Derzeit lässt der Durchbruch der Elektromobilität auf sich warten. Aber was aber würde passieren, wenn in ein paar Jahren Millionen von E-Autos gleichzeitig geladen werden - halten das die bestehenden Stromnetze aus? Die Energiewirtschaft bereitet sich auf ein solches Szenario vor und sieht noch große Herausforderungen. Die größten: eine bessere Steuerung der Netze sowie ein wirksames Last- und Lademanagement, berichtet die dpa.
Die Auswirkungen auf die Strommenge seien nicht das Hauptproblem, sagte Stefan Kapferer, Chef des Branchenverbandes BDEW, am Dienstag in Berlin. Bei zehn Millionen E-Autos im Jahr 2030 würde der Bruttostromverbrauch angeblich um vier bis fünf Prozent zulegen. Dies sei machbar, weil das Stromsystem immer effizienter werde.
Derzeit ist die Zahl der E-Autos in Deutschland noch sehr überschaubar. In den kommenden Jahren aber kommen immer mehr Modelle auf den Markt. Bis zum Jahr 2030 sind Prognosen zufolge sieben bis zehn Millionen E-Autos nötig, um die von der Politik vorgegebenen Klimaziele im Verkehr erreichen zu können.
Auch ein Innogy-Sprecher sagte, die vorhandenen Netze könnten die zusätzliche Strommenge technisch verkraften. Problematischer sei, dass die Menschen ihre E-Autos vermutlich etwa zur gleichen Zeit laden wollen - zur klassischen Feierabendzeit. Viele Autobesitzer dürften nach der Arbeit, gegen 16.00 bis 18.00 Uhr, ihr Auto an die Steckdose schließen und die Nacht über voll aufladen wollen.
"Das wird zu einer erheblichen Lastspitze in den Abendstunden führen", sagte Eon-Vorstand Thomas König Anfang vergangener Woche bei der Vorstellung der Ergebnisse eines Stresstests. Abhilfe schaffen könne sogenanntes netzdienliches Laden: Eon versteht darunter zum Beispiel eine automatische Verschiebung der Nachfrage von Privatkunden in den Abend und die Nacht, ohne dass der Kunde es merke. Davon könnten sich Nutzer gegen Zusatzgebühr ausschließen lassen.
Dieses "intelligente Lademanagement" könnte bei Eon den Ausgabebedarf laut König um die Hälfte reduzieren. Dieser liegt bis 2045 bei 2,5 Milliarden Euro. Mit dem Energieberater Consentec hatte der Energieversorger berechnet, wie das eigene Netz ausgebaut werden müsste, wenn in den kommenden 25 Jahren sämtliche Pkw im Eon-Netzgebiet - rund 6,5 Millionen Wagen - einen Elektroantrieb hätten und entsprechend Strom bräuchten.
Für die Netzbetreiber sei vor allem das private Laden eine Herausforderung, sagte auch Martin Konermann, technischer Geschäftsführer der EnBW-Tochter BW, am Dienstag. Es gehe darum, die Netze bedarfsgerecht zu verstärken und mögliche Engpässe zu verhindern - wenn zum Beispiel in einer Straße viele Autobesitzer gleichzeitig ihre E-Autos laden wollen.
Ein Innogy-Sprecher nannte als Beispiel für eine intelligente Steuerung der Verteilnetze eine Ampelschaltung für öffentliche Ladepunkte: Dabei würden etwa Ladesäulen an einer Straße nacheinander freigeschaltet, statt gleichzeitig. Denn in der Regel stünden Autos länger an solchen Säulen, als der Ladevorgang dauere. Eine andere Möglichkeit könnte das "Smart Charging" sein. Dabei bekämen alle Nutzer bei einem Engpass etwas weniger Strom. Bei einem Überfluss bekämen alle so viel wie möglich.
Der Innogy-Sprecher bezeichnete den Ausbau der Netze für Elektromobilität als "Mammutaufgabe". Er sei aber beherrschbar, wenn er richtig gemacht werde. Das bedeute: klassischer Netzausbau in Kombination mit intelligenter Steuerung des Stromverbrauchs.
Eon sieht kein Risiko eines Blackouts des Stromnetzes, wie ihn Beobachter für Deutschland teilweise prognostizierten. Im Gegenteil: Ausgaben von 2,5 Milliarden Euro zusätzlich nennt König "überraschend niedrig". Jedes Jahr investiere Eon ohnehin rund eine Milliarde Euro in das Netz. Innerhalb der nächsten rund zehn Jahre decke das Bestandsnetz noch den Strombedarf von E-Autos.
Kapferer sagte, der Ausbau der erneuerbaren Energien müsse beschleunigt werden, damit der Strom für E-Autos möglichst grün sei. Derzeit liegt der Anteil bei gut 40 Prozent, Ziel sind 65 Prozent bis 2030. Vor allem aber beim Bau von Windkraftanlagen an Land gibt es zunehmende Proteste von Bürgerinitiativen.
Überhaupt bleibt abzuwarten, wie der zusätzliche Strombedarf für die Elektromobilität letztendlich generiert werden soll, wenn Deutschland wie geplant sowohl aus der Atom- als auch aus der Kohleenergie aussteigen will. Die regenerativen Energiequellen Windkraft und Solarenergie sind in ihrer Leistung volatil, im Bedarfsfall muss also Strom aus dem Ausland zugekauft werden.