Der am Mittwoch beginnende Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas wird Klarheit bringen: Was planen Pekings Politiker im Hinblick auf die europäische Wirtschaft? Nachdem es eine ganze Weile still gewesen ist, scheinen Chinas Konzerne wieder auf dem alten Kontinent angreifen zu wollen. Rückendeckung kommt vom starken Mann des Landes, Staatspräsident Xi Jinping, der seine Machtbasis intern weiter ausbauen will.
Wenn in Peking der 19. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas beginnt, wird es nach Meinung von Beobachtern vor allem darum gehen, an welchen wirtschaftlichen Stellschrauben Staatschef Xi für die kommenden fünf Jahre drehen wird. Denn für die Ökonomie des Landes geht es um eine ganze Menge und es steht viel auf dem Spiel. Parteiintern habe Xi China schon einmal mit der Titanic verglichen. „Wenn die politische Führung Fehler mache, die die Kontrolle der Partei schwächen, dann würde China untergehen wie die Titanic.“
Der Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas stellt die Weichen für die Zukunft der Volksrepublik. Zum Abschluss des Kongresses wählen in diesem Jahr mehr als 2.200 Delegierte aus dem ganzen Land die 205 Mitglieder des Zentralkomitees (ZK). Dessen Delegierte wiederum wählen das Politbüro, das aus 25 Mitgliedern besteht. Aus dessen Reihen werden die sieben Mitglieder des Ständigen Ausschusses bestimmt, die als das eigentliche Machtorgan des Landes gelten.
Politologen gehen davon aus, dass Xi Jinping seine Agenda der zurückliegenden Jahre nur mit noch größerer Durchschlagskraft und Effektivität fortsetzen wird. Zu seinen Vorhaben gehört auch, dass er die bislang recht erfolgreiche Anti-Korruptionskampagne weiter vorantreiben möchte. Diese hat ihm dabei geholfen, gegen Widersacher in Schlüsselpositionen vorzugehen und mit eigenen, loyalen Verbündeten zu besetzen. Xi gilt darüber hinaus als Ideologe, dem die Einstellung und die Haltung der Parteikader von Bedeutung sind. Mit seinen geopolitischen Vorstellungen ist Xi Jinping weniger mit europäischen Politikern als mit dem US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump auf Kollisionskurs geraten.
Was die wirtschaftlichen Belange angeht, wird Xi Jinping die Position Chinas in der Welt weiter ausbauen wollen. Zunächst einmal handelt es sich dabei um das große Prestige-Objekt: die neue Seidenstraße, die eine Infrastruktur-Initiative vorher kaum bekannten Ausmaßes ist. Die neue Seidenstraße, die in einer Größenordnung von rund 900 Milliarden US-Dollar daherkommt, ist das größte Investitionsprogramm seit dem Marshallplan nach dem Zweiten Weltkrieg, mit dem die USA den zerstörten Staaten Westeuropas Aufbauhilfe geleistet hatten. Mit dem Projekt der neuen Seidenstraße („Ein Gürtel, eine Straße“) will China in den eurasischen Ländern in Kraftwerke und Pipelines investieren. Es soll ein Infrastruktur-Netzwerk aus Straßen, Häfen, Flughäfen und Eisenbahnen zwischen Europa und Asien installiert werden. Und natürlich geht es auch um geopolitischen Ruhm und Einfluss. Im Zuge dessen denkt China wohl auch über einen Einstieg beim saudi-arabischen Ölgiganten Saudi Aramco nach.
Darüber hinaus wird Xi auch an der Positionierung Chinas unter dem besonderen Aspekt als Verteidiger des Freihandels sowie der Modernisierung des militärischen Sektors arbeiten. Zudem wird er gleichzeitig den Staatssektor im eigenen Land weiter reformieren und ihm auf diese Weise größeres Gewicht verleihen. Daneben sollte es ihm gelingen, private Unternehmen in China unter die Kontrolle der Partei zu bringen. Ein weiteres wichtiges Ziel der kommenden fünf Jahre wird es sein, eine Lösung für die Schuldenblase Chinas zu finden, die mittlerweile auf 33 Billionen US-Dollar angewachsen ist. Aus diesen Gründen sind viele Beobachter Asiens dafür, dass bestehende Regulierungen der Banken und des Finanzsektors in Zukunft weiter verschärft werden.
Nach Ansicht der HSBC-Analystin Helen Wong machten Dienstleistungen bereits heute mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung aus. Im Durchschnitt seien die Einkommen deutlich gestiegen und die Urbanisierung schreitet voran. Damit wandele sich auch die Wirtschaft. Infrastruktur, der Konsum und Dienstleistungen erhielten Oberwasser. Zu Recht gelte die Gegend um Shenzhen als „Silicon Delta“, wo High-Tech-Unternehmen wie Huawei ihren Sitz hätten. Der Wandel sei inzwischen schon recht weit fortgeschritten, allerdings gebe es natürlich noch viel zu tun.
Chinas Behörden haben aus Anlass des Parteitags die Kontrolle des Internets verschärft und die Verfolgung von Bürgerrechtlern intensiviert, um eine reibungslose Neustrukturierung der Machtgremien zu gewährleisten.
Xi Jinping hat den Parteitag am Mittwochnacht mitteleuropäischer Zeit eröffnet. In seiner Eröffnungsrede in der Großen Halle des Volkes in Peking rief Xi die Mitglieder auf, sich gegen jegliche Versuche zur Wehr zu setzen, die Führerschaft der Partei zu unterminieren. Das Land trete in eine „neue Ära“ ein, in der die Partei einen „Sozialismus nach chinesischer Art“ praktiziere. „Durch eine lange Periode harter Arbeit ist der Sozialismus chinesischer Prägung in eine neue Ära eingetreten, eine neue historische Richtung in der Entwicklung unseres Landes“, sagte Xi, der den Begriff „neue Ära“ insgesamt 36-mal verwendete.
„Die Aussichten sind gut, aber die Herausforderungen ernst“, sagte Xi, der zuvor unter dem Beifall der Delegierten in Begleitung seiner Vorgänger Hu Jintao und Jiang Zemin die Große Halle des Volkes betreten hatte. Xi rühmte Chinas wachsenden Einfluss in der Welt und die Anstrengungen der Regierung, Armut und Ungleichheit im eigenen Land zu bekämpfen. Er verwies zudem auf seine Politik der „Null Toleranz“ gegenüber Korruption in der Partei.
„Jeder von uns in der Partei muss mehr tun, um die Führerschaft der Partei und das chinesische sozialistische System aufrechtzuerhalten und sich entschieden gegen alle Äußerungen und Handlungen wenden, die diese unterminieren, verzerren oder verleugnen“, sagte Xi vor den fast 2300 Delegierten aus ganz China.
Die Namen der Mitglieder des Ständigen Ausschusses werden üblicherweise nach dem Parteitag bekanntgegeben. Xi und Ministerpräsident Li Keqiang dürften im Amt bleiben. Die fünf übrigen Mitglieder des Ständigen Ausschusses werden voraussichtlich aus Altersgründen ausgewechselt.