Politik

Russland und Saudi-Arabien: Mehr Taktik als Partnerschaft

Russland und Saudi-Arabien führen Gespräche. Es geht den Russen vor allem darum, die Saudis vom Export von islamistischen Söldnern abzubringen.
06.10.2017 01:49
Lesezeit: 3 min

Der erste Besuch eines saudischen Königs in Moskau ist von internationalen Beobachtern unterschiedlich interpretiert worden: Vor allem die Gegner von US-Präsident Donald Trump sehen die vermeintliche Annäherung von Russland und Saudi-Arabien als direkte Folge eines amerikanischen Bedeutungsverlusts im Nahen Osten. Dieser sei auf Trumps innenpolitische Schwierigkeiten zurückzuführen – welche allerdings ironischerweise von genau jenen Kräften angezettelt wurden, die Trump jetzt Handlungsunfähigkeit vorwerfen.

König Salman besucht als erster saudiarabischer Monarch Russland. Bei seiner Fahrt vom Flughafen Wnukowo ins Stadtzentrum von Moskau am späten Mittwochabend war er vom eigenen Bildnis auf Plakaten mit Willkommenssprüchen auf Russisch und Arabisch begrüßt worden. Präsident Wladimir Putin empfing ihn am Donnerstag im goldverzierten Andreassaal des Kreml. Nach dem Treffen sprach der saudiarabische Außenminister Adel al-Dschubeir von einem "historischen Moment" in den gemeinsamen Beziehungen.

Russland dürfte jedoch vor allem ein Ziel verfolgen, warum es König Salman in dieser Woche mit ungewöhnlich bombastischer Attitüde umgarnt: Die Russen wollen den Krieg in Syrien beenden. Sie sind in der militärisch stärksten Position. Doch der russische Außenminister Sergej Lawrow denkt bereits über den Krieg hinaus. Selbst wenn die Russen die von den Saudis finanzierten islamistischen Söldner in Syrien jetzt militärisch vernichtend schlagen, hat Moskau keine Garantie, dass die Saudis und andere Dienste das Modell nicht anderswo exportieren und zum Einsatz bringen. Die Entwicklungen in Myanmar sind den Russen eine deutliche Warnung. Immerhin ziehen Putin und Trump in diesem Punkt an einem Strang: Trump hatte in Riad von allen Golfstaaten verlangt, sich vom Terrorismus loszusagen und außerdem die Finanzierung an die von der CIA geführten Söldner-Verbände eingestellt.

Für Russland ist es wichtig, die Saudis auch für eine politische Lösung nach dem Ende des Krieges zu gewinnen: Die TASS zitiert aus der Erklärung von König Salman, die erkennen lässt, dass die Saudis den russischen Vorschlägen nicht mehr fundamental ablehnend gegenübersteht: „Es muss eine politische Lösung erreicht werden, die Sicherheit, Stabilität und die territoriale Integrität von Syrien garantiert“, sagte König Salman demnach. Wenn die Saudis tatsächlich offiziell die territoriale Integrität Syriens anerkennen, wäre das für den russischen Präsidenten Wladimir Putin bereits ein großer Erfolg.

Die Saudis ihrerseits verfolgen die Taktik, den iranischen Einfluss in Syrien einzudämmen. Das haben bereits die Israelis versucht. Beide wissen, dass Russland die wichtigste Garantiemacht in Syrien ist und immer wieder einzelne Abkommen schließt, mit denen auch der Iran in die Schranken gewiesen wird, wie Asaad Hanna auf Chatham House schreibt.

Um die Saudis langfristig davon abzuhalten, islamistische Söldner in für Russland kritische Regionen zu entsenden, will Moskau mit Saudi-Arabien im Energie- und im Rüstungsbereich kooperieren. Interessanterweise kommen sowohl das russische Staatsportal Sputnik als auch die von den USA finanzierte Moscow Times zu dem Ergebnis, dass über wirtschaftliche Deals schon lange geredet wird, jedoch die Saudis bisher über unverbindliche Absichtserklärungen nie hinausgegangen sind. Dies betrifft vor allem die Rüstung. Laut Reuters wurden am Donnerstag Abkommen und Absichtserklärungen in Milliardenhöhe bekannt, darunter der Kauf eines russischen Flugabwehrsystems und von Raketen. Die Moscow Times schreibt, dass sich Riad bereits im Jahr 2015 zu einem Investment von 10 Milliarden Dollar in Russland bereiterklärt hätte. Doch kein einziger verbindlicher Vertrag ist der Erklärung gefolgt. Bereits im vergangenen Jahr hatte der Chef des russischen Rüstungskonzerns Rosetc gesagt, dass die Saudis die Gespräche über Waffen aus politisch-taktischen Gründen geführt hätten, Verträge seien keine abgeschlossen worden.

Saudi-Arabien gab unter anderem eine Absichtserklärung zum Kauf des russischen Flugabwehrsystems S-400 bekannt. Die staatlichen Saudi Arabian Military Industries (Sami) sprachen zudem von einer Vereinbarung mit dem russischen Rüstungskonzern Rosoboronexport über Käufe der Panzerabwehrrakete "Kornet", von Raketenwerfern des Typs TOS-1A und anderer Systeme. In einer Absichtserklärung sei festgehalten worden, dass Russland das Königreich beim Aufbau seiner eigenen Rüstungsindustrie helfen könnte.

Allerdings kauft Saudi-Arabien die meisten Waffen traditionell von amerikanischen und britischen Herstellern. Präsident Trump hatte im Mai bei seiner ersten Auslandsreise als US-Präsident ein milliardenschweres Rüstungspaket mit dem Königreich vereinbart – weshalb sich die Frage stellt, warum die Saudis jetzt auch noch im großen Stil Waffen von den Russen kaufen sollten.

Sputnik kommentiert, „Saudi-Arabien habe sich in der Vergangenheit als nicht allzu verlässlicher Partner herausgestellt, wenn es um Waffenexporte gegangen sei. So hätte Riad schon mal über Waffenkäufe in Russland im Wert von dutzenden Milliarden Dollar gesprochen – dies aber an die Bedingung gebunden, dass Moskau seine S-300-Systeme im Gegenzug nicht an Riads Erzfeind Teheran liefere. Unter solchen Forderungen sei der Deal geplatzt.“ Die Russen wollen nun ihre Raketen nur gegen Vorkasse liefern.

Im Energiebereich sieht es etwas anders aus: Die Regierungen in Moskau und Riad gehören zu den treibenden Kräften hinter der Öl-Förderbremse, mit der mehrere Opec- und Nicht-Opec-Staaten gemeinsam die Preise an den Weltmärkten stabilisieren wollen. König Salman erklärte, die Zusammenarbeit seines Landes mit Russland auf diesem Gebiet werde weitergehen. Der saudiarabische Energieminister Chalid Al-Falid sagte dem Sender Al-Arabiya, das Königreich wolle sich die Option bezüglich einer Verlängerung dieser Vereinbarung über März hinaus offenhalten. Putin hatte dagegen am Mittwoch erklärt, die beteiligten Länder seien bereit zur Verlängerung des Abkommens.

Welche konkreten Abkommen am Ende wirklich geschlossen werden bleibt unklar. Die FT berichtet von einem gemeinsamen Investment-Fonds über eine Milliarde Dollar. Die FAZ schreibt von der Möglichkeit, dass die Saudis russisches Flüssiggas (LNG) importieren könnten. Reuters berichtet allerdings, dass ein Ballon bereits wieder geplatzt sei, den irgendjemand im Zuge der Gespräche hatte stiegen lassen: Saudi Aramco sagte, man werde nicht in das LNG-Projekt der Russen in der Arktis investieren.

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