Politik

Bayern München feuert Trainer Carlo Ancelotti

Der FC Bayern hat seinen Trainer Carlo Ancelotti gefeuert.
28.09.2017 16:55
Lesezeit: 4 min

Nur 17 Stunden nach der 0:3-Klatsche von Paris hat ein gedemütigter FC Bayern seinen Trainer Carlo Ancelotti vor die Tür gesetzt.

Der FC Bayern teilte dazu mit:

Als Folge einer internen Analyse nach der 0:3-Niederlage im Champions-League-Gruppenspiel bei Paris Saint-Germain hat der FC Bayern München Cheftrainer Carlo Ancelotti (58) freigestellt.

„Die Leistungen unserer Mannschaft seit Saisonbeginn entsprachen nicht den Erwartungen, die wir an sie stellen. Das Spiel in Paris hat deutlich gezeigt, dass wir Konsequenzen ziehen mussten. Das haben Hasan Salihamidžić und ich Carlo heute in einem offenen und seriösen Gespräch erklärt und ihm unsere Entscheidung mitgeteilt“, so Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München. „Ich darf mich bei Carlo für die Zusammenarbeit bedanken und bedauere die Entwicklung, die sie genommen hat. Carlo ist mein Freund und wird es bleiben, aber wir mussten hier eine professionelle Entscheidung im Sinne des FC Bayern treffen. Ich erwarte jetzt von der Mannschaft eine positive Entwicklung und absoluten Leistungswillen, damit wir unsere Ziele für diese Saison erreichen.“

Auch das italienische Betreuerteam von Carlo Ancelotti - Davide Ancelotti, Giovanni Mauri, Francesco Mauri und Mino Fulco - hat der FC Bayern München heute freigestellt. Die Trainingsleitung übernimmt bis auf weiteres Assistenz-Coach Willy Sagnol (40). Sagnol wird am Sonntag beim Spiel in Berlin als Interimstrainer auf der Bank sitzen.

Eine indiskutable Leistung in der Champions League bei Europas neuer Fußball-Größe Paris St. Germain und sonderbare Personalentscheidungen von Ancelotti hatten den Bossen an der Säbener Straße keine Wahl gelassen. Auch das italienische Betreuerteam um Ancelotti-Sohn Davide wurde freigestellt. Stattdessen übernimmt der bisherige Co-Trainer Willy Sagnol und wird das Team in der Bundesliga am Sonntag bei Hertha BSC betreuen, wie es hieß. In der unmittelbar nach Paris eingesetzten Nachfolge-Debatte fällt auch der Name Thomas Tuchel.

Ancelottis Zeit bei Bayern endete nach 15 Monaten mit einer historischen Pleite, nach der schnell Endzeitstimmung rund um den Trainer aufgekommen war. Mit stoischer Miene hatte der 58-Jährige, dessen Vertrag bis 2019 lief, in der Nacht den bedrohlichen Worten gelauscht, die sein Sitznachbar Rummenigge nach dem Zerfall des deutschen Meisters im Prinzenpark wählte.

«Ich denke, das, was wir heute Abend gesehen haben, war nicht Bayern München», sagte der Vorstandschef in seiner kurzen Ansprache beim vereinsinternen Bankett im Teamhotel. Die Stimmung am Vorstands- und Präsidiumstisch wirkte eisig.

Direkt nach dem 0:3 (0:2) gegen die Highspeed-Fußballer von Paris St. Germain um die sündhaft teuren und herausragenden Turbostürmer Neymar und Kylian Mbappé hatten die Münchner Bosse das Stadion bedrückt, verstört und auch sprachlos verlassen. Aber nach der höchsten Vorrundenniederlage in 21 Jahren Champions League wollte die Führung nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Dieser 27. September 2017 war ein Einschnitt, der ein «Weiter so» nicht mehr zuließ.

«Die Leistungen unserer Mannschaft seit Saisonbeginn entsprachen nicht den Erwartungen, die wir an sie stellen», machte Rummenigge deutlich und forderte: «Ich erwarte jetzt von der Mannschaft eine positive Entwicklung und absoluten Leistungswillen, damit wir unsere Ziele für diese Saison erreichen.» Der Gruppensieg in der Champions League ist nach dem 0:3 allerdings schon in weite Ferne gerückt.

Der Rauswurf von Ancelotti hatte sich bereits bei der Bankettrede angedeutet, als Rummenigge davon sprach, «auch in Klartextform Konsequenzen ziehen» zu müssen. Uli Hoeneß, der Präsident, der auch am Tisch saß und mit zusammengepressten Lippen zugehört hatte, nippte am Weißwein und klatschte wie die Mehrzahl der Zuhörer am Ende der Ansprache des Vorstandschefs in die Hände. Der innerlich aufgewühlte Bayern-Boss hatte mit einer klaren Ansage geendet: «Es ist wichtig, dass wir schnell nach diesem Spiel wieder die Kurve kriegen und uns als Bayern München präsentieren. Und dann eben auch zeigen, dass wir eine Mannschaft sind, die in den letzten Jahren in Europa und auch national für Furore gesorgt hat, und dass wir da wieder anschließen.»

Wer den taumelnden Bundesliga-Riesen nach der Interimsphase mit Sagnol zum Erfolg führen soll, war zunächst offen. Der einzige deutsche Trainer mit adäquatem Champions-League-Format, der aktuell keinen Verein betreut, scheint Ex-BVB-Coach Thomas Tuchel zu sein.

Ancelotti hatte mit seiner Aufstellung im bislang bedeutendsten Spiel der Saison für Verblüffung und auch Irritation gesorgt. Die größere Erfahrung hatte Rummenigge vor dem «Prestigespiel» als Vorteil des FC Bayern bezeichnet. Und dann saßen Weltmeister Mats Hummels und Franck Ribéry 90 Minuten auf der Bank. Arjen Robben wurde eingewechselt, als der Gruppengipfel nach Toren von Dani Alves (2.), Edinson Cavani (31.) und Neymar (63.) längst entschieden war. Jérome Boateng, auch ein Weltmeister, musste sogar von der Tribüne aus zuschauen.

«Ich bin jemand, der sehr viel über die Aufstellung nachdenkt. Ich bedaure nichts», sagte Ancelotti. Er verteidigte seine Rotation, die seine Stars bei Laune halten soll, aber Hummels, Robben, Ribéry und Co. vergraulte. Ancelotti rotierte sich damit selbst aus dem Verein.

«Es stimmt, dass mit Robben, Ribéry und Hummels viele gute Spieler auf der Bank waren. Aber ich habe in jedem Spiel gute Spieler auf der Bank. So ist es in Topclubs. Gute Spieler müssen auf die Bank, das ist mein Job», sagte Ancelotti. Das ließen die Bosse nicht weiter zu.

Ancelottis Matchplan scheiterte, begünstigt durch einen Fehlstart. «Das Gegentor nach einer Minute ist das schlimmste Szenario, das es gibt», stöhnte Robben. 222-Millionen-Euro-Mann Neymar, Mbappé und Cavani konnten anschließend ihre Konterstärke ausspielen. Bayern war defensiv nicht präsent, führungslos im Mittelfeld. 18:1 Ecken, die eine Scheinüberlegenheit suggerierten, verpufften wirkungslos.

Die Spieler um Kapitän Thomas Müller rangen nach der Abreibung um Worte oder verweigerten eine Stellungnahme wie der innerlich kochende Hummels. «Das glauben Sie nicht wirklich», sagte er auf die Bitte um einen Kommentar. «Die Niederlage kommt hart an, weil wir das so nicht gewohnt sind», sagte Robben. «Peinlich» und «schmerzhaft» nannte er das Erlebte. «Das ist meine neunte Saison hier, und das ist man nicht gewohnt.» Der Holländer meinte aber wohl nicht nur das Ergebnis.

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