Finanzen

Globale Inflation beschleunigt Geldentwertung in Europa

Lesezeit: 2 min
12.01.2017 08:25
Die Inflation in der Euro-Zone ist höher als offiziell angegeben. Die Entwicklungen in China könnten zu einem weiteren Anstieg führen, auf den die EZB unzureichend vorbereitet ist.
Globale Inflation beschleunigt Geldentwertung in Europa

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die offiziellen Teuerungsraten bilden die in der Eurozone herrschende Inflation nur sehr ungenau ab, sagt der Finanzexperte Michael Bernegger den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Die Zusammenstellung des fiktiven Warenkorbes, mit dem Preissteigerungen gemessen werden, sei mangelhaft. Das Gewicht der Energiepreise sei viel zu hoch angesetzt, wohingegen wichtige Komponenten wie die Kosten für Wohneigentum in dem Warenkorb fehlten, bemängelt Bernegger. Diese Kosten sind jedoch gewichtig – sie repräsentieren in Deutschland etwa 15 Prozent aller Dienstleistungsausgaben, in anderen Ländern Europas mehr als 20 Prozent.

Man kann deshalb davon ausgehen, dass die tatsächlichen Inflationsraten in der Eurozone höher sind, als offiziell verkündet. Insbesondere der Verfall der Erdölpreise hatte in den vergangenen beiden Jahren dazu geführt, dass die offiziellen Zahlen aufgrund der Schwäche der Ölpreise zu niedrig ausfielen – mit negativen Konsequenzen für die Sparer.

Der Europäischen Zentralbank wurden so die notwendigen Argumentationshilfen geliefert, um ihre ultraexpansive Geldpolitik zugunsten der Staaten und auf Kosten von Sparern, Versicherungen, Stiftungen und auch Banken fortzusetzen und in der Öffentlichkeit zu begründen. Während die Staaten von den guten Finanzierungsbedingungen an den Kapitalmärkten profitieren, können Anleger, Sparer, Banken, Rentenfonds und Versicherungen aufgrund des tiefen Zinsniveaus nur noch mit Mühe überhaupt Renditen erzielen.

„Die Nullzinspolitik bei steigender Inflation ist verheerend für den deutschen Sparer“, bekräftigte etwa Bayerns Finanzminister Markus Söder. Fachleute gehen aber davon aus, dass die Währungshüter ihren Kurs mit sehr niedrigen Zinsen zunächst fortsetzen. Denn die sogenannte Kerninflation – bereinigt um die oft schwankenden Preise von Energie und Nahrungsmitteln – wird wohl aufgrund der Ausklammerung der steigenden Kosten für Wohneigentum und Miete niedrig bleiben. Die Sparer in der Eurozone werden deshalb auch weiterhin unter einer in Wahrheit höheren Inflation bei gleichbleibend expansiver Geldpolitik der EZB leiden.

Da die Europäische Zentralbank ihre Geldpolitik an ungenauen Daten ausrichtet, schätzt sie die inflationäre Entwicklung in Europa und der Welt tendenziell falsch ein.

Dabei deutet sich auf den Weltmärkten eine Trendwende an. Die Produzentenpreise waren in China im Dezember mit 5,5 Prozent im Jahresvergleich so stark gestiegen wie seit 2011 nicht mehr. Es war zudem der vierte Monat in Folge, in dem die Preise stiegen, während sie seit Anfang 2012 jeden Monat gesunken waren. Verglichen mit 2015 kosteten viele Industrierohstoffe im vergangenen Jahr deutlich mehr und der deflationäre wich einem inflationären Druck, berichtet Wolfstreet.

Da China der mit Abstand wichtigste globale Exporteur ist, könnte sich der Trend steigender Preise auch auf die Preisentwicklung in Deutschland und Europa auswirken. „Der Anstieg der Produzentenpreise verstärkt den ohnehin bestehenden Preisdruck in chinesischen Firmen, der etwa von steigenden Löhnen herrührt. All das erhöht die Erzeugerkosten. Weil die Margen von unten her unter Druck geraten werden die Produzenten versuchen, die höheren Kosten als höhere Preise an die globalen Wertschöpfungsketten weiterzugeben. Und wenn sie das schaffen, werden sie Inflation in den Rest der Welt exportieren. Und das könnte einen fundamentalen Wandel darstellen“, schreibt Wolf Richter von Wolfstreet.

Die offizielle Inflation in Deutschland stieg zum Jahreswechsel auf den höchsten Stand seit Juli 2013. Waren und Dienstleistungen kosteten im Dezember im Schnitt 1,7 Prozent mehr als vor einem Jahr, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Politik
Politik Deutsch-australische Rüstungskooperation: Mehr als Boote und Panzer?
05.05.2024

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock befürwortet eine engere Rüstungskooperation zwischen Deutschland und Australien, da sie betont,...

DWN
Immobilien
Immobilien Die Grunderwerbssteuer: Was Sie unbedingt wissen sollten!
05.05.2024

Jeder, der in Deutschland ein Grundstück erwerben will, zahlt darauf Steuern. Vorne mit dabei: Die Grund- und Grunderwerbssteuer. Doch was...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Eli Lilly, Merck und Biontech: Deutschland behauptet sich als Pharma-Standort
05.05.2024

Mehr als 250.000 Beschäftigte sind in Deutschland allein in der Pharma-Industrie beschäftigt. Dass die Branche auch in naher Zukunft...

DWN
Finanzen
Finanzen Dispozinsen: Wie sie funktionieren und wie man sie vermeidet
05.05.2024

Dispozinsen können eine teure Überraschung für Bankkunden sein, die ihr Konto überziehen. Dieser Artikel erklärt, wie Dispozinsen...

DWN
Technologie
Technologie EU-China-Beziehung: Droht ein Handelskrieg um Elektroautos?
05.05.2024

Vor Xi Jinpings Besuch in Paris bekräftigt Deutschland seine Haltung im EU-China-Streit um E-Autos. Doch wie wird die EU reagieren?

DWN
Unternehmen
Unternehmen Europameisterschaft 2024 am Arbeitsplatz streamen: Wie weit geht Arbeitgeber-Toleranz?
05.05.2024

Die Spiele der Europameisterschaft 2024 finden zu Zeiten statt, die nicht ideal für Arbeitnehmer sind. Einige Spiele starten bereits um 15...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Handwerksbetriebe in Not: Geschäftslage trübt sich ein
05.05.2024

Die aktuelle Lage im Handwerk bleibt düster, mit einer spürbaren Verschlechterung der Geschäftslage im ersten Quartal 2024 aufgrund...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Eine Welt ohne Europa?
04.05.2024

Der Krieg in der Ukraine und die Spannungen im Nahen Osten gefährden die Zukunftsfähigkeit der EU. Nun steht sie an einem Scheideweg:...