Ernesto Ferlenghi, der Präsident von der für die Russland-Beziehungen zuständigen Industriellenvereinigung Confindustria, legt im Gespräch mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten ernüchternde Zahlen auf den Tisch:
„Die Analyse der Daten der ersten vier Monate des Jahres 2015 ergibt im Vergleich zum gleichen Zeitraum von 2014 einen Rückgang von 11,9 Prozent im Handel zwischen Italien und Russland und von 29 Prozent bei den italienischen Exporten nach Russland. Wir beziehen uns dabei auf die Daten des russischen Zolls. Die italienischen Unternehmen, die seit Jahrzehnten nach Russland exportierten, verlieren ungefähr acht Millionen Euro pro Tag, weil uns die Exporte fehlen. Insgesamt sind uns über zwei Milliarden Euro aus dem Export verloren gegangen.“
Ferlenghi ist besorgt, dass es sich hier um eine langfristig gefährliche Entwicklung für die italienische Wirtschaft handelt: „Die Zahlen bestätigen leider den Trend von 2014.“
Die Ursachen sieht Ferlenghi im Zusammenwirken von ungünstigen Faktoren:
„Die kumulierte Auswirkung ergibt sich aus der Verringerung der Inlandsnachfrage in Russland. Zugleich stellen wir eine Verlangsamung des russischen BIP-Wachstums fest. Dies ist durch den Verfall des Ölpreises bedingt, der innerhalb eines Jahres auf die Hälfte gefallen ist. Schließlich ist es die Folge des Wechselkurses Rubel-Euro und der Sanktionen und Gegensanktionen.“
Trotzdem wollen die Italiener den für sie äußerst wichtigen russischen Markt nicht kampflos aufgeben. Zuletzt hatten Premier Matteo Renzi und Russlands Präsident Wladimir Putin vereinbart, Möglichkeiten zu suchen, die bilateralen Handelsbeziehungen trotz der Sanktionen zu verbessern.
Die italienische Wirtschaft versucht, durch andere Formen im russischen Markt präsent zu bleiben. Ferlenghi:
„Die italienischen Unternehmen versuchen mit der größten Energie, auf die Bemühungen der russischen Regierung, die fehlenden Importe durch lokale Produktion zu substituieren, einzugehen. Wir wollen unsere Marktanteile aus der Vergangenheit mittels einer neuen Strategie halten, und zwar mittels des Aufbaus von Joint Ventures und Verlagerung der Produktion nach Russland durch den Austausch von Know-How.“
Ferlenghi verweist darauf, dass auch die deutschen Unternehmen von den Sanktionen in dramatischer Weise betroffen sind. Am Donnerstag hatte der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft bekanntgegeben, dass die deutschen Exporte nach Russland um 30 Prozent eingebrochen sind.
Die Industrie in Italien meldet für den Monat Mai wegen der Russland-Sanktionen insgesamt einen Auftragsrückgang. Die Aufträge verringerten sich saisonbereinigt zum Vormonat um 2,5 Prozent, wie das Statistikamt (Istat) am Mittwoch mitteilte. Während aus dem Inland etwas mehr Bestellungen eingingen als im April, brachen die Aufträge aus dem Ausland ein.
Im April hatte es noch ein Auftragsplus von 5,5 Prozent gegeben. Daher erwartete der Internationale Währungsfonds (IWF), dass die Wirtschaftskraft des EU-Landes dieses Jahr um 0,7 Prozent zulegen wird. Das wäre das erste Wachstumsjahr seit 2011. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone dümpelt jedoch seit Jahren vor sich hin und hinkt der Erholung im Währungsraum hinterher.
Mit den neuen Zahlen dürfte auch die Hoffnung schwinden, dass die italienische Wirtschaft die Rezession hinter sich lassen könnte.