Deutschland

Bahn-Streik am Samstagabend zu Ende: Kein Zusammenbruch des öffentlichen Lebens

Die GdL beendet nach Aussagen von Claus Weselsky ihren Streik bereits am Samstag 18 Uhr - und nicht erst am Montag. Den behaupteten Schaden, den der Streik verursacht hat, hat die Deutsche Bahn bisher nicht im Detail belegt. Auch andere Schreckensszenarien haben sich nicht bewahrheitet: Weder kam es zu einem Zusammenbruch des öffentlichen Lebens, noch zu einer Lebensmittelknappheit in den Ballungsräumen. Der Einzelhandel wird nämlich längst vor allem von der Straße aus beliefert.
07.11.2014 15:38
Lesezeit: 3 min

Die Lokführer werden ihren bundesweiten Streik schon an diesem Samstag um 18.00 Uhr beenden. Diese «Versöhnungsgeste» kündigte der Chef der Gewerkschaft GDL, Claus Weselsky, am Freitag überraschend an. Zuvor hatte das Landesarbeitsgericht Hessen den eigentlich bis Montagfrüh geplanten Streik auch in zweiter Instanz für rechtmäßig erklärt.

Besonders im Fernverkehr müssen sich die Fahrgäste aber weiter auf Ausfälle und Verspätungen einstellen. Im Nahverkehr sollen im Laufe des Sonntags wieder deutlich mehr Züge fahren, teilte die Bahn mit.

Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber sagte, dass sich damit der Einsatz der Bahn vor den Gerichten gelohnt habe: «Das ist ein gutes Zeichen für unsere Kunden und unsere Mitarbeiter.» Warum die umfassende Niederlage vor Gericht allerdings ein Erfolg des Unternehmens sei, sagte der Manager nicht.

Das Unternehmen hatte versucht, den Streik gerichtlich verbieten zu lassen. Zwei richterliche Vorschläge zu neuen Verhandlungen hatte die GDL in den Verhandlungen am Donnerstag und Freitag noch zurückgewiesen.

Jede Seite forderte die jeweils andere nach dem Urteilsspruch in Frankfurt auf, wieder zu verhandeln. Von ihren grundsätzlichen Positionen wichen sie jedoch nicht ab.

Die Lokführer hatten ihre Arbeit im Güterverkehr schon am Mittwoch niedergelegt, im Personenverkehr in der Nacht zum Donnerstag - und sich damit in Politik und Öffentlichkeit viel Kritik eingehandelt. Etliche Medien schlugen jedoch massiv über die Stränge: Weselsky war für den Streik von mehreren Medien persönlich attackiert worden. Unter anderem zeigte der Focus ein Foto seines privaten Wohnhauses.

Millionen Bahnreisende mussten auch am verkehrsreichen Freitag improvisieren und sich auf ein schmales Zugangebot einstellen. Nur ein Drittel der Fernzüge fuhr, in den Regionen waren es zwischen 15 und 60 Prozent - teils mehr als erwartet. In vielen Zügen blieben dennoch Plätze frei, weil Reisende auf Auto und Fernbus umstiegen. Auf den Straßen in den Städten und auf den Autobahn kam es zwar zu Staus. Doch ein Zusammenbruch des öffentlichen Lebens, wie von den Gegnern des Streik vorhergesagt, fand nicht statt. Sogar alle Spiele der Fußball-Bundesliga können planmäßig angepfiffen werden.

Am Wochenende trifft der Streik neben Urlaubsrückkehrern zum Ferienende in Niedersachsen und Bremen möglicherweise auch Fahrgäste, die zum Mauerfall-Jubiläum nach Berlin wollen. Allerdings dürften sich die Behinderungen im Rahmen halten: Schon in den Ersatzfahrplänen war nämlich vorgesehen, dass auf den wichtigen Strecken aus Richtung Hannover stündlich ICE-Züge in die Hauptstadt fahren.

Der Bahn-Konzern hatte vor den Gerichten argumentiert, dass der Streik unverhältnismäßig hart sei. Erneut brachte die Bahn einen täglichen Schaden von rund 100 Millionen Euro für die deutsche Wirtschaft vor, dem Unternehmen selbst entstehe durch den Streik ein Schaden in ähnlicher Höhe. Zum Auftakt des Ausstands hatte die Bahn ihren Schaden noch auf 50 bis 60 Millionen Euro beziffert. Wie genau sich der Schaden zusammensetzt, hatte die Bahn nicht im Detail angegeben.

Der Einzelhandel befürchtete zwar Umsatzeinbußen vor allem in den Ballungszentren, weil Kunden aus dem Umland nicht anreisen können, wie es beim Handelsverband Nordrhein-Westfalen hieß. Doch ein wirklicher Schaden scheint hier auch nicht entstanden zu sein: Es sei aber nicht zu erwarten, dass Waren knapp würden. «Das meiste wird über Lastwagen angeliefert», erklärte eine Sprecherin.

Auch der Güterverkehr der Bahn war stark beeinträchtigt, jedoch fuhr nach Bahnangaben mittlerweile wieder deutlich mehr als die Hälfte der Züge. Die Bahn stützte sich dabei auf Lokführer, die Beamte sind oder der nicht streikenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) angehören. Nachwirkungen des Streiks würden im Güterverkehr noch einige Tage zu spüren sein, kündigte die Bahn an.

Wie die Vorinstanz am Donnerstag hatte auch das Landesarbeitsgericht in Frankfurt zunächst einen Vergleichsversuch unternommen. Die GDL lehnte den Vorschlag des Gerichts ebenso ab wie eine Offerte der Bahn. Diese wollte den Streik als rechtmäßig anerkennen, wenn die GDL den Berlin-Verkehr wegen des Mauerfall-Jubiläums davon ausnehme.

Laut Gerichtsentscheidung verstößt der Arbeitskampf nicht gegen die Friedenspflicht und ist auch verhältnismäßig. Die Forderungen der GDL seien nicht widerrechtlich. Der Entscheidung waren stundenlange Verhandlungen über einen Vergleichsvorschlag der Arbeitsrichterin Ursula Schmidt vorausgegangen.

«Wir könnten den Streik bis Montag, 4.00 Uhr, fortsetzen», betonte Weselsky nach dem Urteil, bevor er das überraschende Streik-Ende verkündete. Die GDL fordert in dem Tarifkonflikt für die Beschäftigten mehr Geld sowie eine kürzere Arbeitszeit und will neben den Lokführern vor allem auch das übrige Zugpersonal in Verhandlungen vertreten, für das bislang die EVG zuständig ist. Die Bahn will sich langfristig nur noch mit einer Gewerkschaft beschäftigen. Traditionell sind solche Einheitsgewerkschaften etwas pflegeleichter, weil ihre Spitzen meist gute Posten oder sonstige Vergünstigungen gewährt oder in Aussicht gestellt werden.

Die Gewerkschaft der Lokführer will mit dem Streik bessere Bedingungen für mehrere Gruppen innerhalb der Deutschen Bahn erkämpfen. Sie gilt als wesentlich entschlossener, als die übergeordnete EVG. Politik und DGB arbeiten seit längerem an einer Entmachtung der GdL.

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