Politik

US-Politologin: "Massenflucht wird als Waffe gegen Aufnahmeländer eingesetzt"

Die Harvard-Forscherin Kelly Greenhill ist der Ansicht, dass große Flüchtlingsströme bewusst verursacht werden, um sie als „unkonventionelle Waffen“ gegen die Zielländer einzusetzen. Dabei betrachtet sie die Flüchtlinge als Schachfiguren.
03.08.2019 17:09
Lesezeit: 2 min
US-Politologin: "Massenflucht wird als Waffe gegen Aufnahmeländer eingesetzt"
Auf der Balkanroute befinden sich erneut viele Flüchtlinge. (Grafik: IOM)

Die US-Politologin Kelly Greenhill von der Harvard-Universität versucht in ihrer Studie „Weapons of Mass Migration“ nachzuweisen, dass Massenflucht und Massenmigration aus geopolitischen Gründen als „unkonventionelle Waffen“ gegen die Aufnahmeländer der Flüchtlinge genutzt werden können. Über Greenhills wissenschaftliche Ergebnisse hatten bereits die Washington Post und die New York Times berichtet.

Greenhill beschreibt in ihrer Studie, warum insbesondere Demokratien anfällig sind für derartige destruktive Methoden der Kriegsführung und Destabilisierung. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass in diesem Fall die Flüchtlinge nicht die Täter, sondern die Opfer des gesamten Prozesses sind.

Greenhill spricht von „Zwangs-Migrationen“, die durch Manipulationen ausgelöst werden. Diese absichtlich erzeugten grenzüberschreitenden Bevölkerungsbewegungen dienen laut der Wissenschaftlerin dazu, politische oder wirtschaftliche Zugeständnisse von den Ziel-Staaten zu erringen. Demnach sollen seit dem Jahr 1951 über 40 ethnische oder soziale Gruppen entwurzelt worden sein, um als Schachfiguren gegen die Ziel-Staaten eingesetzt zu werden. In den vergangenen 64 Jahren habe es mindestens 56 Versuche der „Zwangs-Migration“ gegeben. 

Massenmigration kann durch drei Gruppen verursacht werden: Zum einen gibt es die übergeordneten Erzeuger der Umstände, die zur Massenmigration führen. Diese werden erst dann Ruhe geben, wenn sie dem Zielland politische Konzessionen abgejagt haben. Weiterhin gibt es die Agent Provocateurs, die selbst keine Bevölkerungswanderungen auslösen, aber diese Wanderungen durch ihre Aktionen verstärken können. Die letzte Gruppe besteht aus reinen Opportunisten, die versuchen, Profit aus Flüchtlings-Krisen zu ziehen.

Doch es muss nicht immer dazu kommen, dass der Initiator der Flüchtlings-Krise dem Zielland seinen Willen aufzwingt. Denn manchmal verliert er die Kontrolle über die Kanalisierung der Migrationsströme. Große Menschengruppen, die sich außerhalb ihrer Herkunftsländer befinden, sind nämlich in der Lage, autonom zu handeln und in andere geographische Richtungen abzudrehen. Das Risiko für unbeabsichtigte Folgen, die sich auch negativ auf den Initiator der Krise auswirken können, ist hoch. 

So wurde im Jahr 1954 der Katholik Ngô Đình Diệm zum Premier Südvietnams ernannt. Etwa 90 Prozent der Südvietnamesen waren Buddhisten. Die USA wollten die Regierung des pro-amerikanischen Premiers festigen und gleichzeitig eine Wiedervereinigung Nord- und Südvietnams verhindern.  Der US-Geheimdienst CIA initiierte eine Massenflucht von über 880.000 katholischen Nordvietnamesen nach Südvietnam. Diệm wollte die Staatsposten künftig mit Katholiken besetzen, um ein pro-westliches Regime zu errichten. Doch dieser Plan ging nicht auf. Die Masseneinwanderung von Katholiken löste in Vietnam große Sorgen unter den Buddhisten aus, da sich ihre Situation verschlechterte und die wirtschaftliche Existenz der Menschen gefährdet war. Es kam zu Aufständen und das Land versank im Chaos. Diệm wurde im Jahr 1963 ermordet. 

Die Initiatoren von Massenfluchtbewegungen nutzen eine Reihe von überlappenden Mechanismen, um die Entscheidungsfindung des Ziellands zu manipulieren:

  • Erstens wird das Verhältnis zwischen der Regierung und ihren größten Unterstützern nachhaltig gestört. Dies nennt sich  Machtbasis-Erosion.
  • Zweitens wird die Unzufriedenheit der Bevölkerungsmassen mit der eigenen Regierung gefördert, um Unruhen zu schaffen.
  • Drittens wird die persönliche Sicherheit der Regierungsmitglieder in Gefahr gebracht.
  • Viertens kommen alle verbleibenden Instrumente zum Einsatz, um das Zielland zu destabilisieren.
  • Fünftens bleibt die Alternative der militärischen Aggression, um die Regierung des Ziellands auf Linie zu bringen.

Besonders bemerkenswert ist, dass Greenhill zwei Methoden nennt, die dazu dienen, die Integration der Flüchtlinge oder/und Einwanderer zu verhindern. Zum einen lässt sich medial die Botschaft verbreiten, dass durch die Massenaufnahme von Menschen alle Kapazitäten überfordert werden. Im gleichen Zug wird – unabhängig von den tatsächlichen Kapazitäten – der Wille der Bevölkerung zur Akzeptanz der Neuankömmlinge durch „politische Agitation“ zerstört. 

In diesen Fällen kann ein Land – auch wenn es über die größten Kapazitäten und Möglichkeiten verfügt – niemals Flüchtlinge oder/und Einwanderer integrieren. Das wiederum schafft langfristige Probleme, die ausgebeutet werden können.

Die US-Politologin zitiert einen anonymen Beobachter aus dem Deutschland der 1980er Jahre. „Da die West-Deutschen wütend sind und damit beginnen, unhöfliche Dinge über all diese ,schwarzen und braunen Scheinasylanten‘ zu sagen, ist es möglich, Deutschland als ,rassistisch‘ zu brandmarken. Damit ist es möglich, Deutschland in die Enge zu treiben und dem Land Konzessionen abzuverlangen. Und genau das ist die eigentliche Absicht.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt „We don’t believe in Outsourcing“ – Klöber zeigt, wie Produktion in Deutschland wieder gelingt
18.04.2025

Sitzen, aber richtig: Der Büromöbelhersteller aus Owingen setzt auf Inhouse-Produktion, recycelte Materialien und digitale Innovation –...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 und die Illusion von sicheren, langfristigen Renditen
18.04.2025

Der amerikanische Aktienmarkt befindet sich in turbulenten Zeiten. Angesichts der unvorhersehbaren Handelspolitik von Präsident Donald...

DWN
Finanzen
Finanzen Wertvoller Schmuck im Fokus: So sichern Sie Ihre teuren Schmuckstücke ab
18.04.2025

Die Absicherung wertvoller Schmuckstücke wird immer wichtiger – Hausrat reicht oft nicht aus. Experten raten zu gezieltem...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnen in Dänemark: Wie Sie mit etwas Hygge ein Haus günstig kaufen können
18.04.2025

Nachdem es 2023 und 2024 in Deutschland zum ersten Mal seit 2013 spürbare Wertverluste auf dem Immobilienmarkt gab, kündigten Experten...

DWN
Finanzen
Finanzen USA: Staatsverschuldung erreicht 36,6 Billionen Dollar – wer sind die Gläubiger?
18.04.2025

Die Staatsverschuldung der Vereinigten Staaten hat mit 36,6 Billionen Dollar einen neuen Höchststand erreicht und wächst in den letzten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Online-Handel unter Druck: Steigende Erwartungen, weniger Spielraum für Fehler
18.04.2025

Der digitale Handel erlebt 2025 einen Wendepunkt: Kunden erwarten Perfektion, während lokale Anbieter ums Überleben im globalen...

DWN
Panorama
Panorama Nach Corona: Aufwärtstrend bei Amateurmusik - Deutsche musizieren wieder
18.04.2025

Den Flohwalzer klimpern, ein Liebeslied singen, auf der Gitarre schrammeln – Hobbymusik hat viele Facetten. Doch wie viele Menschen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Blick aus China: Die USA haben an Bedeutung verloren, Zölle beeinträchtigen die Lieferketten nicht
18.04.2025

Die Bedeutung des US-Marktes für China habe in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen und mache heute nur noch 14 Prozent der...