Deutschland

„Was passiert, wenn künftig Millionen E-Autos zur Stoßzeit geladen werden sollen?“

Lesezeit: 2 min
30.05.2019 17:12
Angesichts der politischen Vorgaben und einer praktisch nicht existenten Ladestruktur für Elektroautos in Deutschland kommen Fragen nach der Belastbarkeit des Stromnetzes auf.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Derzeit lässt der Durchbruch der Elektromobilität auf sich warten. Aber was aber würde passieren, wenn in ein paar Jahren Millionen von E-Autos gleichzeitig geladen werden - halten das die bestehenden Stromnetze aus? Die Energiewirtschaft bereitet sich auf ein solches Szenario vor und sieht noch große Herausforderungen. Die größten: eine bessere Steuerung der Netze sowie ein wirksames Last- und Lademanagement, berichtet die dpa.

Die Auswirkungen auf die Strommenge seien nicht das Hauptproblem, sagte Stefan Kapferer, Chef des Branchenverbandes BDEW, am Dienstag in Berlin. Bei zehn Millionen E-Autos im Jahr 2030 würde der Bruttostromverbrauch angeblich um vier bis fünf Prozent zulegen. Dies sei machbar, weil das Stromsystem immer effizienter werde.

Derzeit ist die Zahl der E-Autos in Deutschland noch sehr überschaubar. In den kommenden Jahren aber kommen immer mehr Modelle auf den Markt. Bis zum Jahr 2030 sind Prognosen zufolge sieben bis zehn Millionen E-Autos nötig, um die von der Politik vorgegebenen Klimaziele im Verkehr erreichen zu können.

Auch ein Innogy-Sprecher sagte, die vorhandenen Netze könnten die zusätzliche Strommenge technisch verkraften. Problematischer sei, dass die Menschen ihre E-Autos vermutlich etwa zur gleichen Zeit laden wollen - zur klassischen Feierabendzeit. Viele Autobesitzer dürften nach der Arbeit, gegen 16.00 bis 18.00 Uhr, ihr Auto an die Steckdose schließen und die Nacht über voll aufladen wollen.

"Das wird zu einer erheblichen Lastspitze in den Abendstunden führen", sagte Eon-Vorstand Thomas König Anfang vergangener Woche bei der Vorstellung der Ergebnisse eines Stresstests. Abhilfe schaffen könne sogenanntes netzdienliches Laden: Eon versteht darunter zum Beispiel eine automatische Verschiebung der Nachfrage von Privatkunden in den Abend und die Nacht, ohne dass der Kunde es merke. Davon könnten sich Nutzer gegen Zusatzgebühr ausschließen lassen.

Dieses "intelligente Lademanagement" könnte bei Eon den Ausgabebedarf laut König um die Hälfte reduzieren. Dieser liegt bis 2045 bei 2,5 Milliarden Euro. Mit dem Energieberater Consentec hatte der Energieversorger berechnet, wie das eigene Netz ausgebaut werden müsste, wenn in den kommenden 25 Jahren sämtliche Pkw im Eon-Netzgebiet - rund 6,5 Millionen Wagen - einen Elektroantrieb hätten und entsprechend Strom bräuchten.

Für die Netzbetreiber sei vor allem das private Laden eine Herausforderung, sagte auch Martin Konermann, technischer Geschäftsführer der EnBW-Tochter BW, am Dienstag. Es gehe darum, die Netze bedarfsgerecht zu verstärken und mögliche Engpässe zu verhindern - wenn zum Beispiel in einer Straße viele Autobesitzer gleichzeitig ihre E-Autos laden wollen.

Ein Innogy-Sprecher nannte als Beispiel für eine intelligente Steuerung der Verteilnetze eine Ampelschaltung für öffentliche Ladepunkte: Dabei würden etwa Ladesäulen an einer Straße nacheinander freigeschaltet, statt gleichzeitig. Denn in der Regel stünden Autos länger an solchen Säulen, als der Ladevorgang dauere. Eine andere Möglichkeit könnte das "Smart Charging" sein. Dabei bekämen alle Nutzer bei einem Engpass etwas weniger Strom. Bei einem Überfluss bekämen alle so viel wie möglich.

Der Innogy-Sprecher bezeichnete den Ausbau der Netze für Elektromobilität als "Mammutaufgabe". Er sei aber beherrschbar, wenn er richtig gemacht werde. Das bedeute: klassischer Netzausbau in Kombination mit intelligenter Steuerung des Stromverbrauchs.

Eon sieht kein Risiko eines Blackouts des Stromnetzes, wie ihn Beobachter für Deutschland teilweise prognostizierten. Im Gegenteil: Ausgaben von 2,5 Milliarden Euro zusätzlich nennt König "überraschend niedrig". Jedes Jahr investiere Eon ohnehin rund eine Milliarde Euro in das Netz. Innerhalb der nächsten rund zehn Jahre decke das Bestandsnetz noch den Strombedarf von E-Autos.

Kapferer sagte, der Ausbau der erneuerbaren Energien müsse beschleunigt werden, damit der Strom für E-Autos möglichst grün sei. Derzeit liegt der Anteil bei gut 40 Prozent, Ziel sind 65 Prozent bis 2030. Vor allem aber beim Bau von Windkraftanlagen an Land gibt es zunehmende Proteste von Bürgerinitiativen.

Überhaupt bleibt abzuwarten, wie der zusätzliche Strombedarf für die Elektromobilität letztendlich generiert werden soll, wenn Deutschland wie geplant sowohl aus der Atom- als auch aus der Kohleenergie aussteigen will. Die regenerativen Energiequellen Windkraft und Solarenergie sind in ihrer Leistung volatil, im Bedarfsfall muss also Strom aus dem Ausland zugekauft werden.

 


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Ostsee-Kabelbruch: Reparaturarbeiten am Glasfaserkabel C-Lion1 gestartet
25.11.2024

Zwei Kommunikationskabel in der Ostsee wurden innerhalb kurzer Zeit beschädigt. Zufall oder Sabotage? Die Ermittlungen richten sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Kapitalmarktunion: EU-Sparer finanzieren US-Staatsschulden - Kapitalmarkt soll Investitionen freisetzen
25.11.2024

Der europäische Binnenmarkt gilt als großes Erfolgsmodell, doch die EU ist auf der Hälfte der Wegstrecke stecken geblieben. Vor allem im...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis-Prognose 2025: Nach Kurskorrektur zeigt sich der Goldpreis aktuell volatil - wohin geht die Reise?
25.11.2024

Der Goldpreis steht derzeit im Fokus von Anlegern und Edelmetallexperten. Gerade in unsicheren Zeiten wollen viele Investoren Gold kaufen,...

DWN
Panorama
Panorama DHL-Frachtflugzeug stürzt bei Vilnius ab – Tote und Verletzte
25.11.2024

Schrecklicher Absturz eines DHL-Frachtflugzeugs in der Nähe von Vilnius, Litauen. Mindestens eine Person ist ums Leben gekommen, drei...

DWN
Politik
Politik SPD will K-Frage mit Scholz-Nominierung abschließen
25.11.2024

Die SPD zieht einen Schlussstrich unter die K-Frage: Olaf Scholz wird erneut als Kanzlerkandidat nominiert, nachdem Boris Pistorius auf...

DWN
Politik
Politik Abwärts für Wagenknecht und Mohamed Ali: Warum das BSW plötzlich schwächelt
25.11.2024

Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat im ersten Jahr sensationelle Erfolge gefeiert. In Thüringen und Brandenburg sitzt das BSW bald auf der...

DWN
Technologie
Technologie Energiewende Deutschland: "Die Industrie braucht einen klaren Kurs"
25.11.2024

Die Energiewende Deutschland bringt keine Klarheit für die Industrie, Investitionen in die Infrastruktur wurden versäumt. Doch wie...

DWN
Politik
Politik Flüchtlingswellen und Wirtschaftskrisen: Was ein Zerfall der Levante für Deutschland bedeuten würde
24.11.2024

Die Levante könnte sich zur Achillesferse Europas entwickeln, wenn sich der schwelende Konflikt zwischen Israel und Iran zu einem...