Politik

Syrien: „Volksstämme des Widerstands” kämpfen für Assad

Syrien und Russland versuchen, die syrischen Stämme gegen die Präsenz von US-amerikanischen und französischen Truppen im Osten Syriens zu mobilisieren.
12.07.2018 17:11
Lesezeit: 3 min

Während die syrische Armee (SAA), die von Russland unterstützt wird, kurz davor steht, die Kontrolle über die verbleibenden von den Söldnern kontrollierten Gebiete in Südsyrien zu übernehmen, versucht Damaskus, syrische Stämme gegen „ausländische Kräfte” im Osten Syriens zu mobilisieren, so Al -Monitor. In Ost-Syrien befinden sich Kurden-Milizen, US-amerikanische, französische und britischer Truppen und die Terror-Miliz IS.

Die SAA nahm am 6. Juli 2018 den jordanisch-syrischen Grenzübergang Nassib ein. Am nächsten Tag erklärten rund 55 arabische und kurdische Stämme in Aleppo ihre volle Unterstützung für die von Präsident Baschar al-Assad geführte SAA.

Am 2. Juni 2018 hatten etwa 70 syrische Stammesmitglieder und Führer in der Stadt Deir Hafer in der nördlichen Provinz Aleppo angekündigt, dass sie eine Truppe unter dem Namen „Volksstämme des Widerstands” gebildet hätten. Sie erklärten, dass sie „Widerstand” gegen die Präsenz der USA, Frankreichs und der Türkei in Ostsyrien und gegen jede Anwesenheit oder Intervention von Streitkräften eines Staates auf syrischem Boden ohne die Zustimmung und Koordination der Regierung leisten werden, berichtet die Webseite Zaman al Wasl, eine Webseite der syrischen Opposition. Die Türkei wird zwar als Gegner genannt, doch von einem Widerstand in Nordsyrien, wo türkische Truppen stationiert sind, ist nicht die Rede. Es geht ausschließlich um den Osten Syriens, wo sich aber keine türkischen Truppen befinden.

US-amerikanische und französische Truppen werden östlich des Euphrat-Flusses als Teil der internationalen Koalition gegen den IS eingesetzt. Die höchste Konzentration von Stämmen befindet sich ebenfalls östlich des Euphrat-Flusses. Die US-amerikanischen Truppen sind in den Provinzen Rakka, Hasaka und Deir Ezzor aktiv.

Der Oberste Rat der syrischen Stämme und Clans wurde 2015 mit Vertretern aus den syrischen Stämmen und Clans gegründet, um nach eigenen Angaben ein neues Syrien aufzubauen. Madar al-Assaad, der offizielle Sprecher des Rates, sagte, dass etwa 80 Prozent der Bürger in Hasaka Araber und Syrer sind, während in Raqqa die Araber 98 Prozent der Bevölkerung ausmachen. In Deir ezzor sind praktisch alle Bürger Araber. Der Sprecher sagte damit indirekt, dass eine Präsenz der Kurden-Milizen in diesen Regionen, die von den USA und Frankreich unterstützt werden, nicht geduldet werde.

Die Stämme und Clans in regierungstreuen Gebieten veranstalten Konferenzen, um ihre Unterstützung für den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und ihre Ablehnung ausländischer Truppen in syrischen Gebieten, insbesondere im Osten des Euphrats, zum Ausdruck zu bringen. Im April startete Liwa al-Baqir, eine regierungsnahe Stammesfraktion, die in Aleppo und auf dem Land operiert, Militäroperationen, um die USA aus Syrien zu vertreiben, berichtet die syrische Nachrichtenseite Nedaa.

Liwa al-Baqirs Operationen begannen, als US-Verteidigungsminister Jim Mattis im April 2018 ankündigte, dass Frankreich Soldaten entsandt habe, um die US-Präsenz in Nordostsyrien zu verstärken, so France 24.

Während des syrischen Konflikts haben verschiedene Streitkräfte versucht, Bündnisse mit den Stämmen zu bilden, da sie eine wichtige Rolle in der syrischen Gesellschaft spielen. Amer Jassim al-Baschir, der Chef des Baggara-Stammes in Deir Ezzor, hatte die Opposition unterstützt, bevor er von ihr abgefallen war und Loyalität gegenüber der Regierung in Damaskus versprochen hatte. Der Baggara-Stamm ist einer der größten Stämme in Syrien. Er hat etwa zwei Millionen Mitglieder.

Sheikh Faisal al-Sultan, ein regierungskritisches Mitglied des Obersten Rates der syrischen Stämme und Clans, sagte Al-Monitor, dass die Bemühungen der syrischen Regierung, eine Stammes-Truppe gegen die USA und andere ausländische Truppen zu bilden, eine Form der Propaganda seien. Der Regierung in Damaskus sei dies in den vergangenen Jahren zu keinem Zeitpunkt gelungen.

Doch auch die Türkei versucht, Stämme zu mobilisieren und sie in Nordsyrien zu vereinen. Ankara erlaubte auch eine Konferenz der Stämme, die im Dezember 2017 in Istanbul in Anwesenheit von kurdischen und turkmenischen Stämmen aus Syrien stattfand.

Stammesführer Baschir sagte Al-Monitor: „Die Beziehungen der Kurden zum syrischen Regime haben sich entwickelt. Das Regime versucht, in Deir ezzor und Rakka eine Sicherheitszone zu eröffnen.”

Er stellt fest, dass das Regierung diese Beziehung mit den Kurden nutzen wolle, um „die Stämme, die die kurdische Präsenz in Deir Ezzor ablehnen, zu umzingeln, wo die SDF (Kurden-Milizen, Anm. d. Red.) und das syrische Regime jeweils weite Teile der Provinz nach ihrer Befreiung vom IS kontrollieren.” Die Regierung kontrolliert Gebiete westlich des Euphrats, während die SDF östlich des Flusses aktiv ist.

Drei Stämme bilden die Demographie der ölreichen Provinz Deir Ezzor, die an der Grenze zum Irak liegt: Der Baggara-Stamm, dessen Präsenz sich geographisch entlang einer westlichen Linie in Richtung Rakka erstreckt, Alaqidat, dessen Einfluss sich auf Al-Bukamal im Südosten erstreckt und Al-Busraya, das gegen bei Rakka in aktiv ist.

„Das Regime wird nicht in der Lage sein, das Bündnis zwischen den Kurden und einigen ihrer verbündeten arabischen Stämme in der SDF zu brechen, weil diese Stämme das Regime als Feind betrachten”, meint Baschir.

Der andauernde syrische Konflikt und der regionale Wettbewerb halten die Möglichkeiten für die Zukunft Ost-Syriens offen. Weitere ausländische Streitkräfte schließen sich dem Kampf an. Es wird über die Gründung einer arabischen Streitmacht verhandelt, die nach Abzug der US-Streitkräfte einmarschieren soll. Aber die meisten Stämme in diesen Gebieten „werden nicht unter die Kontrolle des Regimes zurückkehren und werden nicht damit einverstanden sein, mit ihr auf unbestimmte Zeit zusammen zu arbeiten”, meint al-Assaad.

Die Stämme, die sich der SAA angeschlossen haben, würden weniger als zehn Prozent der syrischen Stämme ausmachen. 70 Prozent seien gegen die Regierung und 20 Prozent würden sich keiner Seite anschließen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Erfolgreich in Kunst investieren: Warum Gemälde, Märkte und NFTs neue Anlagechancen bieten
22.05.2025

Wenn Aktien schwanken und Märkte auf Sicht fahren, wird Kunst zur strategischen Alternative. Wie Gemälde, Sammlerstücke und digitale...

DWN
Politik
Politik Russisches Schatten-Schiff vor Polens Küste: NATO greift ein
22.05.2025

Ein russisches Schiff kreuzt verdächtig nahe eines NATO-Kabels in der Ostsee – dann greift ein Bündnisstaat ein. Was steckt hinter dem...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ohne Bürokratieabbau, kein Handwerk: KMU geben Politik klare Handlungsempfehlung für Bürokratieabbau
22.05.2025

Rund 75 Arbeitstage pro Jahr verlieren Betriebe im Handwerk an produktiver Zeit durch Bürokratie. Eine Studie der Handwerkskammer Dresden...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Briefträger als Beamter? Post, Telekom, Postbank haben noch tausende verbeamtete Mitarbeiter
22.05.2025

Wer Beamter ist, arbeitet für den Staat – oder? Das stimmt zwar in den allermeisten Fällen. Doch es gibt Ausnahmen: Mancher Beamter ist...

DWN
Panorama
Panorama Schüsse in Washington: Zwei Mitarbeiter der Israels Botschaft in den USA erschossen
22.05.2025

Zwei Mitarbeiter der israelischen Botschaft in Washington sind am Mittwochabend gegen 21 Uhr Ortszeit durch Schüsse in der Nähe des...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Automobilindustrie will nicht mehr in Deutschland investieren: Autozulieferer legen Investitionen auf Eis
22.05.2025

Laut einer Umfrage des Verbands der Automobilindustrie (VDA) wollen mehr als drei Viertel der Zulieferer (76 Prozent) ursprünglich in...

DWN
Politik
Politik China spielt Schach, Trump wirft mit Steinen – Nobelpreisträger Stiglitz kritisiert US-Präsident Trump
22.05.2025

Joseph Stiglitz, Ex-Berater von Präsident Bill Clinton und früherer Chefökonom der Weltbank, warnt vor Trumps Wirtschaftspolitik: Die...

DWN
Politik
Politik Ukraine, Russland und Europa: Der Kampf um Donald Trumps Aufmerksamkeit
21.05.2025

Russland und die Ukraine befinden sich nicht nur auf dem Schlachtfeld im Krieg, sondern auch auf dem diplomatischen Schachbrett. Die...