Finanzen

Schulden explodieren: USA droht die Zahlungsunfähigkeit

Lesezeit: 4 min
27.02.2017 23:57
Die Staatsschulden der USA nähern sich der Marke von 20 Billionen Dollar und damit einer festgelegten Obergrenze. Spätestens im Sommer droht die Zahlungsunfähigkeit. Donald Trumps Militär-Fantasien sind im Grunde nicht finanzierbar.
Schulden explodieren: USA droht die Zahlungsunfähigkeit

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Schulden der USA nähern sich der Marke von 20 Billionen Dollar und damit einer ab dem 15. März gültigen Defizit-Obergrenze. Dadurch könnte es bereits in wenigen Monaten zu einer schweren Haushaltskrise kommen. Der ehemalige Haushaltschef von Präsident Ronald Reagan, David Stockman, erwartet die Zahlungsunfähigkeit des amerikanischen Finanzministeriums im Sommer, wie er in einem Interview mit der Finanz-Plattform USAwatchdog.com sagte.

„Ich denke, was die Leute zu wenig beachten ist dieses Datum – der 15. März 2017. Dieses markiert das Ende des Schulden-Aufschubes, welchen der damalige Präsident Barack Obama und der damalige Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, im Oktober 2015 ausgehandelt hatten. Dieser Aufschub läuft ab. Die Defizitgrenze wird bei 20 Billionen eingefroren. Es wird dann zu einem Gesetz. Es wird ein Totalstopp werden“, sagte Stockman.

Stockman zufolge werde das Erreichen der Defizitgrenze die USA in eine Schuldenkrise führen. Dem Finanzministerium werde das Geld ausgehen, weil es keine neuen Schulden zur Rückzahlung alter Verbindlichkeiten mehr machen könne. „Das Finanzministerium hat ungefähr 200 Milliarden Dollar als liquide Mittel. Wir verbrauchen jeden Monat jedoch etwa 75 Milliarden Dollar. Bis zum Sommer werden sie kein Geld mehr haben. Dann werden wir die ‚Mutter aller Defizitkrisen‘ erleben. Alles wird zum Stehen kommen. Ich erwarte, dass es zur vorübergehenden Schließung der öffentlichen Institutionen kommen wird. Es wird keinen Ersatz für Obama Care geben. Es wird keine Steuersenkungen geben. Es wird keine Infrastrukturinvestitionen geben. Das einzige, was wir bekommen, wird ein gigantisches Blutbad im Staatshaushalt sein. Die Defizitgrenze muss dann weiter erhöht werden, aber niemand wird dafür stimmen wollen.“

Stockman betont, dass sich die gegenwärtig noch zu beobachtende Rally an den amerikanischen Aktienmärkten nicht mehr lange fortsetzen lassen könne. Zudem hätten falsche Weichenstellungen der Vorgängerregierungen dazu geführt, dass Trump kaum noch Handlungsfreiräume habe. „Die Vorstellung einer Fortsetzung des Aufschwungs bei Aktien wird nicht geschehen. Das ist illusionär. Dies ist die größte ‚Falsch-Rally‘ aller Zeiten. Sie basiert ausschließlich auf ‚Hopium‘ (Wortschöpfung aus Opium und Hoffnung – die Redaktion) und überhaupt nicht auf einer soliden Analyse der Voraussetzungen für grundlegende Steuersenkungen. Donald Trump ist in der Falle. Heute betragen die Schulden 20 Billionen Dollar. Das sind 106 Prozent bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt. Trump erbt ein vorprogrammiertes Defizit von zusätzlichen 10 Billionen Dollar über die nächsten zehn Jahre wegen der gegenwärtigen Programme. Trotzdem will er die Steuern für Unternehmen und Bürger senken. Er will auch mehr Geld für den Grenzschutz und die Sicherheitsbehörden ausgeben. Er wird mehr für die Veteranen tun. Er will dieses umfangreiche Infrastrukturprogramm. Wenn man sich das alles ansieht, dann ist das einfach verrückt.“

Die Schulden der US-Bundesregierung betragen derzeit etwa 19.979 Billionen Dollar. Die Gesamtschulden bestehend aus den Schulden der Bundesregierung, der Bundesstaaten, der Kommunen, der Haushalte und Finanzinstitutionen hingegen fast 67 Billionen Dollar. Seit dem Jahr 2000 haben diese um über 160 Prozent zugenommen. In den letzten 40 Jahren sind die Schulden in den USA um den Faktor 27 angestiegen. Mit derzeit rund 67 Billionen Dollar tragen die USA mehr als ein Viertel der weltweiten Schuldenlast. Diese wird vom Wall Street Journal auf 223 Billionen Dollar beziffert.

Besonders während der Amtszeit von Präsident Barack Obama kam es zu einer massiven Aufnahme neuer Schulden in der Größenordnung von fast 10 Billionen Dollar. Damit wurden unter Obama etwa so viel neue Schulden aufgenommen, wie unter den vor ihm regierenden 43 US-Präsidenten zusammen.

Die ausufernden Schuldenstände könnten auch ein Grund dafür sein, warum sich immer mehr ausländische Geldgeber von amerikanischen Staatsanleihen trennen. Ende 2016 betrug der Anteil ausländischer Gläubiger erstmals seit dem Krisenjahr 2009 weniger als 30 Prozent, wie der Leiter der Anleiheabteilung bei der Baader Bank berichtet.

Bedenklich ist, dass sich auch die Privathaushalte in den vergangenen Jahren stark verschuldet haben, insbesondere durch Kreditkartenschulden und Schulden für Autokredite und Studentenkredite. Die gesamten Kreditkartenschulden der Amerikaner liegen zwischen 700 Milliarden Dollar und einer Billion Dollar – dazu gibt es unterschiedliche Angaben.  Die Kreditvergabe über Kreditkarten zählt mit Renditen zwischen 12 Prozent und 14 Prozent zu den letzten wirklich rentablen Geschäftsbereichen der US-Bankenindustrie, entsprechend aggressiv sind Banken in den vergangenen Jahren auf Kundenfang gegangen.

Weil rund 70 Prozent der US-amerikanischen Wirtschaftsleistung vom Binnenkonsum generiert wird, wirkt sich die massive Verschuldung zunehmend auch negativ auf das Wirtschaftswachstum insgesamt aus.

US-Präsident Donald Trump verkündet noch, dass er die US-Armee massiv aufrüsten will: Der Republikaner wolle den Haushalt des Verteidigungsministeriums um 54 Milliarden Dollar erhöhen, verlautete am Montag aus dem Weißen Haus. Im Gegenzug sollten andere Bundesbehörden wie das Außenministerium oder das Umweltamt EPA Kürzungen verkraften. Dies gehe aus dem ersten Haushaltsentwurf für den Kongress vor, sagte ein Insider. Trump will am Dienstag vor beiden Parlamentskammern seine mit Spannung erwartete Rede erhalten. Im Hinblick auf die Rüstungsausgaben sprach er bereits am Montag von einer "historischen Erhöhung".

Die USA haben mit jährlich knapp 600 Milliarden Dollar mit großem Abstand die höchsten Rüstungsausgaben der Welt. Deutschland gibt dagegen 37 Milliarden Euro (39 Milliarden Dollar) aus. Vor dem Hintergrund der drohenden Zahlungskrise wird klar, dass die Forderung der USA an die Nato-Partner vor allem der Tatsache geschuldet ist, dass die größte Militärmacht der Welt selbst unter Druck steht. Tatsächlich sind die Militär-Fantasien nicht finanzierbar - außer mit einem Total-Umbau der US-Administration, welche aber auch nicht so schnell umgesetzt werden kann, um den Defizit-Schlag zu verdauen.

Bei einem Treffen mit Gouverneuren von Bundesstaaten sagte Trump am Montag, im Mittelpunkt des Haushaltes stehe die Sicherheit. Die "ausgelaugte Armee" brauche eine Finanzspritze. Wie das Geld angelegt wird, soll Regierungskreisen zufolge das Verteidigungsministerium entscheiden, das unter der Leitung des Ex-Generals Jim Mattis steht. Dieser ist ein erklärter Anhänger der Nato und auf beiden Seiten des Atlantiks angesehen. Ein Insider sagte, Trump wolle mit dem zusätzlichen Geld mehr Schiffe und Flugzeuge kaufen und an Schifffahrtsstraßen mit großem Konfliktpotenzial wie der Straße von Hormus am Eingang zum Persischen Golf oder im Südchinesischen Meer mehr Präsenz zeigen. In beiden Fällen geht es um den Handelskrieg gegen China. 

Manche Militärexperten zweifeln allerdings an einer Erhöhung des Budgets, das im abgelaufenen Haushaltsjahr 584 Milliarden Dollar betrug. Der Zuwachs wäre ein Plus von 9,2 Prozent. Zum Vergleich: Für das Außenministerium und die Entwicklungshilfe beläuft sich der Haushalt zusammen auf 50 Milliarden Dollar im Jahr. Insidern zufolge hat Trump genau diese Posten im Visier. Einer sagte, das Außenamt von Rex Tillerson könnte 30 Prozent weniger Geld bekommen. Dies würde einen Umbau des Ministeriums und die Streichung von Programmen bedeuten. Insgesamt müssen sich wohl die meisten Bundesbehörden auf Kürzungen einstellen.

Wie im Wahlkampf versprochen kündigte Trump auch höhere Ausgaben für die Infrastruktur an. Einzelheiten will er nach eigenen Worten am Dienstag in seiner Rede vor dem Kongress ankündigen. Der Immobilienmilliardär ist bei Haushaltsfragen auf die Zusammenarbeit mit den Abgeordneten angewiesen. Beide Kammern sind zwar in den Händen der Republikaner. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Volksvertreter Trumps Pläne automatisch absegnen werden.

An den internationalen Finanzmärkten sind Investoren wegen der Rede schon seit Tagen angespannt. Auch am Montag hielten sie sich zurück. Wegen der Ankündigung höherer Infrastrukturausgaben gaben der Dollar und US-Staatsanleihen nach. Ein Analyst sagte, das Vorhaben könne Anlagen in den USA riskanter machen. Auch Trumps Pläne für eine Steuerreform werden mit Spannung erwartet. Regierungskreisen zufolge werden diese aber nicht Thema seiner Rede am Dienstag sein.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Investitionsschreck Deutschland: Internationale Investoren meiden deutsche Projekte
07.05.2024

Ausländische Unternehmen haben im vergangenen Jahr immer weniger in Deutschland investiert. Die Anzahl der Projekte ausländischer...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freie Lehrstellen erreichen kritisches Niveau: Was Unternehmen jetzt tun müssen
07.05.2024

Der Lehrstellenmangel verschärft sich: Demografischer Wandel und veränderte Berufspräferenzen der Generation Z führen zu einem...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Nachlassende Nachfrage: Deutsche Industrie verzeichnet erneut weniger Aufträge
07.05.2024

Trotz einer vielversprechenden Entwicklung im März kämpfen Deutschlands Exporteure nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten.

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: US-Arbeitsmarktdaten lassen erneut Zinssenkungsfantasie aufkommen
07.05.2024

Die internationalen Finanz- und Rohstoffmärkte verbleiben im Spannungsfeld wechselnder Indikatoren hinsichtlich des zukünftigen Zinspfads...

DWN
Politik
Politik Israels Armee nähert sich dem Grenzübergang von Rafah
07.05.2024

Israels Regierung bleibt bei der geplanten umfangreichen Offensive gegen Rafah bestehen, während die Hamas einer Waffenruhe zustimmt -...

DWN
Immobilien
Immobilien Gesundheitsimmobilien: Investmentmarkt stolpert – wie sieht die Pipeline weiter aus?
07.05.2024

Nach robustem Transaktionsvolumen in den vergangenen Jahren herrschte auf dem Investmentmarkt für Pflegeheime, Seniorenimmobilien und...

DWN
Politik
Politik Erbschaftssteuer: Droht durch Klage Bayerns ein Wettbewerb der Länder beim Steuersatz?
07.05.2024

In Karlsruhe wird es diesen Sommer mal wieder um den Dauerbrenner Erbschaftssteuer gehen. Schon zweimal hat das Verfassungsgericht von der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Menge sichergestellten Kokains im Hamburger Hafen verdreifacht
06.05.2024

Im Hamburger Hafen werden alle nur erdenklichen Waren umgeschlagen - auch Drogen. Immer mehr Kokain findet durch das Tor zur Welt seinen...