Deutschland

Bürger und der Mittelstand finanzieren Deutschlands Energiewende

Die Bundesregierung steckt in einem energiepolitischen Dilemma. Aufgrund der Energiewende wird der Strom immer teurer, zugleich wird die Zuverlässigkeit der Energiegewinnung aufgrund des Abschieds von Nuklear- und Kohlekraft erschüttert. Finanziert wird alles von den Bürgern und kleinen Unternehmen.
20.04.2019 07:44
Lesezeit: 4 min

Dass Deutschlands Konsumenten über 30 Cents für eine Kilowattstunde Strom bezahlen und die europäischen Nachbarn nur über 20 Cents aufbringen müssen, ist ohne Zweifel das zentrale Ärgernis. Rund um diesen, primär durch die im EEG - Erneuerbare-Energien-Gesetz - verankerte Förderung ausgelösten Umstand ranken sich zahlreiche, zum Teil problematische Entwicklungen.

Der Umweltschutz und die Bekämpfung des Klimawandels sind unbestrittene Anliegen, die zudem von über 90 Prozent der Bevölkerung unterstützt werden. Maßnahmen, die diesen Zielen dienen, werden kaum sachlich analysiert. Vielmehr dominieren plakative Äußerungen der Befürworter und Gegner der aktuellen Energiepolitik. Die Frage, was denn tatsächlich der Umwelt nützt, tritt in den Hintergrund.

Deutschlands Haushalte zahlen Milliarden für erneuerbare Energien

Der erste Blick gilt den 41,3 Millionen deutschen Haushalten, die im Schnitt etwa 2.400 Kilowattstunden im Jahr verbrauchen und somit um rund 240 Euro mehr für Strom zahlen als die europäischen Nachbarn. Hier werden untere Werte für den Verbrauch eines Zwei-Personen-Haushalts herangezogen und trotzdem ergibt sich allein aus dieser Rechnung die gigantische Zahl von etwa 10 Milliarden Euro, die die Deutschen privat zusätzlich aufbringen.

Die Hälfte des Strompreises, etwa 15 Cent, resultiert aus Steuern und Abgaben, davon entfielen auf die Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energie 2018 6,79 Cent, heuer sind es mit 6,405 Cent etwas weniger. Allein aus dieser Position entstehen für die privaten Haushalte an die 9 Milliarden Euro Kosten im Jahr.

Die Mittel fließen zu den Produzenten von Strom aus Wind- und Sonnenergie, aus Wasserkraft und Biomasse und anderen Quellen, die sich nicht zu marktgerechten Preisen erzeugen lassen und daher subventioniert werden müssen. Dazu kommt ein weiterer Kostenfaktor, weil die Alternativen die Errichtung zusätzlicher Leitungen notwendig machen, nachdem die Stromproduktion wetterbedingt nicht regelmäßig erfolgt und die Phasen der Überproduktion bewältigt werden müssen.

Hauptziel des Wechsels von Kohle, Öl und Gas zu den Alternativen ist die Reduktion der angeblich klimaschädlichen Treibhausgase, allen voran CO2. Dieses Ziel wird allerdings nicht erreicht, sodass die Effektivität der Subventionen zu überprüfen wäre. 2018 kam zwar es zu einer Verringerung der Umweltbelastung um etwa 4 Prozent, doch war dieses Ergebnis nicht auf die Energiepolitik, sondern auf das Wetter zurückzuführen.

Großzügige Privilegien für nur 2000 Unternehmen

Bevor allerdings die Grundsatzfrage gestellt sei, ob tatsächlich der Umwelt gedient und der Klimawandel wirksam bekämpft wird, sind noch weiteren Besonderheiten des Fördersystems zu beleuchten. Nicht nur die erwähnten Privathaushalte werden kräftig zur Kasse gebeten.

Grundsätzlich müssen auch alle Unternehmen ihren Beitrag zur Finanzierung der Fehlbeträge in den Bilanzen der Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien leisten. Allerdings nur grundsätzlich.

Firmen, die einen hohen Stromverbrauch haben, folglich durch die Belastung aus der Förderung der Alternativen übermäßig betroffen sind und daher im internationalen Wettbewerb benachteiligt wären, bekommen einen Nachlass. Die Abgabe wird auf 15 bis 20 Prozent des Normalsatzes gesenkt.

Diese Begünstigung erhalten im Jahr allerdings nur knapp 1.800 Großbetriebe und etwa 130 Schienenbahnen.  Den Vorteil kann man auch nur nach einem Hürdenlauf erobern: Anträge müssen bis zum 30. Juni gestellt werden, ein Versäumnis der Frist bedeutet automatisch die Ablehnung, die Unterlagen müssen vollständige, formelgebundene Unternehmensanalysen umfassen, bei Mängeln erfolgt ebenfalls die Ablehnung durch das zuständige BAFA – Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle.

24 Milliarden jährlich allein aus der EEG-Abgabe

Von den 540 Milliarden Kilowattstunden (kWh), die 2018 in Deutschland erzeugt wurden, sind etwa ein Fünftel durch die Nachlässe begünstigt. 50 Milliarden gehen in den Export, etwa 400 Milliarden kWh unterliegen der EEG-Abgabe und lösen Einnahmen in der Höhe von über 24 Milliarden Euro aus.

Die bürokratischen Fallen im Rennen um Nachlässe interessieren die meisten Unternehmen nicht, da sie ohnehin nicht in den Genuss der Erleichterungen kommen. Den 1.800 begünstigten Firmen stehen 2,5 Millionen Kleinbetriebe gegenüber, die die volle EEG-Abgabe zahlen müssen. Und auch die als Rückgrat der deutschen Wirtschaft bezeichneten 64.000 Unternehmen mit 15 bis 249 Mitarbeitern müssen die komplette Last der EEG-Kosten tragen.

Im Mittelpunkt stehen die Auseinandersetzungen über die Verteilung der Lasten, wobei sogar klassenkämpferisch argumentiert wird: Die Privathaushalte und die Masse der Unternehmen subventionieren die reichen Industrien, lautet eine Position.

In der CO2- Falle aus technischen Gründen

Mindestens so gravierend ist aber die Frage, warum der gigantische Aufwand nicht zu einer Reduktion der Treibhausgase führt. Dieses kritische Phänomen ergibt sich aus bislang nicht korrigierbaren Faktoren. Die Produktion aus alternativen Energien ist wetterabhängig: Wind und Sonne stehen nicht kontinuierlich zur Verfügung, somit wechseln Phasen der Überproduktion, die, wie erwähnt, die Leitungen strapazieren, mit Periode ungenügender Lieferungen. Strom ist nicht lagerbar, Batterien und Akkumulatoren haben eine eng begrenzte Kapazität.

Um die Stromversorgung bei ungünstiger Wetterlage sicherzustellen, sind die Braunkohle-Kraftwerke unverzichtbar, nachdem die Kernkraftwerke sukzessive abgeschaltet werden. Braunkohle-Werke sind aber mit einem Anteil von über 40 Prozent entscheidend für die Emission von CO2 in Deutschland verantwortlich.

Durch diese technologisch derzeit nicht korrigierbare Konstellation ergibt sich in Deutschland eine Strom-Überproduktion von 50 Milliarden Kilowattstunden, somit 10 Prozent der gesamten Erzeugung von 541 Milliarden kWh, die exportiert werden müssen. Die Elektrizitätsunternehmen haben aus diesem Export im vergangenen Jahr 2 Milliarden Euro erlöst und sich gefreut, dass sie recht attraktive Preise erzielt haben. Dass vorweg die privaten Haushalte und die Masse der Unternehmen rund 24 Milliarden Euro aufgewendet haben, um die Erneuerbaren Energien zu ermöglichen, die wiederum die Überproduktion ausgelöst haben, darf dabei nicht übersehen werden.

An der CO2-Abscheidung und Lagerung führt vorerst kein Weg vorbei

Ein Ausweg aus diesem Dilemma bietet sich im Moment nicht an, da eine Rückkehr zur Atomenergie nicht zur Debatte steht und sich außer der Braunkohle kein Energieträger anbietet, der die Grundlast der Energieversorgung sicherstellen könnte. Um dem Paradoxon zu entkommen, dass die umweltfreundliche Stromproduktion aus erneuerbaren Energien auf die umweltschädliche Stromproduktion aus Braunkohle angewiesen ist, wird die Energiepolitik nicht umhin können und die CO2-Abscheidung, Lagerung und Verwertung in ihr Programm aufnehmen müssen, die unter dem Kürzel ccus – carbon dioxide capture, utilization and storage – bekannt ist.

Allerdings zeigt sich bei den meisten Methoden des ccs oder ccus, dass der Stromverbrauch durch die Abscheidung und Lagerung steigt, wodurch die Wirtschaftlichkeit der Kohle-Kraftwerke leidet. Somit würde sich zur Subventionierung der erneuerbaren Energien ein weiterer Förderungsbedarf ergeben. Allerdings wird ccs in Kanada und China bereits erfolgreich eingesetzt und Norwegen lockt mit dem Angebot, das CO2 der Kohlekraftwerke in den nicht mehr ergiebigen Öl- und Gaslagerstätten für ganz Europa zu entsorgen – selbstverständlich gegen Gebühren. Auch der Transport nach Norwegen wäre zu bezahlen.

***

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.

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Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.

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