Finanzen

Deutsche-Bank-Chef warnt vor Spaltung der Gesellschaft durch Niedrigzinsen

Lesezeit: 2 min
04.09.2019 15:46  Aktualisiert: 04.09.2019 16:26
Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing hat die EZB davor gewarnt, die Zinsen weiter in den negativen Bereich abzusenken. Dies treibe die "Spaltung der Gesellschaft" voran.
Deutsche-Bank-Chef warnt vor Spaltung der Gesellschaft durch Niedrigzinsen
Christian Sewing, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank (Foto: dpa)
Foto: Arne Dedert

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing warnt vor einer erneuten Lockerung der Geldpolitik. "Gesamtwirtschaftlich wird eine weitere Zinssenkung auf dem aktuellen Niveau verpuffen", sagte Sewing am Mittwoch beim Bankengipfel des Handelsblatts in Frankfurt. "Sie wird lediglich die Vermögenspreise weiter in die Höhe treiben und die Sparer weiter belasten." Mittelständler würden nicht mehr investieren, nur weil Kredite noch einmal 10 Basispunkte billiger würden.

Die Hoffnung der Europäischen Zentralbank (EZB), mit einer Zinssenkung die schwächelnde Konjunktur anzukurbeln, teilt Sewing nicht. "Die Zentralbanken haben kaum noch Mittel, um eine echte Wirtschaftskrise wirkungsvoll abzudämpfen", sagte der Chef der größten deutschen Bank. "Langfristig ruinieren diese Niedrigzinsen das Finanzsystem."

Sewing warnte in diesem Zusammenhang auch vor einer "Spaltung der Gesellschaft". Denn negative Zinsen begünstigten diejenigen, die Vermögenswerte besitzen und Zugang zu billigen Krediten haben, indem sie die Preise für Häuser und Wertpapiere in die Höhe treiben und gleichzeitig die vielen deutschen Sparer bestrafen.

Banken in der Eurozone müssen für Einlagen bei der EZB Geld bezahlen, während Institute in den USA Guthabenzinsen erhalten. Dort wurden die Leitzinsen vor kurzem zwar gesenkt, sie liegen mit einer Spanne von 2,00 bis 2,25 Prozent aber deutlich über dem Eurozonen-Niveau von null Prozent. Europäische Banken hätten durch diesen Unterschied einen Wettbewerbsnachteil von rund 40 Milliarden Dollar, sagte Sewing. "Allein uns als Deutsche Bank kosten die negativen Einlagenzinsen einen dreistelligen Millionenbetrag in diesem Jahr. Auf vier Jahre hochgerechnet sind das mehr als zwei Milliarden Euro." Dieses Geld fehle für dringend notwendige Investitionen in Technologie.

Beim Umbau seines eigenen Hauses, dem weltweit 18.000 Stellen zum Opfer fallen, sieht Sewing sich auf einem guten Weg. Positionen aus dem Kassahandel mit Aktien seien inzwischen vollständig abgebaut und das Institut habe damit begonnen, die entsprechenden Systeme herunterzufahren. Der Zuschnitt der neuen Unternehmerbank, die künftig das Kernstück des Geldhauses darstellen soll, sei festgelegt. "Mit dieser neuen Strategie sehen wir uns für den konjunkturellen Abschwung gewappnet."

Die EZB kommt 12. September zu ihrer nächsten Ratssitzung zusammen. Insidern zufolge neigen die Währungshüter wegen der gestiegenen Konjunktursorgen dazu, ein Maßnahmenbündel zur Lockerung der Geldpolitik zu beschließen. Eine Senkung des Einlagensatzes begleitet von Erleichterungen für Banken sowie eine erneute Änderung des Zinsausblicks seien wahrscheinlich Teil des Pakets, hatten fünf mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters gesagt. Aktuell müssen Banken für Gelder, die sie bei der Notenbank parken, Strafzinsen von 0,4 Prozent zahlen.

Sewings Kommentare zeigen, wie das erwartete monetäre Konjunkturprogramm der EZB in der kommenden Woche zu einer politischen Kontroverse in Deutschland führen dürfte. Ökonomen erwarten unter anderem eine weitere Zinssenkung und die Wiederaufnahme des Anleihekaufprogramms,

Die Kritik des Deutsche-Bank-Chefs an der extrem lockeren Geldpolitik wurde von Martin Zielke unterstützt, dem Chef seines deutschen Hauptkonkurrenten Commerzbank, der bei derselben Veranstaltung sprach. "Die Zinsmargen der Banken stehen in diesem Umfeld unter Druck und das wird sich nicht ändern", zitiert ihn die Financial Times. "Ich glaube nicht, dass es eine besonders nachhaltige oder verantwortungsvolle Politik ist."

Einige Banken haben die Kosten für negative Zinsen an Unternehmen und andere Finanzinstitute weitergegeben, die Einlagen bei ihnen halten. Aber die meisten Banken haben dies für die Privatkunden bisher nicht getan, weil sie befürchten, dass die Verbraucher ihr Geld an einen billigeren Konkurrenten weitergeben oder es als Bargeld abheben könnten. Dies hat die Gewinnmargen der Banken beeinträchtigt, insbesondere derjenigen Institute, die für einen Großteil ihrer Finanzierung auf Einlagen von Privatkunden angewiesen sind.

Es wird erwartet, dass die EZB die Kosten für die Banken durch die Senkung des Einlagenzinses im September durch die Einführung eines gestaffelten Systems mildern wird, das einen Teil der überschüssigen Einlagen von den negativen Zinsen ausschließt. Dies wäre vergleichbar mit den Regeln, die bereits in anderen Ländern mit negativen Einlagenzinsen gelten, darunter Japan, Dänemark und die Schweiz.

Deutsche Banken schätzen, dass negative Zinsen sie 2,4 Milliarden Euro pro Jahr kosten - ein Drittel der Gesamtkosten für alle Banken der Eurozone. Die Deutsche und die Commerzbank streben beide Kostensenkungen an, um ihre nachlassende Profitabilität zu steigern, nachdem sie Anfang des Jahres eine Fusion geprüft hatten. Da Deutschland am Rande einer Rezession steht - eine Folge des Handelskriegs zwischen den USA und China, des Brexit und der Turbulenzen in der Automobilindustrie - stehen die Banken des Landes vor schwierigen Zeiten.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Dr. Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Dr. Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin als Geldanlage: „Das ist gleichzusetzen mit einem Besuch im Casino“
02.05.2024

Bitcoin entzweit trotz neuer Kursrekorde die Anlegergemeinschaft. Die einen halten große Stücke auf den Coin, die anderen sind kritisch....

DWN
Politik
Politik Heimatschutz: Immer mehr Bürger dienen dem Land und leisten „Wehrdienst light"
01.05.2024

Ob Boris Pistorius (SPD) das große Ziel erreicht, die Truppe auf über 200.000 Soldaten aufzustocken bis 2031 ist noch nicht ausgemacht....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Weltweite Aufrüstung verschärft Knappheit im Metallsektor
01.05.2024

Die geopolitischen Risiken sind derzeit so groß wie seit den Hochzeiten des Kalten Krieges nicht mehr. Gewaltige Investitionen fließen in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nachhaltigkeit als Schlüsselfaktor für Unternehmenserfolg
01.05.2024

Die Studie „Corporate Sustainability im Mittelstand“ zeigt, dass der Großteil der mittelständischen Unternehmen bereits Maßnahmen...