Politik

Italien beruft sich bei Defizit auf deutschen Rechtsbruch

Lesezeit: 2 min
10.11.2018 00:38
Italien will bei seinem Haushaltsplan bleiben und verweist auf die Missachtung der Maastricht-Verträge durch Frankreich und Deutschland.
Italien beruft sich bei Defizit auf deutschen Rechtsbruch

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die italienische Regierung zeigt sich im Haushaltsstreit unbeeindruckt von Strafandrohungen aus der EU-Kommission. Finanzminister Giovanni Tria sagte am Freitag, es wäre "wirtschaftlicher Selbstmord", an den Plänen der Vorgängerregierung zur Verringerung des Defizits festzuhalten. "Ich glaube nicht, dass die EU das erwartet." Deutschland und Frankreich hätten die EU-Regeln gebrochen, jedoch sei immer eine politische Lösung gefunden worden.

Unter Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) hatte Deutschland nach Brüssel gemeldet, dass das Etatdefizit 2003 voraussichtlich 3,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ausmachen werde. Für 2002 wurde ein Defizit von 3,5 Prozent festgestellt. Die EU-Kommission hatte auf Strafmaßnahmen verzichtet. Frankreich hat in den vergangenen Jahren mehrmals hintereinander ein höheres Defizit gemacht, als die Maastricht-Verträge erlauben.

Das italienische Defizit soll mit 2,4 Prozent eindeutig im Rahmen von Maastricht liegen.

Vize-Ministerpräsident Luigi Di Maio äußerte die Erwartung, dass die EU-Kommission am Ende auf Sanktionen verzichtet, weil sein Land ausreichend Unterstützung aus dem Kreis der EU-Partner erhalten werde. Inzwischen habe Italien eine Stimme in Europa, sagte er.

Italiens Koalition aus Fünf Sternen und Lega rechnet für 2019 mit einem Haushaltsdefizit von 2,4 Prozent. Die Vorgängerregierung hatte 0,8 Prozent in Aussicht gestellt. Daher verlangt die EU-Kommission eine Änderung der Pläne bis Dienstag. EU-Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis sagte in Helsinki, seine Behörde prüfe die Eröffnung eines Defizitverfahrens, sollte Italien den Haushaltsentwurf nicht überarbeiten. Am Ende eines solchen Verfahrens können Geldstrafen in Höhe von bis zu 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) stehen. Zuletzt hatte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici mit Sanktionen gedroht, sollte keine Einigung in dem Zwist erreicht werden.

Di Maio, Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, sieht dagegen genug Rückhalt für sein Land in der EU. Er verwies auf einen Wandel der politischen Großwetterlage in Europa, der sich nach der Wahl des EU-Parlaments im Mai noch verstärken werde. Deswegen habe seine Partei ihre Anti-Euro-Haltung aufgegeben, sagte er auf einer Pressekonferenz mit internationalen Journalisten. Auf die Frage, ob Italien etwaige Strafen der Brüsseler Kommission denn zahlen würde, entgegnete er: "Verträge müssen befolgt werden."

Das neue Defizitziel werde in keinem Fall überschritten, sagte Di Mario weiter. Dazu würden zusätzliche Einsparungen beitragen. Die Abschaffung von 200 "unnötigen" Gesetzen werde zu einem Bürokratieabbau und damit zu einer erheblichen Senkung der Staatsausgaben führen. Doch die EU-Kommission hält diese Prognosen für "übertrieben optimistisch", wie Dombrovskis unterstrich. Sie geht vielmehr davon aus, dass Italiens Haushaltslücke bei 2,9 Prozent des BIP liegen wird.

Wegen seiner Politik steht Italien auch an den Finanzmärkten unter Druck. Die Kurse der heimischen Staatsanleihen haben deutlich eingebüßt, was tendenziell die Refinanzierungskosten der Regierung erhöht. Auch am Freitag sanken die italienischen Bonds. Die Wertverluste belasten zugleich die heimischen Banken, die große Mengen an Staatstiteln in ihren Bilanzen haben.

Aus der Branche wurden Überlegungen bekannt, die Krisenvorbeugung zu forcieren. Nach Auskunft von mehreren mit der Angelegenheit vertrauten Personen erwägen die fünf größten Banken des Landes einen Kredit über 2,7 Milliarden Euro für den Einlagensicherungsfonds (FITD). Ziel sei es, das Vertrauen in das Finanzsystem zu stärken. In die Pläne involviert seien die Institute Intesa Sanpaolo, UniCredit, Banco BPM, UBI Banca und Banca Monte dei Paschi di Siena. Italiens Bankenindustrie gilt ohnehin als angeschlagen wegen immenser Bestände an faulen Krediten.

Ifo-Chef Clemens Fuest warnt davor, die Lage in Italien zu unterschätzen. Eine Staatsverschuldung von über 130 Prozent samt wirtschaftlicher Stagnation könne sich kein Land auf Dauer leisten, sagte er laut Reuters in einem Internet-Interview. "Das größte Risiko liegt kurzfristig in einer Kapitalmarktpanik, die schnell in einen Staatsbankrott führen kann." Die Folge könne eine Finanzmarktkrise sein, die zu "schwersten Auseinandersetzungen in der Euro-Zone" führen könne.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Robert Habeck sollte endlich die Kehrtwende vollziehen - im Heizungskeller Deutschlands
03.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Finanzen
Finanzen Wirtschaftsstandort in der Kritik: Deutsche Ökonomen fordern Reformen
03.05.2024

Deutschlands Wirtschaftskraft schwächelt: Volkswirte geben alarmierend schlechte Noten. Erfahren Sie, welche Reformen jetzt dringend...

DWN
Politik
Politik Rheinmetall-Chef: Deutschland muss Militärausgaben um 30 Milliarden Euro erhöhen
03.05.2024

Armin Papperger, der CEO von Rheinmetall, drängt darauf, dass Deutschland seine Militärausgaben um mindestens 30 Milliarden Euro pro Jahr...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Indische Arbeitskräfte im Fokus: Deutschland öffnet die Türen für Fachkräfte
03.05.2024

Die Bundesregierung strebt an, einen bedeutenden Anteil der indischen Bevölkerung nach Deutschland zu holen, um hier zu arbeiten. Viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Wie lege ich mein Geld an – wichtige Tipps für Anfänger
03.05.2024

Die Tipps zur Geldanlage können wirklich spannend sein, besonders wenn es darum geht, die eigenen finanziellen Ziele zu erreichen und eine...

DWN
Politik
Politik Die Bundesregierung macht Russland für den Cyberangriff auf SPD verantwortlich
03.05.2024

Im Januar des Vorjahres wurden die E-Mail-Konten der SPD von Hackern attackiert. Die Bundesregierung gibt nun "eindeutig" Russland die...

DWN
Finanzen
Finanzen Der komplette Guide zur Bankvollmacht: Sicherheit und Flexibilität im Finanzmanagement
03.05.2024

Eine Bankvollmacht kann entscheidend dafür sein, Sicherheit und Flexibilität in Ihren finanziellen Angelegenheiten zu gewährleisten....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fleischersatz auf dem Vormarsch: Deutschland erlebt Produktionsboom
03.05.2024

Vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte gewinnen in Deutschland an Beliebtheit: Produktion verdoppelt sich seit 2019. Fleischkonsum...