Politik

Wagenknecht fordert Stopp der Gespräche mit der Türkei über Flüchtlinge

Sahra Wagenknecht fordert den sofortigen Stopp der Gespräche mit der Türkei über die Flüchtlinge. Die Türkei gefährde den Weltfrieden, wie der Abschuss eines russischen Kampfjets zeige. Doch die EU bereitet sich darauf vor, mindestens drei Milliarden Euro an Präsident Recep Tayyip Erdogan zu zahlen.
24.11.2015 17:36
Lesezeit: 2 min

Die Opposition in Deutschland hat mit Sorge und Kritik auf den Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs durch die Türkei reagiert. Mit dem Vorfall gefährde die Türkei den Weltfrieden, erklärte Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht am Dienstag in Berlin. Die Bundesregierung müsse nun "jegliche Verhandlungen" mit der Türkei etwa bei der Lösung des Flüchtlingskrise aussetzen.

Zudem müsse sie den türkischen Botschafter in Berlin einbestellen "und ihm klarmachen, dass Deutschland dieses unverantwortliche Verhalten verurteilt", forderte Wagenknecht. Die Bundesregierung müsse jegliches militärisches Engagement ausschließen und klarstellen, dass sie sich nicht vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan "in einen Krieg hineinziehen lassen" werde.

Der Grünen-Außenexperte Omid Nouripour mahnte, nach dem Abschuss eine Eskalation der Gewalt "unter allen Umständen zu verhindern". Nouripour forderte die Wiederaufnahme des Nato-Russland-Rates; dieses Dialogforum wurde nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 de facto ausgesetzt.

Der Vorfall im türkisch-syrischen Grenzgebiet zeige "die großen Gefahren des parallelen Agierens vieler Länder in Syrien und die Notwendigkeit kurzer politischer und militärischer Kooperationswege zwischen Nato und Russland", erklärte Nouripour. Der Abschuss müsse nun "sachlich und besonnen gemeinsam untersucht" werden.

Das Nato-Land Türkei hatte den russischen Kampfjet am Morgen im Grenzgebiet zu Syrien abgeschossen. Hinter der Aktion scheint der türkische Geheimdienst MIT zu stecken.

Die EU wendet sich jedoch nicht, wie von Wagenknecht gefordert, gegen die Türkei. Sie streitet darüber, wie viele Milliarden der europäischen Steuerzahler notwendig sind, um die Flüchtlinge von der EU fernzuhalten. Wie schon bei der Aufnahme der Flüchtlinge müssen die Kosten aufgeteilt werden. Die EU-Kommission verbreitete am Dienstag einen Verteilungsschlüssel, der eine Beteiligung der EU-Länder gemäß ihrer Wirtschaftskraft vorsieht. Von EU-Diplomaten hieß es aber, es gebe noch keine Einigung dazu, wie die insgesamt drei Milliarden Euro zur Unterstützung von in der Türkei lebenden Flüchtlingen aufgebracht werden sollten.

Die EU-Kommission hatte schon vor Wochen vorgeschlagen, 500 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt bereit zu stellen und die restlichen 2,5 Milliarden Euro über zusätzliche Beiträge der Mitgliedstaaten. Nach dem bereits mehrfach verbreiteten Verteilungsschlüssel würde auf Deutschland angesichts seiner großen Wirtschaftskraft mit 534 Millionen Euro der höchste Betrag entfallen.

Bisherige Verhandlungen hätten aber noch keine Lösung gebracht, sagte ein EU-Diplomat. Die Botschafter der Mitgliedstaaten würden am Donnerstagvormittag erneut über die Frage beraten. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sich damit letztlich die Staats- und Regierungschefs auf dem EU-Türkei-Gipfel am Sonntag befassen müssten.

Die EU wird von Erdogan in dieser Frage glatt erpresst. Wie der Abschuss der russischen Maschine zeigt, ist Erdogan, der eng mit den US-Neocons und den amerikanischen Geheimdiensten kooperiert, bereit, die Lage weiter zu eskalieren.

Weil die EU-Staaten unfähig und unwillig sind, sich um die Flüchtlinge selbst zu kümmern oder aber die Grenzen zu schützen, sind sie faktisch der Willkür Erdogans ausgeliefert. Sie bitten Ankara um einen gemeinsamen Aktionsplan zu einer stärkeren Grenzsicherung und eine bessere Versorgung der Flüchtlinge in der Türkei, damit diese sich nicht auf den Weg nach Europa machen. Versprochen wurde Ankara neben den Milliarden dabei auch ein neuer Anlauf bei den EU-Beitrittsgesprächen sowie beschleunigte Verhandlungen über eine Visa-Liberalisierung für türkische Bürger.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Armenien kehrt Russland den Rücken – und öffnet sich dem Westen
23.06.2025

Armenien verabschiedet sich von Russland als Schutzmacht. Der Kreml sieht tatenlos zu – der Westen greift zu. Was das für Europa und...

DWN
Politik
Politik EU knickt ein: Russland darf weiter an Öl-Milliarden verdienen
23.06.2025

Die EU wollte Russland mit einer drastischen Senkung der Ölpreisobergrenze Milliarden entziehen. Doch angesichts wachsender Krisen rudert...

DWN
Finanzen
Finanzen Bankgeschäfte im Wandel: Online-Banking auf dem Vormarsch – auch bei Älteren
23.06.2025

Digitale Bankgeschäfte sind längst keine Domäne der Jüngeren mehr. In Deutschland steigt die Nutzung von Online-Banking quer durch alle...

DWN
Finanzen
Finanzen Börse aktuell: DAX-Kurs zum Start unter Druck nach US-Angriff auf den Iran, Ölpreise steigen
23.06.2025

Die Börse steht unter Druck: Nach dem überraschenden US-Angriff auf iranische Atomanlagen herrscht Verunsicherung an den Aktienmärkten....

DWN
Panorama
Panorama Israel Iran Konflikt: Trump signalisiert Unterstützung für Machtwechsel im Iran
23.06.2025

US-Präsident Donald Trump deutet nach den Bombardierungen der Atomanlagen im Iran durch das US-Militär Unterstützung für einen Wechsel...

DWN
Technologie
Technologie Mensch und Maschine: Die Zukunft der Cyberabwehr
23.06.2025

Cyberangriffe werden raffinierter, herkömmliche Schutzmechanismen reichen nicht mehr aus. Moderne Sicherheitszentren setzen daher auf eine...

DWN
Immobilien
Immobilien Miete bald unbezahlbar? Mehr als die Hälfte des Gehalts für die Miete
23.06.2025

Als Mieter müssen viele Menschen mittlerweile mehr als die Hälfte ihres Einkommens für ihre Bleibe bezahlen. Wie eine repräsentative...

DWN
Politik
Politik Rückkehr der Wehrpflicht in Deutschland: Nato-Ziele nur mit Pflicht zum Wehrdienst möglich
22.06.2025

Die Nato drängt: „Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen“, hat die Nato ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie...