Technologie

Staaten können Online-Wahlen leicht manipulieren

Keines der gängigen Online-Wahl-Systeme ist ausreichend gegen staatliche Hacker-Angriffe gesichert, so IT-Sicherheitsexperten. Sie berichten auf dem CCC-Kongress von gravierenden Sicherheitslücken und warnen vor der Verwendung von Online-Wahlsystemen. Gegen Angriffe von staatlicher Ebene hätten die Wahlcomputer keine Chance.
03.01.2015 01:00
Lesezeit: 2 min

Keines der gängigen Online-Wahl-Systeme ist bisher ausreichend gegen staatliche Hacker-Angriffe gesichert. Zu diesem Ergebnis kommen IT-Sicherheitsexperten in ihrem Vortrag auf dem Kongress des Chaos Computer Club in Hamburg. Sie berichten von gravierenden Sicherheitslücken bei Online-Wahlen - und warnen Regierungen davor, die immer beliebter werdenden Online-Wahlsysteme ungeprüft zu verwenden. Insbesondere ausländische Angriffe von staatlicher Ebene hätten bei den Wahlcomputern leichtes Spiel.

Staatlichen Cyber-Spähdiensten wie etwa der NSA sei es daher möglich, die Ergebnisse zu manipulieren, berichtet heise. Weder die in Washington und Norwegen getesteten Systeme noch das 2013 verwendete E-Voting in Estland hielten demnach einem Hacker-Angriff stand.

In einer ausführlichen Analyse des Online-Wahlsystems in Estland zeigten die IT-Forscher um Alex Halderman von der Universität Michigan mehrere gravierende Mängel auf.

Estland ist derzeit das Land, das weltweit am stärksten auf Internet-Voting setzt -auch bei rechtsverbindlichen nationalen Wahlen: 20-25% der Wähler gaben zuletzt ihre Stimme online ab. Estland hat zum Zweck der Authentifizierung im Netz sogar eigens eine elektronische Staatsbürgerschaft eingeführt. Die Forscher untersuchten das estnische System nach eigenen Angaben durch die Beobachtung des E-Votings während der Kommunalwahlen 2013, inklusive einer Analyse der veröffentlichten Dokumente, Software und Quellcodes, sowie der Durchführung von Hack-Versuchen im Labor, um die „echten“ Wahlen nicht zu stören. In ihrem Abschluss-Bericht steht zu ihren Ergebnissen:

„Was wir fanden, beunruhigt uns. Es gab erstaunliche Lücken in Verfahrens- und Betriebssicherheit und die Architektur liefert das System den Cyber-Attacken von ausländischen Mächten wie Russland aus. Diese Angriffe können Stimmen ändern und strittige Wahlergebnisse produzieren. Wir haben diese Angriffe in unserem Labor bestätigt - sie sind reale Bedrohungen. Wir empfehlen dringend, dass Estland die Verwendung des Systems beendet.“

Demnach sei das vor zehn Jahren entwickelte estnische System gefährlich veraltet,  weil die Cyberattacken inzwischen auf staatlicher Ebene durchgeführt werden und so eine neue Qualität erlangen. Staatliche Cyberattacken seien eine sehr reale Bedrohung geworden: Angriffe von China gegen US-Unternehmen, von den USA gegen den Iran und von Großbritannien gegen die europäischen Telekommunikationsbranche zeigten laut Halderman die Raffinesse der staatlichen Angreifer. Estland selbst habe im Jahr 2007 massive Denial-of-Service-Attacken erlitten, die es auf Russland zurückführt.

Estlands System setzt extremes Vertrauen in Wahl-Server und Wahl-Computer - alles leichte Ziele für ausländische Mächte. Der Bericht zeigt mehrere Möglichkeiten, wie der heutige Standard-Angreifer die estnische System nutzen könnte, um Stimmen zu ändern, die geheime Abstimmung zu beeinträchtigen, Wahlen zu stören, oder Zweifel an der Fairness der Ergebnisse zu säen.“

So traten neben technischen Anfälligkeiten bei einer einfachen Analyse des You-Tube-Channels auch fahrlässiger Umgang der Wahlmitarbeiter mit Passwörtern und grundlegenden Sicherheitsregeln zu Tage. So wurden etwa wichtige Passwörter vor laufender Kamera eingegeben und Videos davon ins Netz gestellt.

Halderman und seinem Team hatten schon 2010 einen Wahlcomputer so manipuliert, dass darauf statt Stimmenzählung das Video-Spiel Pacman lief. 2013 in Washington wurden sie darauf angesetzt, das Online-Wahlverfahren zu prüfen, bevor es für die Nutzung durch ausländische Briefwähler eingesetzt werden sollte. Haldermans Team verschaffte sich Zugang zu Überwachungskameras des Serverraums, erlaubte die Einbettung eines Michigan-Kampflieds auf der Webseite und die Änderung eines Wahlsiegers in eine Zeichentrickfigur -„Bender“ aus der Serie „Futurama“. Die Beamten brauchten 36 Stunden um zu entdecken, was nicht stimmte, berichtete damals die Washington Post.

Das Fazit der Experten schon damals: „Ein kleiner Fehler in der Konfiguration oder der Umsetzung der zentralen Abstimmung Server oder der sie umgebenden Netzwerk-Infrastruktur kann die Legitimität des gesamten Wahl leicht untergraben. ... Sicheres Internet-Voting in der Praxis erfordert erhebliche fundamentale Fortschritte in der Computersicherheit, und wir fordern Internet-Voting Befürworter auf, die Anwendung zu überdenken bis und falls wichtige Durchbrüche auf diesem Gebiet erzielt werden.“

Die Idee eines sicheren, zuverlässigen Online-Votings halten die Experten mit dem Internet in der jetzigen Form für nicht umsetzbar.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Weil Eltern keine Superhelden sein müssen!

Familien haben ihren ganz speziellen Vorsorgebedarf, der mit den Kindern wächst und sich verändert. Unterstützen Sie Familien bei der...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik INSA: AfD fährt in Wahlumfrage höchsten Wert aller Zeiten ein
25.03.2025

Laut einer Insa-Umfrage kann die AfD ihren Abstand zur CDU/CSU weiter verringern. Die Partei fährt ihren höchsten Wert aller Zeiten bei...

DWN
Politik
Politik Bundestag: Handwerkermangel bei Abgeordneten - Welche Berufsgruppe dominiert?
25.03.2025

Nur sechs Handwerksmeister sind im neuen Parlament vertreten, die AfD und Union stellen die meisten Abgeordneten mit Handwerksbezug. Einen...

DWN
Panorama
Panorama "Kennen Ausmaß nicht": Vogelgrippe in USA beunruhigt Experten
25.03.2025

Vor einem Jahr wurde die Vogelgrippe erstmals bei Milchkühen in den USA festgestellt. Dutzende Menschen infizierten sich, einer verstarb....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Feiertag abschaffen: Arbeiten statt Erholung für mehr Wirtschaftswachstum?
25.03.2025

Deutschland nimmt Milliardenschulden für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz auf. Jetzt fordern Ökonomen wieder einmal, einen...

DWN
Technologie
Technologie Energiebedarf: Klimaanlagen und KI sind Stromfresser – Atomkraft im Aufwind
24.03.2025

Klimaanlagen, Künstliche Intelligenz und weitere Stromfresser haben den globalen Energiebedarf im letzten Jahr überproportional ansteigen...

DWN
Panorama
Panorama Die autofreie Stadt: Pariser Modell stößt in Deutschland auf geteiltes Echo
24.03.2025

Paris plant, 500 Straßen für den Autoverkehr zu sperren, um mehr Grünflächen und Fußgängerzonen zu schaffen – ein Vorhaben, das in...

DWN
Technologie
Technologie Raketenstart Isar Aerospace: Deutsche Rakete wegen Wind noch am Boden
24.03.2025

Das bayerische Start-up Isar Aerospace steht kurz vor dem ersten Testflug seiner Spectrum-Rakete. Doch der Start wurde wegen "ungünstiger...

DWN
Politik
Politik Ukraine vor Waffenruhe? USA verhandeln in Saudi-Arabien an zwei Fronten
24.03.2025

Die USA starten in Saudi-Arabien neue Gespräche über eine begrenzte Waffenruhe zwischen Russland und der Ukraine, während sich beide...