Politik

Geldsorgen und Lebensstil: Deutsche wollen keine Kinder

Die Bereitschaft zu Kindern nimmt in Deutschland weiter ab. Gleichzeitig steigt das Alter der werdenden Mütter. Aus Geld-Mangel können sich viele Paare keine Kinder mehr leisten. Für andere passen Kinder einfach nicht zu ihrem gewohnten Lebensstil.
03.12.2013 02:52
Lesezeit: 3 min

Im vergangenen Jahr wurden etwa 673.500 Kinder in Deutschland geboren – fast ein Viertel weniger als vor 20 Jahren (1990: 905.700). Zwar ist die derzeitige Geburtenrate mit 1,4 Kindern je Frau seit 1997 stabil. Aber hierbei handelt es sich um einen Durchschnittswert und ein Blick auf das Alter der Frauen, wenn sie Mutter werden, zeigt eine beunruhigende Entwicklung. In den 1970er Jahren waren Frauen in der früheren Bundesrepublik durchschnittlich etwa 24 Jahre alt, als sie ihr erstes Kind bekamen. In der ehemaligen DDR waren sie beim ersten Kind in der Regel sogar noch jünger.

Immer ältere Mütter

Doch seit einigen Jahren kriegen die Frauen in Deutschland immer später ihr erstes Kind. Mittlerweile liegt das Durchschnittsalter bei 31,6 Jahren. Angesichts der Tatsache, dass es sich dann erst um das erste Kind handelt und eine Schwangerschaft nach dem 35. Lebensjahr schon als Risikoschwangerschaft eingestuft wird, eine beunruhigende Entwicklung. Dies hat auch zur Folge, dass sich die Zahl der potentiellen Frauen, die mehrere Kinder kriegen, verringert. Schließlich zeigen die Daten des Statistischen Bundesamtes auch: Je mehr Kinder eine Frau zur Welt gebracht hat, desto jünger war sie bei der Geburt ihres ersten Kindes.

Derzeit ist fast jede vierte Frau in Deutschland im Alter zwischen 40 und 44 Jahren ohne Kinder. Eine Entwicklung, die sich vor allem in den Städten manifestiert. 2012 war der Anteil der Frauen ohne Kind in Hamburg mit 32 Prozent am höchsten, so das Statistische Bundesamt.

Selbstverwirklichung geht vor

Ein Grund für diese Entwicklung ist die zunehmende Individualisierung. Mehr und mehr Menschen entscheiden sich dafür, sich nicht auf einen Lebenspartner festzulegen. Sie stellen ihre berufliche Laufbahn und die Sucht nach Selbstverwirklichung in den Vordergrund ihrer Handlungen. Andererseits ist es immer schwieriger geworden, einen festen, über mehrere Jahre anhaltenden Job zu finden – die finanzielle Unsicherheit ist für viele größer.

Die Medien und Industrie kreieren ein Bild schlanker, erfolgreicher, stetig junger Menschen – ein Idealbild, das aus unserer Gesellschaft gar nicht mehr wegzudenken ist. Eine von der Wirtschaft vorgeschriebene Rolle soll eingenommen werden. Eine Rolle, in der oft kein Platz für Kinder ist. Und wenn man doch  schwanger wird, muss man darauf achten, dass man nach Möglichkeit während der Schwangerschaft so gut wie gar nicht zunimmt. Und spätestens nach einem Monat nach der Geburt müssen die Pfunde wieder unten sein. Nicht zu vergessen von dem No-Go des Stillens – die perfekte Brust könnte deformiert werden. Die steigende Zahl der Wunschkaiserschnitte ist in einem ähnlichen Zusammenhang zu sehen. Schließlich soll dadurch der Intimbereich der Frau vor dem Baby geschützt werden. Die Furcht vor Problemen mit dem Schließmuskel oder einer angeblichen Vergrößerung der Vagina sind groß.

Finanzielle Angst

Viele Paare und potentielle Eltern geben aber auch an, dass sie sich Kinder einfach nicht leisten können. Kinder kosten Geld und das Gehalt scheint zu knapp. Ganz abgesehen davon, dass ein Partner teilweise mit der Arbeit aussetzen oder diese deutlich verringern muss. Ganz zu schweigen von der Situation alleinerziehender Eltern. In der Zeit zwischen 1998 und 2003 sind die Ausgaben für ein Kind immerhin um 10,7 Prozent gestiegen. 549 Euro im Monat waren es durchschnittlich 2003. Die Rede ist hier von monatlichen Ausgaben für Wohnen, Nahrungsmittel, Bekleidung, Verkehr etc.. „Sie sind nicht gleich zu setzen mit den Lebenshaltungskosten für Kinder“, so das Statistische Bundesamt. So fehlen bei den so genannten Konsumausgaben alle anfallenden Aufwendungen wie zum Beispiel für Versicherungsschutz und Vorsorge. Diese sind seit 1998 überproportional angestiegen. Aber auch  Aufwendungen, die Organisationen und der Staat für Kinder tätigen, wie zum Beispiel Ausgaben für die Schulbildung oder den Bau von Kindergärten, sind nicht enthalten.

Politisches Versagen

Die Politik könnte mit effizienten familienpolitischen Entscheidungen die notwendigen Weichen stellen. Allerdings zeigte die letzte schwarz-gelbe Regierung, dass die Vorstellungen der Politik auch in diesem Bereich ganz weit von den Bedürfnissen der Eltern bzw. potentielle Eltern sind. „Wir haben ein breites Förderinstrumentarium für Familienleistungen“, sagte Angela Merkel beim zweiten Demografie-Gipfel im Mai (hier).

Tatsächlich zeigt aber eine Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) im Auftrag Familienministeriums und des Finanzministeriums, dass das Förderinstrumentarium keineswegs breit und effektiv ist. Die Studie warf unter anderem auch einen Blick auf die verschiedenen politischen Maßnahmen für Familien. Das neue Betreuungsgeld etwa helfe nicht: „Insgesamt kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Einführung des Betreuungsgeldes in Deutschland die Geburtenrate positiv beeinflussen kann.“ Vielmehr sollte stattdessen auf den Ausbau der Kitas gesetzt werden. Eine Forderung, die bereits seit Jahren immer wieder in den Vordergrund rückt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik One Big Beautiful Bill: Das steckt hinter Trumps Steuererleichterungen
04.07.2025

Am amerikanischen Unabhängigkeitstag setzt Donald Trump ein innenpolitisches Zeichen: Mit dem "One Big Beautiful Bill" will er seine...

DWN
Panorama
Panorama Waldbrand Sachsen: Gohrischheide - über 1.000 Einsatzkräfte im Einsatz
04.07.2025

Hitze, Trockenheit und starker Wind: In Sachsen und Thüringen kämpfen Einsatzkräfte gegen massive Waldbrände. Besonders die...

DWN
Politik
Politik Rentenkasse: Neue Mütterrente wohl erst ab 2028 umsetzbar
04.07.2025

Die Ausweitung der Mütterrente sorgt für Diskussionen: Einigkeit herrscht über das Ziel, Uneinigkeit über das Tempo. Millionen Mütter...

DWN
Finanzen
Finanzen Sparen für Kinder: Welche Anlagen sich wirklich lohnen
04.07.2025

Eltern wollen ihre Kinder finanziell absichern, doch viele verschenken Chancen. Statt renditestarker Anlagen dominiert Vorsicht, oft ohne...

DWN
Technologie
Technologie KI im Jobmarkt: Die große Lüge von der Objektivität
04.07.2025

Algorithmen sollen neutral entscheiden – doch KI entlarvt sich im Personalbereich als versteckter Türsteher: Diskriminierung,...

DWN
Panorama
Panorama Grillmarkt in der Krise? Holzkohle wird teurer
03.07.2025

Grills verkaufen sich längst nicht mehr von selbst. Nach Jahren des Booms mit Rekordumsätzen schwächelt die Nachfrage. Händler und...

DWN
Finanzen
Finanzen Milliarden für Dänemark – Deutschland geht leer aus
03.07.2025

Dänemark holt 1,7 Milliarden DKK aus Deutschland zurück – ohne die deutsche Seite zu beteiligen. Ein heikler Deal im Skandal um...

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögen im Visier: Schweiz plant Enteignung durch Erbschaftssteuer für Superreiche
03.07.2025

Die Schweiz steht vor einem Tabubruch: Kommt die 50-Prozent-Steuer auf große Erbschaften? Die Eidgenossen debattieren über ein riskantes...