Das laufende Jahr hat schon jetzt den bisherigen Rekord aus dem Jahr 2017 bei der Begebung von Unternehmensanleihen deutlich übertroffen. Auch haben sich die Renditen trotz der sich anbahnenden Rezession bisher kaum von den Renditen der Staatsanleihen abgekoppelt. Erst ein genauerer Blick zeigt das wachsende Misstrauen der Investoren bei bestimmten Formen von Unternehmensanleihen und in gewissen Segmenten des Marktes.
Keine Probleme zeigen sich bisher bei Unternehmensanleihen mit dem schlechtesten Investment-Grade-Rating (BBB) oder dem besten Junk-Rating (BB). Hier hat sich der Zinsaufschlag (Spread) gegenüber US-Staatsanleihen im Verlauf der 14 Monate von Ende September 2018 bis Ende November 2019 kaum verändert (von 1,41 auf 1,43 Punkte beziehungsweise von 2,12 auf 2,17 Punkte).
Schaut man jedoch auf die Zinsaufschläge für riskantere Unternehmensanleihen mit dem Rating CCC oder niedriger, so zeigt sich ein erheblicher Anstieg von 6,58 auf 11,31 Punkte. Dieser Anstieg um 473 Basispunkte gegenüber dem Tiefstand Ende 2018 deutet sehr wohl darauf hin, dass Anlass zur Sorge besteht. Hierzu schreibt der Finanzanalyst Pater Tenebrarum:
"Es ist es selten, dass die Zinsaufschläge dieser Ratingklassen so stark auseinander driften, zu einer Zeit, in der die Spreads für besser bewertete Anleihen noch nahe an ihren Tiefstständen liegen. Normalerweise geschieht genau das Gegenteil: Wenn die Spreads enger werden, kommen in der Regel auch die Spreads der verschiedenen Ratingklassen näher zu einander. Nur wenn die Spreads auf breiter Front steigen, zeigen die Spreads bei Anleihen mit niedrigerem Rating eine Tendenz zu einem schnelleren Anstieg als bei Anleihen mit besserem Rating."
Diese Abkopplung der Zinsaufschläge ist dem Analysten zufolge aber nur eine "subtile Warnung", dass der Kreditzyklus sich möglicherweise seinem Ende nähert. Denn in der Regel gilt diese Abkopplung der Spreads einfach als Zeichen dafür, dass die Anleihenkäufer selektiver bei der Auswahl der Unternehmen geworden sind, deren Anleihen sie kaufen - was eine gute Sache wäre. Die Sorgen sind auch deshalb bisher gering, weil 2019 ein Rekordjahr bei der Emission von Unternehmensanleihen ist. Zudem sind die Zahlungsausfälle bei Unternehmensanleihen mit hohen Renditen nach wie vor sehr gering.
Ratingagentur S&P sieht wachsende Ausfallrisiken
Die Probleme im Bond-Markt zeigten sich zuletzt bei jenen Unternehmensanleihen, die von der Ratingagentur S&P als "hoch spekulativ" (B-) oder schlechter bewertet werden und die einen negativen Ausblick haben oder die mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit in den kommenden drei Monaten einen negativen Ausblick erhalten werden. S&P bezeichnet diese Anleihen der Einfachheit halber auch als "Weakest Links" oder "schwächste Glieder".
Die Zahl der "schwächsten Glieder" unter den Schuldnern stieg von 243 im August auf 263 im September und markierte damit den höchsten Stand seit November 2009, als die globale Ausfallrate inmitten der Finanzkrise auf einem Rekordhoch von 10,5 Prozent lag, so S&P. Die Ausfallrate der "schwächsten Glieder" sei fast achtmal so hoch wie die des breiteren spekulativen Segments, und der Anstieg der "schwächsten Glieder" könnte höhere Ausfallraten bedeuten, sagte Sudeep Kesh, Leiter von S&P Global Credit Markets Research.
Anders als in den Jahren 2015 und 2016 sind es diesmal nicht die Öl- und Gasunternehmen, die am stärksten unter den "schwächsten Gliedern" vertreten sind. Führend sind vielmehr die Konsumgüterunternehmen, die rund 20 Prozent aller betroffenen Emittenten darstellen. An zweiter Stelle stehen die Energieunternehmen mit einem Anteil von rund 10 Prozent, dicht gefolgt von Medienunternehmen und Restaurantketten. Zwar gibt es in diesen Sektoren branchenspezifische Probleme. Doch offensichtlich haben auch sehr viele Unternehmen ihre Bilanzen überlastet.
Das Wachstum der "schwächsten Glieder" in den USA zeugt von der Verbreitung sogenannter Zombie-Unternehmen, die infolge der Zentralbankpolitik in den letzten Jahren entstanden sind. Das sind Unternehmen, die keinen oder nur noch einen ganz kleinen Gewinn erzielen, weil sie mit ihren operativen Erträgen die Zinskosten nicht decken können, und sich daher nur noch mit billigen Krediten über Wasser halten können. Solche Zombie-Unternehmen gibt es heute weltweit und dank der EZB zunehmend auch in Deutschland.
In den kommenden Jahren ist in den USA eine Rekordsumme hochverzinslicher Anleihen fällig, wie der Analyst Pater Tenebrarum schreibt. Das bedeutet, dass viele Zombie-Unternehmen darauf angewiesen sein werden, dass Anleger weiterhin auf höhere Rendite verzichten. Und die aktuelle Rekordnachfrage nach Neuemissionen wird sich sogar noch verstärken müssen.
Zwar verfolgen die Zentralbanken weltweit - darunter die Federal Reserve und die Europäische Zentralbank - seit diesem Jahr wieder eine äußerst lockere Geldpolitik, was die Nachfrage nach Unternehmensanleihen unterstützt. Doch auf der anderen Seite droht sich die Konjunktur weiter abzuschwächen, was die Nachfrage nach Unternehmensanleihen abschwächen dürfte.