Politik

Verhärtete Fronten: Mehrere Länder-Koalitionen streiten erbittert um Topjobs der EU

Das Ergebnis der Wahl zum Europaparlament spielt offenbar keine Rolle bei der Besetzung der Tobjobs in der EU. Mehrere Länderfraktionen blockieren sich bei der Postenvergabe gegenseitig. Die Kritik an dem Geschacher nimmt zu.
02.07.2019 11:49
Lesezeit: 2 min

Vor der Fortsetzung des EU-Gipfels zur Vergabe der europäischen Spitzenposten sind die Fronten weiter verhärtet: Aus Osteuropa kam weiter Widerstand gegen den von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CSU) mit vorgelegten Plan, den Sozialdemokraten Frans Timmermans aus den Niederlanden zum neuen Kommissionspräsidenten zu machen, berichtet AFP. Die deutschen Unionsparteien halten dagegen an dem CSU-Politiker Manfred Weber fest, dem Spitzenkandidaten der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) bei der Europawahl.

Der tschechische Regierungschef Andrej Babis sagte am Dienstag, die osteuropäischen Visegrad-Staaten seien einer Meinung: "Timmermans ist ein No Go". Zu der Gruppe gehören neben Tschechien auch Polen, Ungarn und die Slowakei.

Zur Begründung sagte Babis, Timmermans habe als Vize-Kommissionspräsident die Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn und Polen vorangetrieben. Zudem halte er an Aufnahmequoten für Migranten fest, die die Osteuropäer ablehnen. Babis betonte, die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sei dagegen ein "erstklassiger Name" für die Kommissionsspitze.

Am Montag sei die Debatte zunehmend chaotisch verlaufen, weil immer neue Namen für das EU-Personaltableau ins Spiel gebracht worden seien, sagte ein von AFP befragter Diplomat. Dieses umfasst auch die Posten des EU-Ratspräsidenten, des Parlamentspräsidenten, des Außenbeauftragten und des Chefs der Europäischen Zentralbank (EZB).

Der Finanzdienstleister Solvecon kritisiert den derzeitigen Zustand der EU und die Verhandlungen in einem Newsletter scharf:

Die EU gibt ein prekäres Bild ab. Das Treffen am Sonntag und Montag hatte kein Ergebnis in der Frage der Besetzung der Spitzenpositionen gebracht. Das ist völlig unverständlich. Die Parteien sind mit Spitzenkandidaten in der Wahl des Europäischen Parlaments angetreten. Da gab es Sieger und Verlierer. Die EVP hat die Wahl gewonnen, prozentuale Verluste hin oder her. Es gilt, dieses eindeutige Mandat des Souveräns umzusetzen (wir sind ja nicht in Bremen!).

Dass eine der Umwelt zuneigende Parteiengruppe neben Macron jetzt Süppchen wegen ihres relativen Wahlerfolgs köchelt, ist mindestens interessant. Dass die Länder im Osten ihr sehr eigenes Demokratieverständnis in den Postenfragen zutage treten lassen, belegt einmal mehr den Reifegrad dieser Länder. Lediglich eins der zwölf Ostländer erfüllte vollständig die Bedingungen zum Beitritt zur EU.

So ist es eben, wenn man bei EU-Eintrittsstandards latent nivelliert. Man hat am Ende kein Niveau. Das kann den Menschen in den EU- Gründungsländern nicht gefallen. Die messbare Frustration der Menschen in den Gründungsländern (Zahlmeister) hat damit zu tun. Die aktuellen außenpolitischen Interessen, die EU losgelöst von Eintrittsstandards zu balkanisieren und in den Osten auszuweiten ist diskussionswürdig. Der Erweiterungsprozess bei Nivellierung der Eintrittsstandards hat die EU doch gerade handlungsunfähig gemacht. Die EU-Staats- und Regierungschefs setzen am Vormittag ihre Beratungen über die Besetzung der Führungsspitze in der EU fort. Als überzeugter Europäer ist man bezüglich der aktuellen Situation mehr als irritiert. So nicht! Dieses europäische Bild ist für Finanzmärkte absolut unattraktiv!

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...

DWN
Panorama
Panorama Köln schafft den Begriff "Spielplatz" ab
02.07.2025

Köln verabschiedet sich vom traditionellen Begriff "Spielplatz" und ersetzt ihn durch "Spiel- und Aktionsfläche". Mit neuen Schildern und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tusk zieht die Grenze dicht – Spediteure schlagen Alarm
02.07.2025

Grenzkontrollen sollen Sicherheit bringen – doch für Spediteure und Industrie drohen Staus, teurere Transporte und Milliardenverluste....

DWN
Panorama
Panorama EU-Klimapolitik: Soviel Spielraum lässt das 90-Prozent-Ziel
02.07.2025

Die EU-Kommission hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2040 sollen die Emissionen massiv sinken, ein großer Schritt Richtung...

DWN
Technologie
Technologie DeepSeek zerstört Milliardenwerte: China-KI soll aus Europa verschwinden
02.07.2025

Ein chinesisches Start-up bringt Nvidia ins Wanken, Milliarden verschwinden in Stunden. Doch für Europa ist das erst der Anfang: Die...

DWN
Politik
Politik Gasförderung Borkum: Kabinett billigt Abkommen mit den Niederlanden
02.07.2025

Die Bundesregierung will mehr Gas vor Borkum fördern und stößt damit auf heftigen Widerstand von Umweltschützern. Das Vorhaben soll...

DWN
Immobilien
Immobilien Klimaanlage einbauen: Was Sie vor dem Kauf wissen müssen
02.07.2025

Die Sommer werden heißer – und die Nachfrage nach Klimaanlagen steigt. Doch der Einbau ist komplizierter, als viele denken. Wer nicht in...

DWN
Technologie
Technologie Balkonkraftwerke: 220.000 neue Anlagen binnen sechs Monaten
02.07.2025

Mehr als 220.000 neue Balkonkraftwerke sind in Deutschland binnen sechs Monaten ans Netz gegangen. Während Niedersachsen glänzt, fallen...