Politik

Maas verspricht eine Milliarde Euro aus Steuergeldern für Syrien

Bundesaußenminister Maas will eine Milliarde Euro aus deutschen Steuergeldern wegen des Syrien-Kriegs auszahlen. An wen das Geld geht, ist unklar.
25.04.2018 11:52
Lesezeit: 3 min

Deutschland stellt eine Milliarde Euro zusätzlich „für die notleidenden Menschen in Syrien und für Kriegsflüchtlinge in den benachbarten Ländern“ bereit. Das gab Außenminister Heiko Maas laut dpa am Mittwoch bei seiner Ankunft in Brüssel bekannt, wo er an einer Geberkonferenz für Syrien teilnimmt. Weitere 300 Millionen Euro können nach Angaben des Auswärtigen Amts in der zweiten Jahreshälfte hinzukommen, wenn der Bundeshaushalt steht. Damit würde Deutschland dann insgesamt wieder auf dem Niveau der „Hilfszusagen“ aus dem Vorjahr liegen.

An wen die deutschen Steuergelder gehen, ist unklar. Ebenso unklar ist, wer die „benachbarten Länder“ sind, die Maas mit Zahlungen bedenken will. Die Türkei soll aus EU-Mitteln drei Milliarden für die Aufnahme von Flüchtlingen erhalten. Es herrscht allerdings Unklarheit über die Finanzierung, weil Deutschland, das den Deal durchgeboxt hatte, die EU-Töpfe anzapfen möchte. Auch andere Länder wollen nicht zahlen.

Deutschland hat seit Kriegsbeginn 2012 laut dpa 4,5 Milliarden Euro für Syrien bezahlt. Eine Überprüfbarkeit der ordnungsgemäßen Verwendung der deutschen Gelder ist schwierig, weil sich die Prioritäten der westlichen Alliierten in dem Krieg immer wieder verschoben haben. Auch ist nicht klar, welche Operationen in der von der dpa kolportierten Summe enthalten sind.

Eine Kleine Anfrage der Linkspartei an die Bundesregierung hatte kürzlich zu Tage gefördert, dass deutsche Steuergelder für politische und militante Gruppen in Syrien verwendet werden. So erhielt die „Nationalkoalition syrischer Revolutions- und Oppositionskräfte“ (ETILAF) 5,45 Millionen Euro. Auch in die unter der Kontrolle der zu al-Kaida gehörenden islamistischen Söldner-Truppe HTS fließen deutsche Steuergelder. Hier möchte die Bundesregierung jedoch aus „Gründen der Sicherheit der in Syrien tätigen Hilfsorganisationen und ihres Personals“ keine Angaben „über Details der einzelnen Projektmaßnahmen in Idlib“ machen. In Idlib werden aktuell tausende Söldner verschiedener Söldner-Milizen zusammengezogen. Es sind jene Kämpfer, die von der syrischen Armee und den Russen besiegt wurden und die nun in Idlib entweder auf ihre Weiterreise, etwa nach Europa, oder ihre weitere Verwendung in anderen Kampfgebieten warten.

Die Junge Welt berichtet, dass mit 12 Millionen Euro „Hilfsprojekte im Gesundheitssektor“ im heute von der Türkei besetzen Norden Syriens finanziert werden. Ein aus deutschen Steuergeldern finanziertes Krankenhaus in Bab al-Salam soll während des türkischen Angriffs auf Afrin von den mit der Türkei verbündeten Saudi-Söldnern der FSA genutzt worden sein.

Deutsche Steuergelder werden außerdem für den Aufbau von staatlichen Parallelstrukturen verwendet: So gingen fünf Millionen Euro an ein von Großbritannien koordiniertes Projekt zum Aufbau einer „Freien Syrischen Polizei“. Die als Konkurrenz zum syrischen Zivilschutz von den USA und Großbritannien gegründeten „Weißhelme“ werden ebenfalls mit deutschen Steuergeldern bedacht: Laut Auswärtigem Amt hat die Gruppe der „etwa 3.000 Freiwilligen“ bis 2016 für ihr „beeindruckendes Engagement“ sieben Millionen Euro erhalten.

Die „Hilfszahlungen“ dienen insgesamt nicht dem Aufbau der Wirtschaft in Syrien. Diese ist von den unverändert geltenden, strengen EU-Sanktionen schwer getroffen. Zivile Organisationen in Syrien, wie etwa die Kirchen, haben die Regierungen in Europa mehrfach ersucht, die Sanktionen aufzuheben, weil sie vor allem die Zivilbevölkerung massiv betreffen.

Anfrage der Linkspartei im Detail:

Die Bundestagsfraktion der Linkspartei wollte in einer Kleinen Anfrage in Erfahrung bringen, wie hoch die Finanzhilfen der Bundesregierung für die Nationalkoalition syrischer Revolutions- und Oppositionskräfte (ETILAF) ist.

Die Bundesregierung antwortete: "Durch die GIZ-Projekte ,Initiative zur Unterstützung des Friedensprozesses in Syrien, und ,Unterstützung der syrischen Opposition im Verhandlungs- und Transitionsprozess, wurden insgesamt 5,45 Millionen Euro für logistische Unterstützung und den Kapazitätsaufbau der Verhandlungsdelegation der syrischen Opposition zur Verfügung gestellt. Dies beinhaltet die Personal- und Verwaltungskosten der GIZ”." Im Jahr 2016 sollen etwa 2.472.360 Euro und im Jahr 2017 2.880.000 Euro an die ETILAF geflossen sein.

"Dies wurde ergänzt durch eine mit der EU ko-finanzierte Unterstützung des Büros der Oppositionsdelegation in Genf in Höhe von ca. 400 000 Euro im Jahre 2017, hiervon stammen 10 Prozent aus Mitteln der Bundesregierung", so die Bundesregierung.

Auf Nachfrage, ob die Bundesregierung ausschließen kann, dass die Gelder "dschihadistischen und terroristischen Gruppen zu Gute kommt", antwortete die Bundesregierung: "Die Bundesregierung hat Überprüfungsmechanismen geschaffen, um weitestmöglich sicherzustellen, dass keine Unterstützungsleistungen der Bundesregierung von den Vereinten Nationen gelisteten Gruppierungen in Syrien zukommen. Für die GIZ, die die in der Antwort zu Frage 7e genannten Vorhaben umsetzt, gehört der Abgleich von Leistungsempfängern mit Sanktionslisten der Vereinten Nationen zu den Standardmaßnahmen im Projektmanagement".

Die ETILAF habe sich auch deutlich von der Organisation Hayat Tahrir al-Scham (HTS), die der Nachfolger der Al-Nusra-Front ist, distanziert. „Nach Erkenntnissen der Bundesregierung findet ein Austausch zwischen Vertretern der ETILAF und Vertretern der bewaffneten Gruppen statt. Über Kontakte zu gelisteten terroristischen Gruppen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor”. Die Bundesregierung argumentiert: „So zitierte beispielsweise die Nationale Koalition zuletzt am 20. Januar 2018 auf ihrer Website den Vizepräsidenten der Nationalen Koalition, Abdul Rahman Mustafa, der der HTS die Begehung von Kriegsverbrechen vorwarf."

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