Politik

Nordrhein-Westfalen: Sieg für die CDU, Debakel für SPD und Grüne

Lesezeit: 3 min
15.05.2017 00:46
Die Landtagswahlen in NRW sehen CDU, FDP und AfD als Sieger. SPD und Grüne erlitten ein Debakel.
Nordrhein-Westfalen: Sieg für die CDU, Debakel für SPD und Grüne

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Uta Winkhaus und Stefan Voß von der dpa fassen die Wahlergebnisse zusammen:

Triumph für CDU und FDP, Debakel für Rot-Grün: Vier Monate vor der Bundestagswahl hat die Union auch die wichtige Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen spektakulär gewonnen. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz gestand eine «krachende Niederlage» in seiner Heimat ein. Nach Hochrechnungen war am Abend neben einer großen Koalition unter Führung des CDU-Wahlsiegers Armin Laschet auch eine schwarz-gelbe Landesregierung denkbar - mit knapper Mehrheit.

Als Reaktion auf das schlechteste SPD-Ergebnis in der NRW-Geschichte legte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft alle Ämter in der SPD-Führung nieder. Für Schulz ist es der bisher härteste Schlag seit seiner Nominierung Anfang des Jahres. Wie zuvor in Schleswig-Holstein hatte die SPD auch in NRW in Umfragen lange Zeit deutlich vorn gelegen und dann doch eine Wahlniederlage kassiert.

Nach Hochrechnungen von ARD und ZDF vom späten Abend lag die CDU mit 33,0 bis 33,3 Prozent deutlich vor der SPD mit 31,0 bis 31,4 Prozent. Dahinter folgte die FDP mit 12,5 bis 12,6 Prozent. Mit 7,3 bis 7,4 Prozent zieht erstmals die AfD in den Düsseldorfer Landtag ein. Die bislang an der Regierung beteiligten Grünen stürzten demnach auf 6,2 bis 6,3 Prozent ab. Die Linkspartei musste befürchten, dass ihr nach 2012 der Sprung in den Landtag wieder nicht gelingt. Hochrechnungen sahen sie am Abend bei 4,8 bis 4,9 Prozent. Die NRW-Piraten flogen mit 0,9 Prozent auch aus dem letzten Landtag.

Schulz sagte zur SPD-Niederlage in NRW: «Wir müssen überlegen, was war mein Anteil daran.» Dort sei vor allem über Landespolitik abgestimmt worden. Die Bürger wollten, dass er nicht nur über soziale Gerechtigkeit rede, sondern die Zukunftsperspektiven der Bundespolitik präziser beschreibe. «Diese Kritik an mir nehme ich ernst, die habe ich aufgenommen und die werden wir auch umsetzen.»

Für Kanzlerin Angela Merkel bedeutet der dritte Erfolg der CDU in diesem Jahr starken Rückenwind. Wahlsieger Laschet sagte, seine beiden Ziele seien erreicht worden: «Rot-Grün zu beenden und stärkste politische Partei zu werden.» Die CDU konnte nach Angaben von Infratest Dimap 440 000 Nichtwähler von 2012 für sich gewinnen, zudem entschieden sich 310 000 bisherige SPD-Wähler für die Union. Somit blieb die SPD in allen drei Landtagswahlen erfolglos und verlor zudem zwei Ministerpräsidentenposten.

Bleibt die Linke unter der Fünf-Prozent-Hürde, könnte es dank des historisch guten Abschneidens der FDP sogar zu einer schwarz-gelben Mehrheit von CDU und FDP reichen. In jedem Fall ist rechnerisch eine große Koalition, ein Ampel-Bündnis oder eine sogenannte Jamaika-Koalition möglich. Die Liberalen haben eine Ampel mit SPD und Grünen aber ausgeschlossen, die Grünen ein Jamaika-Bündnis mit CDU und FDP.

In einem Fünf-Parteien-Parlament ohne die Linke zeichnet sich laut Hochrechnungen folgende Sitzverteilung mit Überhang- und Ausgleichsmandaten ab: Die CDU holt im neuen Landtag 73 Sitze, die SPD 70. Die Liberalen erringen 28 Mandate, die Grünen 14, die AfD 16. Die absolute Mehrheit liegt bei 101 Sitzen. Die Wahlbeteiligung stieg auf 65,5 bis 66 Prozent (2012: 59,6 Prozent).

CDU-Wahlsieger Laschet kündigte am Abend an, er wolle mit allen «demokratischen Parteien» sprechen. «Politik ist kein Wunschkonzert, natürlich sind wir bei vielen Themen nahe bei der FDP.» Allerdings brauche das Land eine «stabile Mehrheit».

Nach dem besten NRW-Ergebnis der Liberalen überhaupt sagte der Landes- und Bundeschef Christian Lindner, seine Partei wolle nicht automatisch eine schwarz-gelbe Koalition eingehen. «Ich bin nämlich nicht der Wunsch-Koalitionspartner von Herrn Laschet und er nicht meiner», sagte Lindner. Nach den jüngsten Erfolgen sei auch mit einem Comeback der FDP im Bund zu rechnen. Er selbst will in diesem Fall nach Berlin wechseln.

CSU-Chef Horst Seehofer erklärte, die «Schulz-Festspiele» seien vorbei. Er mahnte die Union, trotzdem auf dem Teppich zu bleiben. Stimmungen könnten sich «fast torpedoartig ändern», warnte der bayerische Ministerpräsident. «Deshalb ist das noch längst keine Vorentscheidung für die Bundestagswahl.»

Die NRW-Wahl galt als wichtigster Stimmungstest vor der Bundestagswahl im September, da jeder fünfte Wähler bundesweit in dem Land zu Hause ist. Die Grünen mussten im Superwahl 2017 zum dritten Mal in Folge Verluste hinnehmen. Bundestags-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach von einem deprimierenden Ergebnis: ««Das ist ein Schlag in die Magengrube.» Spitzenkandidat Cem Özdemir kündigte an, im Bund wolle man den Kurs der Eigenständigkeit ohne Koalitionsaussage auf jeden Fall fortsetzen.

Die AfD ist nun in 13 von 16 Landtagen vertreten. Parteivize Alexander Gauland räumte ein, dass die internen Konflikte vor dem Bundesparteitag im April geschadet haben könnten. Da diese Konflikte nun «hinter uns liegen, kann es ja nur besser werden», fügte er hinzu. Der Landesvorsitzende Marcus Pretzell kündigte an: «Wir werden ehrliche klare Opposition machen, den Finger in die Wunde legen, so wie die das noch gar nicht kennen.»

Die Linkspartei warf den Sozialdemokraten einen zu extremen Abgrenzungskurs vor. Die SPD bekomme keine Glaubwürdigkeit, «wenn sie meint, mit der FDP soziale Gerechtigkeit machen zu können», sagte Parteichef Bernd Riexinger. Kraft hatte einer rot-rot-grünen Koalition noch kurz vor der Wahl eine klare Absage erteilt.

Sowohl SPD als auch CDU haben im Wahlkampf eine große Koalition nicht ausgeschlossen. Als Knackpunkte gelten die Themen Innere Sicherheit und Bildungspolitik. Die Sozialdemokraten regierten mit einer Ausnahme seit gut 50 Jahren in NRW. Von 2005 bis 2010 gab es eine schwarz-gelbe Regierung unter CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers.

Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren hatte die SPD unter Hannelore Kraft mit 39,1 Prozent und 99 Sitzen noch deutlich vor der CDU (26,3 Prozent, 67 Sitze) gelegen. Als drittstärkste Kraft kamen die Grünen auf 11,3 Prozent (29 Sitze). Außerdem waren die FDP mit 8,6 Prozent (22 Sitze) und die Piraten (7,8 Prozent / 20 Sitze) vertreten. Die Linke verpasste 2012 mit 2,5 Prozent den Einzug in den Landtag.

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla Grünheide - Protesttage: Polizei schützt Autofabrik mit Großaufgebot
10.05.2024

Die Kundgebungen gegen den Autobauer Tesla in Grünheide erreichten am Freitag einen neuen Höhepunkt. Während eines...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Chefredakteur kommentiert: Deutsche Bahn, du tust mir leid!
10.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Technologie
Technologie Kein Erdgas mehr durch die Ukraine? Westeuropa droht erneute Energiekrise
10.05.2024

Eines der größten Risiken für die europäische Erdgasversorgung im nächsten Winter ist die Frage, ob Gaslieferungen weiterhin durch die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch bei über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das für Anleger und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Streik am Bau: Gewerkschaft kündigt Proteste in Niedersachsen an
10.05.2024

Die IG Bauen Agrar Umwelt hat angekündigt, dass die Streiks am Bau am kommenden Montag (13. Mai) zunächst in Niedersachsen starten...

DWN
Politik
Politik Selenskyj drängt auf EU-Beitrittsgespräche - Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Überblick
10.05.2024

Trotz der anhaltenden Spannungen an der Frontlinie im Ukraine-Krieg bleibt Präsident Selenskyj optimistisch und setzt auf die...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...