Finanzen

Saudis auf Werbetour für Aramco: Ölpreis zieht an

Lesezeit: 3 min
26.09.2017 17:10
Der Rohölpreis steigt seit einigen Tagen. Es ist unklar, wer hinter der Marktbewegung steckt.
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Seit Anfang September ziehen die Preise für Rohöl an den Terminmärkten kontinuierlich an.

Es ist unklar, was genau hinter dem Anstieg steckt. Manch ein Marktbeobachter könnte den Eindruck gewinnen, dass der Preis künstlich gestützt wird. Im Mittelpunkt des Interesses stehen hier die Saudis: Sie sind unter Hochdruck bemüht, ihre Staatskasse zu füllen.

Der saudische Finanzminister Mohammed al-Jadaan sagte Bond-Investoren während einer Telefonkonferenz am Montag, dass die Börsengang des saudischen Staatsöl-Riesen Aramco wie geplant im Jahr 2018 stattfinden werde, berichtet Reuters in seinem englischsprachigen Dienst unter Berufung auf anonyme Insider. Zuvor hattten sich hartnäckig Gerüchte gehalten, dass der IPO bis ins Jahr 2019 verschoben werden könnte.

Die Ankündigung erfolgte im Rahmen einer Telefonkonferenz, bei der die Saudis die Anleger auf eine dritte Staatsanleihe vorbereiten wollten. Im Jahr 2016 hatten die Saudis eine Anleihe über 17,5 Milliarden Dollar begeben, im April 2017 eine weitere über 9 Milliarden Dollar.

Die saudische Regierung will bis zu fünf Prozent des weltweit größten Ölproduzenten an der Börse in Riad und einem oder mehreren internationalen Märkten an die Börse bringen. Der IPO könnte ein Volumen von 100 Milliarden Dollar erreichen.

Die Anleihe- und Anleiheemission ist Teil einer Wirtschaftsreform, um die Staatsquellen des Königreichs unter den langwierigen niedrigen Ölpreisen zu diversifizieren und damit die Haushaltslöcher zu stopfen.

Saudi-Arabien plant dazu unter anderem die Einführung eine Mehrwertsteuer. Die Steuer soll bereits zu Beginn des Jahres 2018 kommen. Um die Auswirkungen der Austeritätsprogramme für die mittleren und kleinen Einkommen abzufedern, will die Regierung eine Haushaltsbeihilfe einführen.

Naturgemäß wäre aber ein Anstieg des Ölpreises der größte Hebel für die Saudis. Ein höherer Preis dürfte auch den Börsenwert von Saudi-Aramco erhöhen. Die Saudis wollen laut Oilprice im kommenden Jahr die Finanzzahlen für das Unternehmen vorlegen. Ein stabiler Ölpreis würde in den Modellen der Investmentbanken Berücksichtigung finden, die den IPO durchführen und die auch durch einen höheren Wert profitieren würden.

Andere Faktoren, die den Ölpreis treiben könnten, treten vor diesem Szenario in den Hintergrund.

Mit 59,49 Dollar kostete Brent am Dienstag zeitweise so viel wie seit Juli 2015 nicht mehr. Damals hatte kurz danach die rasante Talfahrt der Preise begonnen, die erst unter 30 Dollar im Januar 2016 zum Halten kam.

Zu der sich nun abzeichnenden Trendwende trägt auch die Kurdenpolitik der Türkei bei. Präsident Recep Tayyip Erdogan drohte wegen der Unabhängigkeitsabstimmung irakischer Kurden damit, die Öl-Exporte aus der Region durch sein Land zu blockieren. Pro Tag fließen schätzungsweise etwa 500.000 Barrel durch die türkischen Pipelines. „Sollte Erdogan seine Drohung wahrmachen und den Abnahmestopp über längere Zeit aufrechterhalten, wäre der globale Ölmarkt unterversorgt“, konstatieren die Analysten der Commerzbank.

Auch der Wirbelsturm „Harvey“ könnte eine Rolle spielen. Er fegte Ende August über den Großraum Houston hinweg, wo zahlreiche Raffinerien angesiedelt sind. Deren Ausfall führte dazu, dass plötzlich mehr Öl auf dem Markt war als sich verarbeiten ließ. Daher fielen die Ölpreise zunächst - um dann aber deutlich anzuziehen. Denn die Angebotslücke zog eine Kettenreaktion nach sich. „Der Weltmarkt brauchte andere Versorgungsangebote“, erläutert Shell-Vizepräsident Mike Muller. „Wie ersetzt man Diesel, das normalerweise aus Nordamerika geliefert wird – eine Million Fässer am Tag? Man zapft die europäischen Vorräte an, und Europa muss sich dann wieder aus Asien Diesel besorgen.“ BP-Managerin Janet Kong ergänzt: „Die weltweite Nachfrage ist deutlich höher, als wir das in den vergangenen Jahren gesehen haben.“ Das liege auch an dem überraschend hohen Bedarf an Destillaten wie Diesel und Kerosin.

Hinzu kommt die steigende Nachfrage aus China, Indien und Europa. „Die Vorräte schrumpfen schneller als gedacht“, stellen Branchenvertreter fest, die sich dieser Tage in Singapur treffen. Die seit dem Sommer 2015 nicht mehr überschrittene Preismarke von 60 Dollar je Fass (159 Liter) Nordseeöl rückt wieder näher.

Außerdem entwickelt sich die Konjunktur in vielen Ländern besser als gedacht. Dadurch steige die Rohstoffnachfrage, erklärt Franco Magnani, Manager beim italienischen Ölkonzern ENI. „Die meisten Volkswirtschaften der Welt weisen ein Wachstum auf oder sind relativ stabil.“ Das gelte auch für Europa nach Jahren der Krise. Adi Imsirovic, Chef des Ölhandels bei Gazprom Marketing and Trading, resümiert: „Wir erwarten, dass die Preise in den nächsten Monaten Kurs auf über 60 Dollar nehmen. Grund ist einzig und allein die überraschend hohe Nachfrage.“

Doch irgendwann könnte nach Ansicht vieler Marktbeobachter die US-Ölbranche den Preisanstieg wieder bremsen. Denn je höher die Preise liegen, desto attraktiver wird für die Amerikaner das Herauspressen von Öl aus Schiefergestein (Fracking). Die seit Monaten zunehmende Fracking-Tätigkeit hält den Preis für US-Leichtöl WTI in Schach. Er ist in den vergangenen Wochen deutlich weniger stark gestiegen als Brent und liegt mit rund 52 Dollar je Fass nur auf einem Fünf-Monats-Hoch.


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