – oder wenigstens abgestimmte - Wirtschafts-, Finanz-, Steuer- und Sozialpolitik kann auf Dauer nicht funktionieren. Durch die starke wirtschaftliche Verflechtung der EU-Staaten untereinander bleiben Entwicklungen in einem Mitgliedsstaat nicht ohne Auswirkungen auf andere Staaten. Gefährliche finanzielle und wirtschaftliche Ungleichgewichte zwischen den EU-Mitgliedsstaaten können immer wieder zu Krisen führen. Daher sind jetzt alle EU- und insbesondere Euro-Staaten in der Pflicht Reformen durchzuführen. Defizitländer, aber auch die Europäische Union als Ganzes, müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Hierfür sind z.B. gemeinsame Investitionen hin zu einer nachhaltigen und sozialen Ökonomie besonders wichtig. Ich betrachte das aber nicht als einen Verzicht auf Souveränität. Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass Europa im globalen Maßstab nur gemeinsam ein wichtiger Spieler bleiben wird. Es geht also um die Bewahrung von Souveränität in einer sich dynamisch entwickelnden Welt.
Soll es eine gemeinsame Haftung für die Schulden geben, oder soll jeder Nationalstaat für seine eigenen Schulden haften?
Die Vergemeinschaftung von Schulden findet durch das Handeln der EZB längst statt. Zwar war es richtig, dass die EZB eingegriffen hat, als sich die Eurokrise dramatisch zuspitzte. Die EZB musste das Nicht-Handeln der Politik ausbügeln. Die Risiken, die dadurch auf die Bilanz der EZB verschoben wurden, werden jedoch zu einem großen Teil von Deutschland getragen. Ohne das Handeln der EZB zu kritisieren, sollte dies kein Dauerzustand bleiben. Die öffentlichen Haushalte müssen konsolidiert und neue Investitionen ermöglicht werden. Daneben halte ich einen geordneten Abbau der Staatschulden im Euro-Raum für unverzichtbar, um die überhöhte Verschuldung zurückzuführen. Ein möglicher Weg wäre der vom Sachverständigenrat vorgeschlagene Schuldentilgungsfonds. Die Idee stammt vom Sachverständigenrat der Bundesregierung. Dabei bietet der Schuldentilgungspakt eine transparente und wirtschaftlich sinnvolle Lösung, die gemeinsame Haftung an klare Bedingungen knüpft: Die teilnehmenden Staaten vereinbaren miteinander, ihre Schulden in verbindlich definierten Raten und Zeiträumen zurückzuführen. Im Gegenzug wird für den Zeitraum dieser Tilgungen ein Teil der Altschulden gemeinsam garantiert. Gleichzeitig würde der Zinsdruck und somit die Zinskosten für die Staaten sinken.
Sparen geht am besten durch effizienten Einsatz von Steuergeldern. Sind Sie dafür oder dagegen, dass Behörden und Politiker, die nachweislich Steuergelder verschwendet haben, dafür auch bestraft werden sollen, etwa durch ein Bußgeld?
Bei nachgewiesener grober Fahrlässigkeit, z.B. wenn Ergebnisse von Ausschreibungsverfahren ignoriert werden, könnte ich mir das vorstellen. Was die Ausgaben des Bundes betrifft: Wir Grünen haben Einsparvorschläge im Bundeshaushalt in Milliardenhöhe vorgelegt. Zum Beispiel wollen wir auf teure und unsinnige Rüstungsprojekte verzichten und die Bundeswehr weiter verkleinern. Bei politischen Entscheidungen ist es eine Strafbarkeit aber grundsätzlich schwierig. Nehmen wir das Betreuungsgeld. Aus meiner Sicht ist das eine Verschwendung von 1,2 Mrd. Euro Steuern pro Jahr. Damit sind wir Grünen nicht allein, denn wiederholt haben die EU-Kommission, die OECD und wissenschaftliche ExpertInnen Deutschland aufgefordert, Regelungen abzuschaffen, die die Nichterwerbstätigkeit von Frauen fördern. Die Koalition tut mit dem Betreuungsgeld das Gegenteil. Trotzdem wäre eine Strafbarkeit im juristischen Sinne hier unangebracht. Dafür gibt es im September die Bundestagswahl!