Politik

Bundesregierung diskutiert Aufhebung des Mindestlohns für Flüchtlinge

In der Bundesregierung wird nun offiziell die Aufhebung des Mindestlohns für Flüchtlinge diskutiert. Setzt sich dieser Ansatz durch, könnte es zu einer Wettbewerb des Lohndumpings unter Arbeitnehmern kommen.
29.09.2015 15:09
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), hat Ausnahmeregelungen vom Mindestlohn gefordert, um Flüchtlinge leichter einstellen zu können. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters, die einen zweiten CDU-Politiker zitiert. Auch das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn sagte, möglicherweise müsse nun auch der Mindestlohn auf den Prüfstand kommen. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Fraktion, Karl Schiewerling, sagte: „Eine Absenkung des Mindestlohns würde Flüchtlinge zu Arbeitern zweiter Klasse degradieren.“ Ein solcher Sonderstatus könne zudem dazu führen, dass sich langjährige Arbeitssuchende zurückgesetzt fühlten.

Die Diskussion zeigt, wie sich politische Ideen langsam von von staatlichen Geldern finanzierten Think Tanks ihren Weg in die politische Umsetzung bahnen. Vor einigen Tagen hatte als erster das Münchner Ifo-Institut das Ende des Mindestlohns für Flüchtlinge lanciert.

Tatsächlich würde diese Maßnahme zu einem Einfallstor für Lohndumping führen. Interessanter Weise erwähnt CDU-Mann Schiewerling diese Gefahr nicht. Die CDU ist eine vehemente Befürworterin des Freihandelsabkommens TTIP mit den USA. Wird dieses Abkommen umgesetzt, wird der Niedriglohnsektor in Deutschland einen neuen Boom erleben, wie eine unabhängige Studie errechnet hat.

Die neue Diskussion des Mindestlohns zeigt, dass die Flüchtlinge vermutlich eine gravierende Rolle bei der Veränderung des deutschen Arbeitsmarkts spielen könnten. Angela Merkel hatte Flüchtlinge in Deutschland ausdrücklich und ohne Grenze nach oben willkommen geheißen.

Noch hält das Bundesministerium für Arbeit dagegen: „Der Mindestlohn gilt ohne Ausnahme“, sagte eine Sprecherin von Ressortchefin Andrea Nahles am Dienstag in Berlin. Es gebe keine Bestrebungen, das Gesetz zu ändern. „Der Mindestlohn gilt unabhängig vom Pass für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“ Er diene als „untere Haltelinie“, um „ausbeuterische Geschäftsmodelle“ zu unterbinden. Auch einer Ausbeutung von Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt und einem Druck der Löhne nach unten werde damit vorgebeugt, sagte die Ministeriumssprecherin.

Diese Argumente sind einleuchtend. Doch ob Nahles die Haltelinie wirklich nicht überschreiten muss, ist eine ganz andere Frage: Zum einen wurden bereits zahlreiche andere „Haltelinien“ von der Bundesregierung mit der Begründung der Alternativlosigkeit eliminiert: Dazu zählt die verbotene Staatsfinanzierung durch die EZB, die mittlerweile politisch nicht einmal mehr diskutiert wird; oder die Aufgabe des „no-bailout“-Paragraphen mit den neuen Griechenland-Krediten. Im Zuge der Flüchtlinge wurden, obwohl sich der Ansturm seit Monaten abgezeichnet hat, das Fremdenpolizei-Gesetz, das Asylgesetz, die Dublin-Vereinbarungen und die Pflicht des Staates zur Garantie der inneren Sicherheit stillschweigend außer Kraft gesetzt.

Der Druck auf den Mindestlohn könnte durch die Fakten verstärkt werden, die Nahles selbst auf den Tisch gelegt hat: Die Arbeitsministerin hatte bekanntgegeben, dass nur jeder zehnte Asylbewerber qualifiziert sei, in Ausbildung oder Arbeit übernommen zu werden. Nachdem die staatlichen Kosten für die Flüchtlings-Betreuung und Integration schon jetzt mit immer neuen Milliarden-Beträgen veranschlagt werden, könnte die Aufgabe des Mindestlohns in einigen Monaten als das „kleinere Übel“ angepriesen werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Panorama
Panorama Die bestbezahlten Bank-CEOs in Europa: Auf der Liste steht ein Deutscher
21.04.2025

Im Jahr 2024 war Sergio Ermotti, CEO von UBS, der bestbezahlte Bank-CEO Europas mit einem Gesamteinkommen von 15,6 Millionen Euro. Auf der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ukraine-Krieg: Frieden zwischen Ukraine und Russland kann neue Aktienrallye in Europa auslösen
20.04.2025

Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas leidet in besonderem Maße unter den wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs. Hohe...

DWN
Politik
Politik Was sich im Mai ändert: Neue Namensregeln, schärferer Biomüll-Kurs und Abschied von Skype
20.04.2025

Im Mai 2025 kommen wichtige Änderungen auf Bürger zu: Neue Nachnamensregeln für Familien, strengere Biomüll-Kontrollen, digitale...

DWN
Finanzen
Finanzen Ride Them Out: Den richtigen Moment in der Börsen-Blasen-Strategie finden
20.04.2025

Die Finanzwelt steht immer wieder vor der Frage, wie man in turbulenten Zeiten richtig handelt. Dieser Artikel beleuchtet, warum es oft...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Abschottung statt Gastfreundschaft: Trumps zweite Amtszeit trifft Amerikas Tourismusindustrie
20.04.2025

Internationale Reisende meiden die USA – Fälle willkürlicher Festnahmen an den Grenzen häufen sich. Europas Touristen ziehen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Shell: Asien als Haupttreiber des LNG-Wachstums bis 2040
20.04.2025

Shell prognostiziert einen Anstieg des globalen LNG-Verbrauchs um 60 Prozent bis 2040, vor allem getrieben durch die steigende Nachfrage in...

DWN
Politik
Politik Asien-Investor: „Jetzt beginnt Trumps Schicksalsvierteljahr“
20.04.2025

Ein schwedischer Analyst in Vietnam sieht das Weiße Haus vor einem Finanzbeben – und erkennt zugleich geopolitische Chancen für...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlands Brücken sind marode – reicht eine Finanzspritze aus?
20.04.2025

Deutschlands Brücken sind in einem kritischen Zustand – ein aktuelles Beispiel ist die A100-Brücke in Berlin. Die sogenannte...