Unternehmen

Es wird ernst: Österreich garantiert die Sparguthaben nicht mehr

In Österreich wird die staatliche Einlagensicherung abgeschafft: Damit haften künftig nur noch die Banken für die Guthaben der Sparer. Österreich agiert wegen des Banken-Krachs als EU-Vorreiter. Die EU hat dieses Vorgehen in einer Richtlinie beschlossen. Daher werden sich über kurz oder lang alle Staaten als Garanten der Sparguthaben verabschieden.
30.03.2015 00:48
Lesezeit: 4 min

Österreich plant eine weitreichende Reform der Einlagensicherung: Ein zur Begutachtung ausgesandter Gesetzesentwurf sieht vor, dass in Österreich künftig für die Sicherung der Spareinlagen keine staatlichen Garantien bestehen, sondern dass die Banken selbst für die Sicherung der Spareinlagen verantwortlich sein sollen. Das berichten die Wiener Zeitungen Presse und Standard.

Das Modell ist auch für die deutschen Sparer von Interesse, weil Österreich damit eine EU-Richtlinie umsetzt, die bereits vor zwei Jahren von der EU beschlossen wurde. Als Richtlinie ist dieses Vorgehen für alle EU-Staaten verpflichtend und wird im Zuge der Bankenunion über kurz oder lang in allen Staaten umgesetzt, auch in Deutschland.

Das Gesetz sieht vor, dass die Banken eine eigene Einlagensicherung in der Höhe von 1,5 Milliarden Euro einrichten. Im Fall einer Bankenpleite müssen die Banken den Sparern Einlagen bis zu 100.000 Euro ersetzen. Bisher hatten die Banken 50.000 Euro garantiert, weitere 50.000 Euro kamen von der staatlichen Einlagensicherung.

Die Regelung ersetzt das bisherige System von fünf Notfallfonds, welches allerdings nur theoretischer Natur gewesen ist: Denn kein Fonds hat wirklich Geld sondern müsste das Geld im Fall einer Banken-Pleite erst auftreiben. Nach der neuen Regelung erlaubt die Finanzmarktaufsicht (FMA) einzelnen Banken sogenannte Haftungsverbünde, mit denen sich Banken zusammenschließen können, um nicht für die Einlagen in allen Banken geradestehen zu müssen. Der neue Fonds soll zum Erstaunen der Banken nicht von ihnen selbst, sondern von der Wirtschaftskammer verwaltet werden. Die Wirtschaftskammer baut auf einer Zwangsmitgliedschaft auf und ist wesentlicher Teil der österreichischen Sozialpartner, die von Kritikern auch gerne als „Schattenregierung“ bezeichnet wird.

Mit 1,5 Milliarden Euro liegt die neue Einlagensicherung allerdings weit von den Einlagen entfernt, die eigentlich geschützt werden müssen. Der Betrag umfasst gerade einmal 0,8 Prozent der österreichischen Spareinlagen. Beim Zusammenbruch der bulgarischen Corpbank war dieser Fall bereits Realität geworden: Die staatliche Einlagensicherung konnte die Einlagen nicht in voller Höhe zurückzahlen. So gesehen ist die Umsetzung der EU-Richtlinie eine Anpassung an die Realität: Auch heute schon sind staatliche Behauptungen, die Spareinlagen seien sicher, eine reine PR-Nummer. Zuletzt hatten Bundeskanzlerin Merkel und der damalige Finanzminister Peer Steinbrück im Zuge der Finanzkrise eine solche Garantie ausgesprochen.

Interessanter Weise schützt das neue Gesetz einige Gruppen besonders: Guthaben aus dem Verkauf von Immobilien, Erbschaften, einer Mitgift oder einer Scheidungsvereinbarung sollen bis zu 500.000 Euro geschützt werden. Alle geschützten Gelder sollen nach einer Bankenpleite bereits innerhalb von sieben Tagen ausbezahlt werden. Bisher mussten die Sparer 20 Tage auf die Rückgabe ihrer gesicherten Einlagen warten.

Das Gesetz soll im Juni 2015 in Kraft treten. Die Banken müssen die Einlagensicherung bis 2024 auffüllen. Was in der Zeit bis dahin im Fall einer Banken-Pleite geschieht, ist unklar.

Österreich ist mit seinem Banken-Krach um die Hypo Alpe Adria unter Handlungsdruck geraten. Die Österreicher gehen angesichts der Milliardenverluste nicht zimperlich mit den Gläubigern um: Die FMA hat ein Schuldenmoratorium angeordnet und will einen Schuldenschnitt verfügen. Dieser soll nicht, wie international üblich, mit den Gläubigern verhandelt, sondern als Dekret verordnet werden.

Die EU hat in ihrer Richtlinie den sogenannten Bail-In beschlossen: Künftig sollen nicht mehr die Steuerzahler, sondern die Gläubiger im Fall einer Banken-Pleite zur Kasse gebeten werden.

Ob der Abschied der Republik Österreich aus der Einlagensicherung mit der teilweise bedrohlichen Finanzlage einzelner Institute zusammenhängt, ist unklar. Die österreichischen Banken sind überproportional in Ost-Europa engagiert. So hatte erst kürzlich die Raffeisen International bekanntgegeben, ihre Exposure in Osteuropa drastisch verringern zu wollen. Die Primärbanken von Raiffeisen und Volksbanken kämpfen gegen die Holdings, die sich vom Zusammenschluss den Zugriff auf die Einlagen der kleinen Institute versprechen. Wie ernst die Lage ist, zeigt die Wahl der Mittel, die die Holding bei diesem Zwangs-Zusammenschluss an den Tag legt.

Die Banken-Krise in Österreich kann auch Folgen für deutsche und europäischen Banken haben. Die EZB hat die Banken aufgefordert, offenzulegen, in welchem Maß die Institute bei der österreichischen Skandalbank HGAA investiert sind. Die deutschen Banken sind mit Milliarden im Risiko. 

Für die Sparer bedeutet dies, dass sie sich über den Zustand ihrer Bank kundig machen müssen. Angesichts der unübersichtlichen Bilanzen und komplexen Verflechtungen ist dies eine kaum zu leistende Aufgabe.

Es gibt allerdings Ratings, die zeigen, welchen Banken man vertrauen kann: Eine Übersicht zeigt, welche Banken vergleichsweise sicher sind. Interessant: In Europa sind die kleinen Schweizer Kantonalbanken und kleine Institute aus Norwegen und Dänemark weit sicherer als die großen, internationalen Player. Die deutschen Banken schneiden in der Übersicht eher mäßig ab. Die meisten finden sich auf den hinteren Rängen. Schlusslicht unter den 80 ausgewerteten Banken ist die HSH Nordbank. Nur die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) schafft es unter die Top Ten (Platz 3). Das hilft den privaten Anlegern und Sparern jedoch nicht: Die KfW ist eine reine Förderbank, bei der weder Privatkunden noch Unternehmen ein Konto führen können.

In Österreich wollen die Politiker der Regierungsparteien die Verantwortung nun an die Konsumentenschützer delegieren: Der Präsident der Arbeiterkammer Niederösterreich, Markus Wieser, erwartet, dass die Banken ihre Gebühren nun massiv erhöhen könnten. Falle der Schutz des Staates weg, sei "wohl klar, dass dafür jemand zur Kasse gebeten wird", zitiert der Standard den Funktionär. Dies werden wohl die Bank-Kunden sein - und die Konsumentenschützer werden bestenfalls dafür sorgen können, dass bei den neuen Gebühren eine gewisse Transparenz und Verhältnismäßigkeit gewahrt wird.

Schützen können sich die Bank-Kunden nur selbst durch umfassende Information und die Bereitschaft zum Handeln. Das ist zwar unangenehm, aber doch realitätsnäher als das Vertrauen auf den Schutz durch den Staat, der auch bisher ausschließlich auf dem Papier besteht und den Sparern keine wirkliche Sicherheit bietet.

Interessanter Weise verstärken die Regierung aktuell offenbar ihre Bemühungen, über Maßnahmen der Risiko-Abwälzung und der finanziellen Repression die öffentlichen Schulden abzubauen: Australien hat soeben als erstes Land gekanntgegeben, eine Steuer auf Bankguthaben einzuführen. Dies wurde von IWF und G20 stets als Lösung der Schuldenkrise gepriesen. Der australische Vorstoß ist in diesem Zusammenhang als globaler Testballon zu sehen, andere Staaten dürften folgen, wenn der Widerstand bei den Sparern nicht zu groß ist.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China frisst Tesla: Wie Elon Musk seine eigene Konkurrenz großzog
19.07.2025

Elon Musk wurde in China gefeiert, hofiert und mit Privilegien überschüttet – doch während Tesla half, Chinas E-Auto-Industrie...

DWN
Technologie
Technologie Lokale Rechenzentren: Auslaufmodell oder Bollwerk digitaler Souveränität?
19.07.2025

Cloud oder eigenes Rechenzentrum? Unternehmen stehen vor einem strategischen Wendepunkt. Lokale Infrastruktur ist teuer – aber oft die...

DWN
Panorama
Panorama Rentenvergleich: So groß ist der Unterschied zwischen Ost und West
19.07.2025

Im Osten der Republik erhalten Frauen im Schnitt deutlich mehr Rente als im Westen. Jahrzehntelange Unterschiede in der Erwerbsbiografie...

DWN
Finanzen
Finanzen Erbe aufteilen: So sichern Sie den Verbleib Ihres Partners im gemeinsamen Haus
19.07.2025

Sind Sie wiederverheiratet und haben Kinder aus früheren Beziehungen? Dann ist besondere Vorsicht geboten, wenn es darum geht, Ihr Erbe...

DWN
Finanzen
Finanzen Unser neues Magazin ist da: Kapital und Kontrolle – wem gehört Deutschland?
19.07.2025

Deutschland ist reich – doch nicht alle profitieren. Kapital, Einfluss und Eigentum konzentrieren sich zunehmend. Wer bestimmt wirklich...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuererklärung: Wann Verspätungszuschläge unzulässig sind
19.07.2025

Viele Steuerzahler ärgern sich über Verspätungszuschläge, wenn sie ihre Steuererklärung zu spät abgeben. Doch nicht immer ist die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeiten nach der Schule: Warum viele keine Ausbildung beginnen
19.07.2025

Schnell Geld verdienen statt jahrelang pauken – das klingt für viele junge Menschen verlockend. Doch wer direkt nach der Schule in den...

DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...