Finanzen

EZB-Vizepräsident: „Die Nebeneffekte unserer Geldpolitik nehmen zu“

Dem Vize-Präsidenten der Europäischen Zentralbank zufolge sind die Nebeneffekte der ultralaxen Geldpolitik auf dem Vormarsch. Bei diesen „Nebeneffekten“ handelt es sich um die schrittweise Enteignung von Europas Sparern.
18.11.2019 14:48
Lesezeit: 2 min

Die Nebeneffekte der seit Jahren angewendeten und sukzessive verschärften Nullzinspolitik im Euroraum nehmen nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) zu. "Wir sind uns voll und ganz bewusst, dass unsere Geldpolitik einige Nebeneffekte verursacht hat und dass die Nebeneffekte auf dem Vormarsch sind", sagte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos am Montag bei einer Konferenz in Frankfurt.

Die seit 1. November amtierende EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte aber bereits vor ihrem Amtsantritt deutlich gemacht, dass sie eine sehr lockere Geldpolitik für absehbare Zeit für nötig hält. Lagarde hatte aber auch – offenbar mit Blicvk auf den wachsenden Unmut über die schleichende Enteignung der europäischen Sparer – gesagt: "Wir müssen die negativen Folgen und Nebeneffekte im Blick behalten." Die Sorgen der Menschen müssten beachtet werden. Außerdem wolle sie die Entscheidungen der Notenbank künftig besser erklären.

Lagardes Vorgänger Mario Draghi hatte alle Register gezogen: Der Leitzins liegt seit Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent, Banken müssen inzwischen 0,5 Prozent Negativzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Diese Negativzinsen gegen sie zunehmend direkt an die Kunden weiter. Zuletzt hatte die Commerzbank angekündigt, „wohlhabenden“ Privatkunden die EZB-Strafzinsen in Rechnung zu stellen. Zudem steckt die EZB seit diesem November frische aus dem Nichts geschaffene Milliarden in den Kauf von Staatsanleihen. De Guindos sieht dabei noch ausreichend Spielraum für den Kauf von Wertpapieren.

Das Bundesfinanzministerium unter Olaf Scholz dringt indes auf Fortschritte bei der Etablierung einer europaweiten Einlagensicherung. "Die Europäische Bankenunion ist im Moment viel zu fragmentiert. Seit der Finanzkrise haben wir sogar einen Rückgang der europäischen Integration gesehen", sagte Finanzstaatssekretär Jörg Kukies bei der Konferenz "Euro Finance Week" am Montag in Frankfurt. Die Folge sei ein strategischer Wettbewerbsnachteil der europäischen Realwirtschaft gegenüber großen Wirtschaftsräumen wie den USA und China. "Das muss dringend angegangen werden."

Nach Jahren des politischen Stillstands hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) Anfang November überraschend Bereitschaft für eine europäische Sicherung für Sparguthaben signalisiert. Bedingung sei aber, dass gleichzeitig Risiken im Bankensektor abgebaut würden.

"Wir werden sicherlich über Übergangsfristen sprechen müssen", sagte Kukies in Frankfurt. Aber der Abbau ausfallgefährdeter Kredite (non-performing loans/NPL) komme europaweit voran. "Es kann durchaus sein, dass wir in zwei, drei, vier Jahren ein Niveau erreicht haben, wo wir sagen können, dass Europa das Ziel erreicht hat." Kukies betonte: "Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, dann müssen wir auch bereit sein, die Schritte zu gehen, was die Einlagensicherung angeht, die alle europäischen Partner von uns verlangen."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Mindestlohn: Viele Deutsche halten 13,90 Euro für zu niedrig
23.12.2025

13,90 Euro mehr Wertschätzung für Arbeit? Für viele Beschäftigte klingt das eher nach einem politischen Kompromiss als nach einem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kakao-Krise eskaliert: Warum Schokolade neu erfunden werden muss
23.12.2025

Schokolade wird teurer, kleiner und zunehmend anders zusammengesetzt. Hinter den Kulissen zwingt die Kakao-Krise Hersteller, Forscher und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen ZF verkauft Fahrerassistenzgeschäft: 3.750 Mitarbeiter wechseln
23.12.2025

ZF zieht die Reißleine. Mit dem Verkauf seines Fahrerassistenzgeschäfts an die Samsung-Tochter Harman trennt sich der angeschlagene...

DWN
Politik
Politik Autoindustrie im Umbruch: EU passt Emmissionsziele an und schafft neuen Spielraum für Hersteller
23.12.2025

Die EU lockert ihre Emissionsziele für neue Autos ab 2035 und eröffnet damit neue Spielräume für alternative Antriebskonzepte. Welche...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Hilfsarbeitskraft: Deutschlands unterschätzte Welle zur Rettung bei Fachkräftemangel
23.12.2025

Die Krise im deutschen Mittelstand ist real: Der Fachkräftemangel lähmt das Wachstum. Die strategische Antwort darauf ist die...

DWN
Finanzen
Finanzen Dividenden 2025: Finanzsektor glänzt, Autobauer kürzen massiv
23.12.2025

Während die Autobranche unter Druck steht, feiern Banken und Versicherer Rekordzahlen. Für deutsche Aktionäre bedeutet das ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Gold und Silber auf Rekordkurs: Edelmetalle profitieren von Zinserwartungen und Geopolitik
23.12.2025

Edelmetalle rücken erneut in den Fokus der Finanzmärkte und markieren ungewöhnliche Preisbewegungen in einem zunehmend unsicheren...

DWN
Politik
Politik Mike Pompeo über China und Russland: Die wahre Bedrohung für den Westen
23.12.2025

Der frühere US-Außenminister Mike Pompeo entwirft ein Bild globaler Machtverschiebungen, in dem Abschreckung und strategische Klarheit...