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Kreml: Russische Staatsbürger kämpfen als Freiwillige in Syrien

Lesezeit: 3 min
21.08.2017 00:31
Der Kreml betont, dass russische Staatsbürger, die in Syrien kämpfen, nicht von der Regierung entsandt wurden.
Kreml: Russische Staatsbürger kämpfen als Freiwillige in Syrien

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Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums kamen im aktuellen Jahr zehn russische Soldaten in Syrien ums Leben. Auf der Grundlage von Berichten von Familien und Freunden der Toten schätzt der englischsprachige Dienst von Reuters die tatsächliche Anzahl der Todesopfer unter russischen Soldaten und russischen Söldnern jedoch auf mindestens 40. Davon seien 21 russische Söldner und 17 reguläre Soldaten gewesen. Der Status der verbleibenden zwei Opfer sei unklar. Reuters berichtet, dass die Toten von mehr als nur einer Person bestätigt wurden.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow dementierte laut der staatlichen Nachrichtenagentur TASS nicht, dass russische Staatsbürger in Syrien kämpfen würden. Er sagte jedoch, dass es sich bei den privaten russischen Kämpfern in Syrien um „Freiwillige“ handeln würde. Doch das russische Verteidigungsministerium habe sie nicht nach Syrien entsendet. „Falls es russische Bürger in Syrien als Freiwillige und so weiter gibt, haben sie nichts mit dem Staat zu tun“, so Peskow.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte im Juni 2015 ein Dekret erlassen, wonach die russischen Todesopfer beim Militär in Friedenszeiten als Staatsgeheimnis behandelt werden. Drei Monate später erfolgte die Militärintervention in Syrien. Während der Kreml einige Todesangaben veröffentlicht hat, werde keine Gesamtzahl genannt, so Reuters. Russland habe bisher nicht offiziell zugegeben, dass private russische Söldnerfirmen in Syrien aktiv sind. Auf eine Nachfrage von Reuters, ob denn auch russische Söldner auftragsmäßig in Syrien kämpfen, wollte das russische Verteidigungsministerium nicht antworten.

Tatsächlich kämpfen Söldner aus vielen Nationen in Syrien, da der Krieg auf globaler Ebene wegen der angespannten Finanzlage in vielen Staaten quasi privatisiert wurde.

Russland hat Syrien bisher hauptsächlich mit seiner Luftwaffe unterstützt. Allerdings lässt die Höhe der russischen Todesopfer darauf schließen, dass Russen auch aktiv an Bodenoffensiven teilgenommen haben. Im Januar 2017 verloren die Russen nur an einem Tag sechs russische Söldner. Diese starben während der Gefechte gegen internationale Söldner. Die russischen Behörden haben darauf hingewiesen, dass im Verlauf eines Zeitraums von 15 Monaten zwischen 2015 und 2016 23 russische Soldaten gefallen seien. Doch den Recherchen von Reuters zufolge sollen sich die russischen Todesopfer auf 36 belaufen, da die Nachrichtenagentur auch private russische Söldner berücksichtigt hat.  Nach Aussagen von Igor Stelkow, ehemaliger Kommandeur der Rebellen in der Ost-Ukraine, sagte im Mai, dass russische Söldner gemeinsam mit der Hisbollah-Miliz in der Nähe der syrischen Stadt Homs gekämpft haben sollen.

Anfang Januar entsandte Moskau reguläre, tschetschenische Elite-Kämpfer von der Militärbasis Khalanka in der Nähe von Grosny nach Syrien. Die Kämpfer des tschetschenischen Präsidenten Ramzan Kadirow, der ein enger Verbündeter des russischen Präsidenten Wladimir Putin ist, sind besonders erfolgreich im Häuserkampf. Der Mufti von Tschetschenien, Mezhiev Salah, sagte dem oppositionellen russischen TV-Sender Doschd, dass die Tschetschenen die Aufgabe hätten, in Syrien die muslimische Bevölkerung zu beschützen.

Die Jamestown Foundation berichtete bereits im Jahr 2015, dass sich russische Söldner für den Kampfeinsatz in Syrien melden. Für seinen Syrienaufenthalt soll ein russischer Söldner durchschnittlich 2.000 Dollar im Monat erhalten. Dieser Betrag variiere und könne bis zu 4.000 Dollar ansteigen. Dies hänge davon ab, an welchen Gefechten der Söldner teilnimmt und wie intensiv diese Gefechte sind. Rekrutierungen von russischen Interessenten in die Ost-Ukraine oder nach Syrien konnten bis 2015 auch über die Webseite Dobrovolec.org erfolgen. Doch die Webseite wurde mittlerweile geschlossen. Die Rekrutierungen wurden weitgehend eingestellt.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte im Jahr 2011 den Einsatz von privaten Söldnerfirmen im Dienste Russlands unterstützt. „Diese Unternehmen bieten die Möglichkeit, die nationalen Interessen ohne die direkte Beteiligung des Staats durchzusetzen“, zitiert Il Caffè Geopolitico Putin.

Doch der Einsatz von Privat-Armeen setzt eine Reform des russischen Strafgesetzbuchs (StGB RF) voraus. Im Artikel 359 StGB RF befasst sich der russische Gesetzgeber mit dem „Söldnertum“.

So sind die Ausbildung, Anwerbung, Finanzierung oder andere materielle Unterstützung eines Söldners sowie das Nutzen seiner Dienste in einem bewaffneten Konflikt oder im Krieg strafbar, meldet die Zeitschrift Justitias Welt.

Der Gesetzgeber stuft das „Söldnertum“ als internationales Verbrechen ein. Der Artikel 359 StGB RF ist im Kapitel 34 des Strafgesetzbuchs angesiedelt. Dieser behandelt „Straftaten gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit.“

Die derzeit größte Privat-Armee in Russland ist FGUP Ochrana. Diese wurde 2005 vom Innenministerium ins Leben gerufen und hat mittlerweile mehr Befugnisse als reguläre Sicherheitskräfte. Mitbewerber auf dem Markt beklagen sich über die staatlichen Privilegien, die Ochrana genießt. Somit ist das „Söldnertum“ in Russland eine faktische Realität. Der Artikel 359 wurde scheinbar ohnehin ausgehebelt. Bekannte russische Söldnerfirmen sind die Moran Security Group und Slawen Corps. Sie übernehmen auch Beratungs- und Ausbildungsaufgaben in Abchasien, Südossetien, Nigeria, Tadschikistan, Sudan, Irak, Iran und am Golf von Guinea. Zum Kerngeschäft gehören unter anderem der Schutz von Ölanlagen und die Piraten-Bekämpfung. Der russische Energie-Riese Gazprom verfügt über einen Sicherheits-Apparat von 20.000 Personen.

Die Gesamtanzahl von privaten Sicherheitskräften in Russland liegt bei schätzungsweise 2,5 Millionen Personen. Damit gibt es in Russland mehr Personen, die bei privaten Militär- und Sicherheitsdiensten angestellt sind, als reguläre Soldaten. Das Gehaltsniveau eines Privat-Soldaten ist sechsmal höher als das Durchschnittsgehalt eines regulären russischen Soldaten, berichtet das Foreign Military Studies Office der U.S. Army. Es finden sich auch viele Veteranen des russischen Militärs in den Reihen der Privat-Armeen.

Das jährliche Gesamt-Auftragsvolumen von russischen Privat-Armeen beläuft sich auf sieben Milliarden US-Dollar. Durch die Expansion der Söldner-Industrie verspricht sich Moskau höhere Steuereinnahmen bei gleichzeitiger Umsetzung außenpolitischer Interessen.


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