Politik

Merkel-Berater: Mindestlohn absenken, um Flüchtlinge in Arbeit zu bringen

Lesezeit: 2 min
20.09.2015 16:24
Das Münchner Ifo-Institut schlägt vor, den Mindestlohn abzusenken, damit Flüchtlinge in deutschen Betrieben beschäftigt werden können. Eine erstaunliche Forderung: Denn damit würden die Flüchtlinge zum Hebel für Lohndumping, das am Ende auch die deutschen Arbeitnehmer trifft.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Nach Einschätzung des Münchner Ifo Instituts sind die meisten Flüchtlinge nicht gut genug für den deutschen Arbeitsmarkt qualifiziert. Damit die Flüchtlingskrise den Steuerzahler jedoch nicht dauerhaft überlaste, müssten die Zuwanderer so schnell wie möglich bezahlte Jobs annehmen, erläuterten die Wirtschaftsexperten in einer Mitteilung vom Sonntag: «Es steht zu befürchten, dass viele von ihnen bei einem Mindestlohn von 8,50 Euro keine Beschäftigung finden, weil ihre Produktivität schlicht zu gering ist.» Das Institut plädiert deshalb dafür, den Mindestlohn abzusenken.

Der Chef des Münchener Ifo-Institut, Hans-Werner Sinn, ist einer der wichtigsten Berater der Regierung von Angela Merkel. Sinn hatte in der Griechenland-Krise für einen harten Kurs gegen die Regierung in Athen plädiert, sich jedoch am Ende nicht durchsetzen können.

Die Experten rechnen damit, dass dem Staat durch den Zuzugstrom von Flüchtlingen Mehrkosten von zehn Milliarden Euro entstehen. Von einer ähnlichen Größenordnung gingen zuletzt auch die Schätzungen der Bundesregierung aus. Nicht erfasst in seinen Berechnungen hat das Institut Kosten für Bildung. Um aber die Migranten fit für den Arbeitsmarkt zu machen, müsse der Staat neben Deutschkursen auch in die Berufsbildung investieren. Das werde weitere Kosten verursachen.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hatte im Bundestag mitgeteilt, dass nur jeder zehnte Flüchtlinge qualifiziert sei, in Arbeit oder Ausbildung übernommen zu werden.

Es ist in Deutschland weitgehend Konsens, dass der Steuerzahler die Kosten für die Qualifizierung übernimmt. Einige Unternehmen wie die Deutsche Post haben sich bereit erklärt, einige Flüchtlinge in Ausbildungsplätze zu bringen. Andere, wie Daimler-Chef Dieter Zetsche erhoffen sich ein neues deutsches Wirtschaftswunder von den Flüchtlingen. Selbst tätig werden die meisten jedoch nicht, im Gegenteil: Daimler kündigte vor wenigen Tagen an, Teile der Produktion in die USA zu verlegen. Der Grund: geringere Löhne.

Der Anteil von Analphabeten in den Herkunftsstaaten sei meist hoch, in Afghanistan etwa liege er bei mehr als 50 Prozent bei den 14- bis 29-Jährigen, sagt das Ifo-Institut. Der Anteil der Hochschulabsolventen betrage selbst im vergleichsweise hoch entwickelten Syrien nur sechs Prozent. Zudem seien in vielen Fällen die Abschlüsse nicht gleichwertig.

Die Experten sprachen sich zugleich dagegen aus, die Hartz-IV-Regelsätze anzuheben, da dies nach ihrer Auffassung den Anreiz für Migranten, eine Arbeitsstelle anzutreten, verringern könnte. Die Ifo-Prognosen basieren auf der Zahl von 800.000 Flüchtlingen, die in diesem Jahr in Deutschland erwartet werden.

Der Vorschlag der Senkung des Mindestlohns birgt jedoch erheblichen Sprengstoff: Denn damit würde ein Einfallstor für erneutes Lohndumping geöffnet, das am Ende auch die deutschen Arbeitnehmer trifft. Logisch ist der Vorschlag jedenfalls nicht: Wenn die Flüchtlinge nämlich nach einer entsprechenden Qualifizierung eingestellt werden können, gibt es keinen triftigen Grund, ihnen die angemessene Bezahlung zu verweigern.

In der SPD dürfte der Vorschlag für Entgeisterung sorgen: Erst vor wenigen Tagen hatte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles mitgeteilt, dass die Einführung des Mindestlohns entgegen allen Befürchtungen den Arbeitsmarkt belebt habe. Nur noch wenige Branchen sind vom Mindestlohn ausgenommen, so etwa die Zeitungsbranche, deren Zusteller für eine Übergangszeit schlechter bezahlt bleiben.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Trumps illustres Kabinett: Ein Tech-Milliardär, ein TV-Moderator und eine Ex-Demokratin
14.11.2024

Es geht Schlag auf Schlag: Donald Trump als designierter US-Präsident verkündet seine Kandidaten für die Regierung. Mit dabei: ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratie in Deutschland kostet jährlich 146 Milliarden Euro
14.11.2024

Bürokratie-Abbau soll Kosten sparen. Durch die überbordende Bürokratie entgehen Deutschland bis zu 146 Milliarden Euro pro Jahr an...

DWN
Politik
Politik BSW: Regierungsbeteiligung nicht ausgeschlossen
14.11.2024

Das Bündnis Sahra Wagenknecht begrüßt die vorgezogene Neuwahl des Bundestages. Logistisch ist das für die junge Partei aber eine...

DWN
Panorama
Panorama Zufriedenheit mit der Demokratie nimmt stark ab, Ausländerfeindlichkeit steigt
14.11.2024

Eine Studienreihe der Universität Leipzig untersucht seit 2002, wie verbreitet rechtsextreme Einstellungen in der Gesellschaft sind. Vor...

DWN
Politik
Politik Nato-Raketenabwehrschirm: Polen verstärkt seine Sicherheitsmaßnahmen - und Russland droht
14.11.2024

In einer klaren Reaktion auf die anhaltende Bedrohung aus Russland wurde in Polen kürzlich ein Stützpunkt für den...

DWN
Politik
Politik Ukraine unter Druck, Nato-Chef Rutte fordert mehr Hilfe
13.11.2024

Nato-Generalsekretär Mark Rutte zufolge müssen die westlichen Partner jetzt fest „zusammenstehen.“ Er fordert mehr Unterstützung...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Konjunktur-Jahresbericht: Wirtschaftsweise senken Wachstumsprognose - und warnen vor Trump-Politik
13.11.2024

Angesichts der politischen Unsicherheiten und der anhaltenden Konjunkturflaute haben die Wirtschaftsweisen ihr Jahresgutachten vorgestellt....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ford: Stellenabbau droht - Kurzarbeit für 2.000 Beschäftigte in Köln
13.11.2024

Über Jahrzehnte hinweg konnte Ford auf dem europäischen Automarkt punkten, etwa mit dem beliebten Kleinwagen Fiesta. Inzwischen setzt das...