Politik
Salvini will Neuwahlen

Italien: Egal wer regiert, die Banken-Krise bleibt

Die italienischen Parteien führen Gespräche zur Bildung einer neuen Regierung. Dabei ist es völlig unerheblich, wer regiert. Keine Regierung wird imstande sein, Italiens Banken-Krise zu lösen.
23.08.2019 17:06
Aktualisiert: 23.08.2019 17:06
Lesezeit: 3 min

Der Präsident von Italien, Sergio Mattarella, hat den Parteien im italienischen Parlament am Donnerstag vier weitere Tage gegeben, damit sie über die Bildung einer neuen Regierung verhandeln können. Er sagte, dass die Krise "schnell gelöst" werden müsse und dass ohne eine solide Mehrheit Neuwahlen möglich seien. “Aber dieser Weg kann nicht leichtfertig beschritten werden”, zitiert der Guardian Mattarella.

Doch der Chef der Lega Nord, Matteo Salvini, hat es darauf angelegt, Neuwahlen in Italien durchführen zu lassen. Dem Economist zufolge würde sich Salvini bei einer Machtübernahme in Italien vor allem mit der EU in Fragen der Flüchtlingspolitik anlegen. Dies wäre nach Angaben der Zeitung eine gezielte Strategie der Ablenkung, wenn man sich die finanzielle Situation Italiens anschaue. Italiens öffentlicher Schuldenstand lag im vergangenen Jahr nach Angaben von Statista bei 2,32 Billionen Euro. Die Schuldenquote liegt bei 131 Prozent am BIP.

Viel problematischer ist das Ausmaß der notleidenden Kredite (Non-Performing Loans, NPL) bei den italienischen Banken.

Das zentrale Problem sind die faulen Kredite

Die außerordentlich hohe Anzahl an NPLs war bereits vor dem Brexit-Votum ein Problem. Es ist ein offenes Geheimnis, dass es der italienischen Wirtschaft nicht gelingen kann, eine Reduzierung der NPLs vorzunehmen. Ein notleidendes Darlehen ist einfach ein Darlehen, das nicht gemäß den vereinbarten Bedingungen zurückgezahlt wird, und der Grund dafür ist normalerweise die Unfähigkeit, es zurückzuzahlen. Nur eine dramatische Verbesserung der Wirtschaft würde die Rückzahlung dieser Kredite ermöglichen, doch die europäische Wirtschaft kann sich nicht drastisch genug verbessern, um an dieser Stelle auszuhelfen.

Problematisch war in der Vergangenheit vor allem der Umstand, dass die italienischen Banken die NPLs diskontierten statt sie abzuschreiben. Bis zu 17 Prozent der italienischen Kredite können nach Angaben von Geopolitical Futures (GPF) nicht zurückgezahlt werden. Infolgedessen geraten die Bilanzen der italienischen Banken unter Druck.

Die “Mutter aller systemischen Bedrohungen” liegt GPF zufolge in folgendem Prozess: Italienische Kredite werden weiterverkauft, und italienische Banken nehmen Kredite von anderen europäischen Banken auf. Diese Banken haben wiederum Kredite gegen italienische Schulden aufgenommen. Da Italien die viertgrößte Volkswirtschaft in Europa ist, stellt dieser Prozess eine Gefahr für das gesamte Bankwesen in der EU dar.

Der einzige Ausweg würde darin bestehen, durch eine Rettungsaktion der italienischen Regierung die Banken zu stützen. Doch Italien ist ein Teil der Eurozone und hat nur einen begrenzten Einfluss auf seine eigene Finanzpolitik. Diverse EU-Vorschriften erschweren den Regierungen die Rettung von Banken.

In diesem Zusammenhang sorgt auch die Bail-in-Regelung der EU für Empörung in Rom. Diese besagt, dass sich private Gläubiger an der Rettung von Banken beteiligen sollen. Aufgrund der Bail-in-Regelung besteht die Gefahr, dass Anleger und Gläubiger ihre Gelder verlieren. Als beispielhaft ist hier die Banken-Krise in Zypern zu nennen. In Zypern wurden Einlagen von mehr als 100.000 Euro zur Deckung der zyprischen Bankschulden beschlagnahmt. Einige wurden zurückgegeben, die meisten jedoch nicht. Die italienische Regierung versucht sicherzustellen, dass die Anleger ihre Einlagen nicht verlieren, da ein Bank-Run auf die Banken eine regelrechte “Kernschmelze” garantieren würde. Folglich würde dies zum Sturz der jeweiligen Regierung führen.

Situation ist aussichtslos, Salvini kann nichts machen

Die Situation der italienischen Banken ist als nahezu aussichtslos einzustufen. Dieser Tatsache ist sich auch der Lega Nord-Chef Matteo Salvini bewusst. Als im Januar 2019 die EZB von den italienischen Banken verlangte, mehr Rückstellungen für NPLs zu bilden, attackierte Salvini die EZB mit dem Vorwurf, die EZB wolle das italienische Bankensystem kaputt machen. “Dieses jüngste Foulspiel der EZB könnte Italien 15 Milliarden Euro kosten. Der Schritt zeigt, dass die EU-Bankenunion Instabilität schafft. Mehr Transparenz ist erforderlich, um jedweden Verdacht zu zerstreuen, dass die EZB politisch motiviert vorgeht”, zitiert der englischsprachige Dienst von Reuters Salvini.

Ende des zweiten Quartals 2018 saßen Banken im EU-Währungsraum noch auf notleidenden Krediten im Volumen von insgesamt rund 657 Milliarden Euro, berichtet das Handelsblatt. Auf Italiens Banken entfiel rund ein Viertel davon.

Salvinis Popularität ist nicht darauf zurückzuführen, dass er Ideen zur Rettung der italienischen Banken hat, sondern auf eine offensive Rhetorik, die sich gegen die EU und Flüchtlinge richtet, zurückgreift. Er hat sich auch angesichts anstehender Neuwahlen in Italien bei den italienischen Bürgern dafür eingesetzt, ihm “die volle Macht” zu übergeben.

Die Lega Nord liegt aktuellen Umfragen zufolge bei 38 Prozent, während die Fünf-Sterne-Bewegung nur bei 17 Prozent liegt, berichtet die Deutsche Welle. 40 Prozent benötigt die Lega Nord, um Italien alleine regieren zu können. In den vergangenen Tagen haben sich die italienischen Parteien getroffen, um mögliche neue Koalitionen zu erörtern. Die Fünf-Sterne-Bewegung ist offen für Gespräche mit der Demokratischen Partei, um eine mögliche Koalition ins Auge zu fassen. Dann wäre es auch möglich, dass Giuseppe Conte Premierminister bleibt, so Foreign Policy.

Schlussendlich ist es völlig unerheblich, ob Salvini oder Conte als Sieger aus möglichen Neuwahlen hervorgeht, oder aber die aktuellen Verhandlungen der Parteien zur Bildung einer neuen Regierung führen. Keiner Partei und Regierung wird es gelingen, die “Mutter aller systemischen Probleme” zu beheben.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährungsmarkt im Fokus: ETFs, XRP und Moon Hash – Weihnachtsbonusverträge beflügeln Cloud-Computing-Trends

Zum Jahresende erlebt der Kryptowährungsmarkt einen neuen Aufschwung. Kryptowährungs-ETFs und XRP ziehen zunehmend Gelder traditioneller...

X

DWN-Wochenrückblick

Weniger E-Mails, mehr Substanz: Der DWN-Wochenrückblick liefert 1x/Woche die wichtigsten Themen kompakt und Podcast. Für alle, deren Postfach überläuft.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

avtor1
Cüneyt Yilmaz

                                                                                ***

Cüneyt Yilmaz ist Absolvent der oberfränkischen Universität Bayreuth. Er lebt und arbeitet in Berlin.

DWN
Politik
Politik EU-Kapitalmarktunion: Warum kleine Staaten um ihre Finanzmacht kämpfen
21.12.2025

Die EU will ihren Kapitalmarkt neu ordnen und zentrale Aufsichtsrechte nach Paris verlagern, während kleinere Staaten den Verlust ihrer...

DWN
Panorama
Panorama DWN-Wochenrückblick KW 49: Die wichtigsten Analysen der Woche
21.12.2025

Im DWN Wochenrückblick KW 49 fassen wir die zentralen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der vergangenen Woche zusammen....

DWN
Panorama
Panorama DWN-Wochenrückblick KW 51: Die wichtigsten Analysen der Woche
21.12.2025

Im DWN Wochenrückblick KW 51 fassen wir die zentralen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der vergangenen Woche zusammen....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mittelstand vor existenziellen Problemen: Keine Aufträge und schlechte Rahmenbedingungen
21.12.2025

Wie eine aktuelle Umfrage des ifo-Instituts ergab, sehen sich 8,1 Prozent der befragten Firmen direkt in ihrer wirtschaftlichen Existenz...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-Zölle auf Kleinsendungen: Neue Abgabe trifft Online-Bestellungen aus Drittstaaten
21.12.2025

Der Online-Handel mit günstigen Waren aus Drittstaaten wächst rasant und stellt den europäischen Binnenmarkt vor strukturelle...

DWN
Finanzen
Finanzen Topanalyst enthüllt: Das sind die attraktivsten Rüstungsaktien
21.12.2025

Die globale Sicherheitslage wandelt sich rasant, und die Verteidigungsindustrie gewinnt an Bedeutung für Regierungen und Kapitalmärkte....

DWN
Technologie
Technologie Natrium-Batterien: Wie China die nächste Akkurevolution vorantreibt
20.12.2025

Chinesische Hersteller treiben die Entwicklung von Natrium-Batterien rasant voran und bedrohen damit das bisherige Lithium-Dominanzmodell...

DWN
Politik
Politik Härtefallfonds für bedürftige Ostrentner schliesst: 425 Millionen Euro ungenutzt
20.12.2025

Aus dem Härtefallfonds für bedürftige Rentner aus der ehemaligen DDR und Osteuropa fließen zu Jahresende mehrere Hundert Millionen Euro...