Politik

Europas Energie-Konzerne warnen vor Folgen der US-Sanktionen

Mehrere europäische Energieunternehmen kritisieren die von den USA vorangetriebene geplante Verschärfung der Sanktionen gegen Russland mit deutlichen Worten.
25.07.2017 17:24
Lesezeit: 3 min

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Das US-Sanktionsgesetz „Countering Iran's Destabilising Activities Act of 2017“ soll nicht nur die Wirtschafts-Sanktionen gegen den Iran und Nordkorea, sondern auch jene gegen Russland ausweiten. Für Europa bedeutet eine Annahme des Gesetzes durch den Senat, dass zahlreiche Energieprojekte und Pipelines bedroht sein werden, die russisches Gas und Erdöl nach Europa liefern. Dazu gehört auch das Projekt Nord Stream 2, welches russisches Gas durch eine Ostsee-Pipeline nach Deutschland bringen soll. Gegen die Bestrebungen in den USA regt sich in Europa nicht nur in der Politik, sondern auch bei Unternehmen aus dem Energiebereich Widerstand.

Ein Sprecher von Nord Stream 2 erläuterte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten, welche Energieprojekte in Europa vom US-Sanktions-Gesetz betroffen sein könnten:

„Nach dem gegenwärtigen Entwurf könnten folgende Projekte betroffen sein: Es gibt 90 verschiedene Pipelines, die Energie (Öl, raffinierte Treibstoffe, Gas) aus der Russischen Föderation in 13 Nachbarländer transportieren – davon in 5 EU-Mitgliedsstaaten (Finnland, drei baltische Staaten und Deutschland). Es gibt mindestens drei Öl-Pipelines für russische Exporte, die gemeinsam sowohl russischen als auch westlichen Unternehmen gehören. Dazu zählen die Pipeline Sakhalin-1, die sich im Besitz von Rosneft und u.a. von Shell und Exxon befindet, die Pipeline Sakhalin-2, die u.a. Gazprom und Shell gehört, und das kaspische Pipeline-System, das russischen Unternehmen gemeinsam mit Shell, Mobil, Chevron und ENI gehört.

Es gibt bereits drei große Gas-Export-Pipelines im Besitz von Gazprom mit westlichen Partnern: Nord Stream (Gazprom, E.On, BASF, Gasunie und Engie), Blue Stream (Gazprom, ENI) und die polnische Sektion der Yamal-Pipeline (Gazprom, PGNIG). Eine eigenständige Raffinerie-Pipeline wäre ebenfalls vom US-Sanktionsgesetz betroffen: Polotsk-Ventspils für den Transport von Dieselkraftstoff nach Lettland – im Besitz der russischen Transneft und der lettischen Ventspils Nafta.

Die Sanktionen könnten zudem die Pipeline-Abschnitte der größeren Verkehrsinfrastruktur in Drittländern beeinträchtigen – auch wenn diese nicht direkt im Besitz von russischen Unternehmen sind. Dazu gehört die Transitgasinfrastruktur, die russisches Gas in alle ost- und mitteleuropäischen Länder bringt, sowie die Druzhba-Ölpipeline zwischen Polen, der Slowakei, der Tschechischen Republik und Ungarn.“

Die europäischen Firmen, die an Nord Stream 2 beteiligt sind, haben sich in öffentlichen Stellungnahmen zum US-Sanktions-Gesetz geäußert.

Engie verteidigt die Nord Stream 2-Pläne im Hinblick auf das Vorhaben der USA für verschärfte Sanktionen, da die Pipeline für die Energieversorgung der Region entscheidend sei, berichtet Bloomberg. Engie-Chefin Isabelle Kocher sagte, dass die USA „versuchen, ihr eigenes Gas in Europa zu bevorteilen“. „Ich denke nicht, dass die USA dieses Projekt stoppen können“, so Kocher. Die Europäer hätten das Recht, sich bei diesem Thema zu mobilisieren, weil Nord Stream 2 sich weder auf dem US-Territorium befindet noch in Dollar abgewickelt wird und auch keinerlei US-Akteure am Projekt beteiligt sind, zitiert die Financial Times Kocher. Die Einmischung der USA sei inakzeptabel.

Die Nachrichtenagentur Prime Business News Agency zitiert den UNIPER-Chef Klaus Schäfer: „Die vorgeschlagenen US-Sanktionen betreffen nicht nur Russland, sondern die in Europa und speziell in Deutschland ansässigen Unternehmen. Nord Stream 2 ist ein außergewöhnlich wichtiges Projekt im Hinblick auf die europäische Energiesicherheit und wird von den großen europäischen Energieversorgungsunternehmen, darunter Uniper, unterstützt. Es ist inakzeptabel, dass europäische Energiepolitik nun in den USA bestimmt wird und dass wir Europäer die Rechnung zugunsten der Sicherung von US-amerikanischen Arbeitsplätzen bezahlen müssen. Die Konsumenten und die Industrie befürchten nun höhere Preise und riesige Hindernisse bei der Gewährleistung einer zuverlässigen Energieversorgung nach Europa. Ich appelliere an alle Beteiligten, das Projekt nicht zu einem Pfand der globalen Politik zu machen, sondern die Frage der Energieversorgung in Europa den Europäern zu überlassen.“

„Es gibt nur einen Lieferanten, der die wachsende Nachfrage Europas decken kann: Russland. Wir haben als Unternehmen nicht die Aufgabe, den ukrainischen Haushalt zu konsolidieren. Die Milliarden an Transitgebühren, die Europa im vergangenen Jahrzehnt bezahlt hat, flossen unglücklicherweise überall hin – nur nicht in die Pipeline-Wartung“, zitiert der Spiegel Mario Mehren, Vorstandsvorsitzender von Wintershall.

Die Shell-Sprecherin Sally Donaldson sagte Fox Business News: „Jede Entscheidung, die wir im Rahmen unseres finanziellen Engagements – wie in diesem Fall – treffen, treffen wir im Interesse unserer kommerziellen Strategie, während wir uns an die anwendbaren Handelskontrollen und internationalen Sanktionen halten.“

Shell-Sprecher Curtis Smith sagte zuvor Bloomberg: „Wir werden auch weiterhin alle anwendbaren Gesetze einhalten – einschließlich der Handelskontrollen und Sanktionsbestimmungen. Wir glauben, dass dieses Gesetz, wenn es verabschiedet ist, dem Ziel zuwiderlaufen würde, internationale Märkte mit wettbewerbsfähigen Preisen und einem zuverlässigen Zugang zu Energie zu versorgen.“

Auch Verbände der deutschen Wirtschaft fürchten massive Beeinträchtigungen hiesiger Unternehmen durch die sich abzeichnenden schärferen US-Sanktionen gegen Russland. Der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Wolfgang Büchele, kritisierte am Dienstag, der Gesetzentwurf des US-Repräsentantenhauses drohe Energiekooperationen mit Russland zu gefährden. „Dass diese gewachsenen Strukturen nun untergraben werden sollen und dahinter erklärtermaßen eigene US-amerikanische Wirtschaftsinteressen stehen, muss auf den entschiedenen Widerstand der EU treffen“, forderte er. Ziel der neue US-Strafmaßnahmen sei es, die eigene Schiefergasindustrie auf Kosten der europäischen Konkurrenz zu fördern.

Die Befürchtungen der deutschen Wirtschaft, dass die US-Sanktionen auch Firmen in Europa treffen könnten, nähren sich aus der exterritorialen Wirkung der US-Bestrafungspläne. Dies bedeutet, dass auch Firmen aus dem Ausland mit Aktivitäten in den USA, die gegen diese Sanktionen verstoßen, in den USA mit Strafen rechnen müssen. Büchele hält diese Wirkungsweise nach eigenen Worten für falsch und völkerrechtlich fragwürdig. „Mit solchen Ansätzen entsteht eine Lawine des Protektionismus, die den freien Handel unter sich begräbt“, warnte er. Er forderte daher, es müsse vermieden werden, dass die US-Entscheidungen Auswirkungen auf europäische Firmen haben. „Gibt es dafür keine Garantie, sind entsprechende Gegenmaßnahmen der EU erforderlich.“

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