Politik

Regierung auf Crash-Kurs: Seehofer will Maaßen nicht entlassen

Die Regierungskrise spitzt sich zu: CSU-Chef Seehofer will dem Druck der SPD im Fall Maaßen nicht weichen.
23.09.2018 01:55
Lesezeit: 2 min

Die Regierungskrise hat sich am Samstag erneut zugespitzt. Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer stellte die von Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigte rasche Lösung überraschend in Frage und stellte sich ostentativ hinter den Präsidenten des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen.

Die SPD fordert mehr oder weniger ultimativ die Versetzung Maaßens in den Ruhestand, ohne dem Beamten eine alternative Berufsperspektive zu bieten.

Anlass der Krise ist die Aussage Maaßens, dass er an der Authentizität eines von der Antifa Zeckenbiss ins Internet gestellten Videos anzweifle. Bis heute ist nicht bekannt, wer hinter dieser Gruppe steht. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hatte Maaßen daraufhin als «Stichwortgeber für rechte Verschwörungstheoretiker» bezeichnet. Die Verwendung des Begriffs Verschwörungstheoretiker zielt in der Regel auf die gesellschaftliche und politische Ächtung einer Person oder einer Institution ab. Unter den etablierten Parteien war die Verwendung dieses Begriffes in Deutschland bisher nicht üblich.

Seehofer warf der SPD dem Bericht zufolge eine Kampagne gegen Maaßen vor und sprach diesem erneut sein Vertrauen aus: «Wir müssen Herrn Maaßen mit Anstand behandeln. Er ist ein hoch kompetenter und integrer Mitarbeiter. Er hat kein Dienstvergehen begangen.» Den Vorwurf, Maaßen sei «rechtslastig oder vertrete rechtsextremistische Positionen, weise ich mit allem Nachdruck zurück», sagte Seehofer.

Der Innenminister kündigte an: «Ich werde ihn deshalb auch nicht entlassen. Das mache ich nicht aus Trotz, sondern weil die Vorwürfe gegen ihn nicht zutreffen.» Er habe «eine Fürsorgepflicht für meine Mitarbeiter und entlasse sie nicht, weil die politische und öffentliche Stimmung gegen sie ist». Vor allem innerhalb der SPD war zuletzt gefordert worden, Maaßen in den Ruhestand zu versetzen. Am Samstag hatten die SPD-Forderungen auch die Entlassung Seehofers beinhaltet. Die Bundeskanzlerin könnte den Innenminister jederzeit entlassen.

Seehofer machte klar, dass er sich erst mit der SPD und Merkel an einen Tisch sitzen werde, wenn die SPD eine Lösung vorschlägt, der auch er zustimmen kann: «Wir werden an diesem Wochenende viele Telefonate führen müssen. Es wird erst ein Treffen der Parteivorsitzenden geben, wenn ich weiß, was die Forderungen der SPD sind und wie eine Einigung mit der Union funktionieren könnte», sagte Seehofer der Bild-Zeitung. «Es wird keine Zusammenkunft ohne ein vorheriges Lösungsszenario geben, das alle Beteiligten in der Zukunft mittragen.»

Die Spitzen der Koalition wollten am Sonntag eigentlich ihren Streit um die Zukunft von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen beilegen. Merkel hatte am Freitagabend angekündigt, im Laufe des Wochenendes eine «gemeinsame, tragfähige Lösung» finden zu wollen. Es wäre das dritte Spitzentreffen der drei Parteivorsitzenden zu Maaßen im Kanzleramt.

SPD-Chefin Andrea Nahles zeigte sich in der Bild zwar zuversichtlich, dass die Regierung nicht scheitert: «Die Regierung wird nicht an der Causa Maaßen scheitern», sagte Nahles. Sie schränkte allerdings ein, die Basis für eine Zusammenarbeit müsse gegenseitiges Vertrauen und Verlässlichkeit sein. «Wenn das nicht mehr gegeben ist, scheitert die Regierung», sagte Nahles. Rufe aus der SPD nach einem Austritt aus der großen Koalition wies Nahles strikt zurück: «Wir müssen die Gesamtlage betrachten: Überall rufen Rechtspopulisten zur Zerstörung der Europäischen Union auf. Unsere demokratische Ordnung ist von Feinden bedroht. Wir müssen jetzt Europa und unsere Demokratie verteidigen. In dieser Lage brauchen wir eine handlungsfähige Regierung und sollten die Geschicke des Landes nicht anderen überlassen.»

Für die Neuverhandlungen um Maaßens Zukunft stellte sie zwei Bedingungen: «Erstens muss es eine Lösung geben, die nicht das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen verletzt. Zweitens muss Vertrauen wiederhergestellt werden.» Eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand verlangte sie dem Blatt zufolge nicht explizit. Allerdings dürfte diese Forderung dem Wille einer deutlichen Mehrheit der führenden SPD-Funktionäre entsprechen, wie die diversen Wortmeldungen zeigen. Nahles hatte bereits mit ihrer Zustimmung zum ersten Kompromiss die Lage in ihrer eigenen Partei falsch eingeschätzt. Die SPD-Proteste hatten Nahles veranlasst, sich aus dem Kompromiss zu verabschieden und neue Gespräche zu fordern.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Immobilien
Immobilien Mietpreisbremse bleibt bestehen: Bundesjustizministerin Hubig kündigt Bußgeldregelung an
11.07.2025

Die Mietpreisbremse wird verlängert – doch ist das genug, um Mieter wirklich zu schützen? Während die Politik nachjustiert, plant das...

DWN
Politik
Politik Trump: Wir schicken Waffen, die NATO zahlt
11.07.2025

Erst Stopp, dann Freigabe: Trump entscheidet über Waffen für Kiew – und kündigt neue Schritte gegen Russland an. Bezahlen will er das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Shitstorm im Joballtag: Hate Speech am Arbeitsplatz explodiert – was Unternehmen jetzt tun müssen
11.07.2025

Hassrede hat den Mittelstand erreicht – von Social Media bis ins Kundengespräch. Wo endet Meinungsfreiheit, wo beginnt...

DWN
Politik
Politik Milliardenschwere Steuerentlastungen für Unternehmen: Bundesrat macht Weg frei für Wachstumspaket
11.07.2025

Deutschland steht wirtschaftlich unter Druck. Das Wachstumspaket der Bundesregierung soll neue Investitionen anregen und Unternehmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell im Plus: Zwischen Zollstreit, Zinspolitik und charttechnischer Entscheidung
11.07.2025

Der Goldpreis schwankt – zwischen geopolitischer Unsicherheit, robuster US-Wirtschaft und charttechnischen Signalen. Anleger fragen sich:...

DWN
Politik
Politik Generälin über Krieg mit Russland: Ist Lettland die Schwachstelle der NATO?
11.07.2025

NATO-Generälin Jette Albinus rechnet mit russischem Angriff auf Lettland. Der Einsatz wäre kein Afghanistanszenario – sondern ein Kampf...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Kurs unter Druck: Sorgen um US-Zölle dämpfen Rekordlaune
11.07.2025

Nach seinem Rekordhoch gerät der DAX-Kurs zum Wochenausklang unter Druck. Drohende Zölle aus den USA und schwache Unternehmensdaten...

DWN
Politik
Politik Zölle auf Wein? Deutsche Winzer blicken mit Sorge auf mögliche US-Zölle
11.07.2025

Strafzölle in Höhe von 200 Prozent auf Weinimporte aus der EU – mit diesem Szenario hatte US-Präsident Donald Trump noch im April...