Finanzen

Zahlungsausfälle deutscher Unternehmen verdreifachen sich binnen eines Jahres

Der Kreditversicherer Atradius registrierte in den vergangenen 12 Monaten eine deutliche Zunahme der Gesamt-Forderungen in Deutschland und insgesamt in Westeuropa.
26.10.2019 14:00
Lesezeit: 3 min

Lieferanten und Dienstleister in Deutschland haben in den vergangenen zwölf Monaten drei Mal so viele Zahlungsausfälle erlitten wie noch im Jahr zuvor. Das geht aus einer aktuellen Studie des internationalen Kreditversicherers Atradius für das westeuropäische Firmengeschäft hervor. Demnach stieg bei deutschen Unternehmen der Gesamtwert der Forderungen, die am Ende eines Geschäftsjahres unbezahlt waren und abgeschrieben werden mussten, auf 2,1 % an. In der Vorjahresbefragung lag der Wert noch bei 0,7 %.

Atradius hatte für seine jetzt veröffentlichte Zahlungsmoralstudie mehr als 2.700 Unternehmen in 13 westeuropäischen Ländern (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Schweden, Schweiz, Spanien und Vereinigtes Königreich) nach ihren Zahlungserfahrungen in den vergangenen zwölf Monaten befragt.

Die Ergebnisse zeigen: Nicht nur in Deutschland, sondern auch in ganz Westeuropa ist das Forderungsrisiko zuletzt beträchtlich gestiegen. So nahm auch im regionalen Durchschnitt der Wert der Außenstände, die Unternehmen als uneinbringlich abschreiben mussten, innerhalb von zwölf Monaten von 1,3 % auf 2,2 % zu.

„Forderungsausfälle im niedrigen einstelligen Prozentbereich klingen erst einmal nicht verheerend – sie können aber beträchtliche Auswirkungen auf die finanzielle Stabilität eines Unternehmens haben“, erläutert Dr. Thomas Langen, Senior Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa von Atradius. Wie groß die Auswirkungen eines vermeintlich kleinen Ausfalls bereits sein können, zeigt folgendes Rechenbeispiel: Um einen Forderungsverlust von 5.000 Euro zu kompensieren, muss ein Unternehmen mit einer Umsatzrendite von 2,5 % schon einen Mehrumsatz von 200.000 Euro erwirtschaften.

Höheres Forderungsrisiko gegen sinkende Nachfrage

Das aktuelle Zahlungsmoralbarometer liefert auch eine mögliche Erklärung für den Anstieg der Zahlungsausfälle bei westeuropäischen Unternehmen: Sie haben sich zuletzt deutlich häufiger den Risiken eines Zahlungsausfalls ausgesetzt. So gewährten die von Atradius befragten deutschen Unternehmen in den vergangenen Monaten Zahlungsziele bei 59,3 % ihrer Geschäfte. Ein Jahr zuvor wurde nur bei 24,7 % des Umsatzvolumens die Zahlungsmodalität „auf Rechnung“ vereinbart. Auch in anderen westeuropäischen Ländern ist die Bereitschaft für Lieferantenkredite stark gestiegen. Waren Zahlungsziele in der Region in der Vorjahresstudie nur bei insgesamt 41,4 % des Umsatzes seitens der Lieferanten und Dienstleister akzeptiert worden, stieg der Wert jetzt auf 60,4 % an.

"Viele deutsche Unternehmen haben das Abkühlen der Weltwirtschaft in den vergangenen Monaten deutlich zu spüren bekommen und reagiert“, sagt Dr. Thomas Langen. „Um Umsätze in Zeiten verhaltener Nachfrage zu sichern, gehen sie mehr Risiken ein und gewähren zunehmend Zahlungsziele im härter werdenden Wettbewerb um Aufträge und Kunden. Gleichzeitig geben die höheren Ausfälle aber einen klaren Hinweis darauf, dass die Liquidität ihrer Abnehmer zuletzt gesunken ist. Die Unsicherheiten dürften daher künftig auch weiter zunehmen.“

Vor allem deutsche Unternehmen wollen Risiken nicht zu groß werden lassen

Die jüngste Atradius-Zahlungsmoralstudie zeigt auch die Bemühungen besonders von deutschen Unternehmen, das eigene Liquiditätsrisiko bei zunehmenden Lieferantenkrediten nicht zu groß werden zu lassen. So hat sich die durchschnittliche Länge der Zahlungsfristen gegenüber der Vorjahresstudie kaum geändert: Bei den befragten deutschen Unternehmen betrug sie zuletzt durchschnittlich 22 Tage (Vorjahresbefragung: 21 Tage), in Westeuropa durchschnittlich 34 Tage (32 Tage).

Auch ihre Abnehmer schauen sich deutsche Unternehmen sehr genau an: 45 % der Firmen hierzulande prüfen die Bonität ihrer Kunden – deutlich mehr als der westeuropäische Durchschnitt (36 %). Gleichzeitig gewähren deutsche Befragungsteilnehmer (36 %) eher Skonto für die vorzeitige Bezahlung von Rechnungen als andere Studienteilnehmer in Westeuropa (21 %) und Osteuropa (18 %). Bei überfälligen Rechnungen betreiben weitaus mehr deutsche Befragungsteilnehmer (38 %) Mahnaktivitäten (Erinnerungen an ausstehende Rechnungen) als die befragten Unternehmen in Westeuropa (28 %) und Osteuropa (36 %).

Für ein intensiviertes Forderungsmanagement spricht auch, dass die Firmen überfällige Forderungen zuletzt schneller einholten: In Westeuropa vergingen nach der Rechnungsstellung durchschnittlich 51 Tage, bis das Geld auf dem Firmenkonto einging. In der Vorjahresbefragung lag die Durchschnittsdauer noch bei 57 Tagen. In Deutschland sank die Dauer zwischen Rechnungsstellung und Zahlungseingang von 39 auf 36 Tage.

Erwartete Zahlungsmoral: Sind die Unternehmen noch zu optimistisch?

Hinsichtlich der Zahlungsmoral ihrer Kunden blicken die Unternehmen zuversichtlich in die kommenden zwölf Monate. 55 % der befragten westeuropäischen Firmen erwarten keine Veränderung der Zahlungsmoral. In Deutschland gehen 59 % von einem gleichbleibenden Zahlungsverhalten ihrer Abnehmer aus. Und nur 25 % der befragten Firmen in Westeuropa und in Deutschland erwarten eine Verschlechterung der Zahlungsmoral in den kommenden zwölf Monaten.

„Die Insolvenzen in Westeuropa steigen bis Ende des Jahres voraussichtlich auf 2,7 % an“, sagt Dr. Thomas Langen. „Damit ist der Ausblick für Westeuropa deutlich düsterer als zum Beispiel der für Osteuropa, für Nordamerika oder für die Asien-Pazifik-Region. Im kommenden Jahr dürften die westeuropäischen Firmenpleiten noch einmal um 0,7 % steigen. Weiterhin belasten zahlreiche Unsicherheiten das Geschäft der hiesigen Unternehmen, etwa der Handelsstreit mit den USA, die anhaltende Brexit-Unsicherheit oder die Krise in der Automobilindustrie. Häufiger Zahlungsziele zu gewähren kann ein gutes Mittel sein, um in Zeiten sinkender Nachfrage das Geschäft zu sichern. Die Strategie geht jedoch nur auf, wenn die Forderungen richtig abgesichert sind.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Blick aus China: Die USA haben an Bedeutung verloren, Zölle beeinträchtigen die Lieferketten nicht
18.04.2025

Die Bedeutung des US-Marktes für China habe in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen und mache heute nur noch 14 Prozent der...

DWN
Finanzen
Finanzen Milliardärsmanager fliehen aus US-Aktien: Der stille Countdown zur Rezession hat begonnen
17.04.2025

Eine neue Erhebung der Bank of America zeigt: Die Stimmung unter den großen Vermögensverwaltern kippt dramatisch. Während die Finanzwelt...

DWN
Politik
Politik Merz und EU offen für Tauruslieferung an Ukraine: Kreml warnt vor direkter Kriegsbeteiligung
17.04.2025

In der Opposition war Merz offen für eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Als voraussichtlicher Kanzler ist er das...

DWN
Panorama
Panorama Die Macht der WHO: Internationaler Pandemievertrag kommt
17.04.2025

Fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie haben sich die WHO-Mitgliedstaaten auf ein Pandemieabkommen geeinigt. „Ich habe keinen...

DWN
Technologie
Technologie Mechanische Speicher als geopolitische Alternative: Lithium-Batterien geraten unter Druck
17.04.2025

Angesichts wachsender Abhängigkeit von China bei Lithium-Batterien rücken mechanische Energiespeicher in den Fokus. Eine...

DWN
Technologie
Technologie Japanisches Genie revolutioniert Energiewende – Supermagnet jetzt 20 Milliarden Euro wert
17.04.2025

Im globalen Wettrennen um Energiesouveränität und technologische Vorherrschaft hat sich ein unscheinbares Element als strategischer...

DWN
Politik
Politik Taiwan, Sanktionen und Respekt - China stellt klare Bedingungen für Handelsgespräche mit den USA
17.04.2025

China fordert mehr Respekt und klare Signale der USA, bevor Handelsgespräche beginnen – eine Einigung ist entscheidend für die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Steht das Verbrenner-Verbot vorm aus? Europas Rechte bläst zum Gegenschlag gegen EU-Establishment
17.04.2025

Konservative und rechte Kräfte im EU-Parlament wollen das Aus für Verbrennungsmotoren kippen – mit wachsender Unterstützung auch aus...