Deutschland

Merkel hat sich durchgesetzt: Thüringens Ministerpräsident Kemmerich will Landtag auflösen

Thüringens neuer FDP-Ministerpräsident Thomas Kemmerich will sein Amt aufgeben. Lesen Sie die Reaktionen der deutschen Politik.
06.02.2020 13:41
Aktualisiert: 06.02.2020 13:41
Lesezeit: 3 min

Thüringens neuer FDP-Ministerpräsident Thomas Kemmerich will sein Amt aufgeben. Die FDP-Fraktion will dafür einen Antrag auf Auflösung des Landtags stellen, um eine Neuwahl herbeizuführen. Das teilte die Fraktion am Donnerstag mit.

«Thomas L. Kemmerich will damit den Makel der Unterstützung durch die AfD vom Amt des Ministerpräsidenten nehmen», hieß es in der Mitteilung der Thüringer FDP-Fraktion.

Kemmerich, dessen Partei im Herbst nur knapp den Sprung in den Thüringer Landtag geschafft hatte, war am Mittwoch mit Stimmen von Liberalen, CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Er hatte sich nur knapp gegen den bisherigen Regierungschef Bodo Ramelow von den Linken durchgesetzt.

Es war das erste Mal, dass die AfD einem Ministerpräsident ins Amt half. Bundeskanzlerin Merkel hat die Wahl Kemmerichs am Donnerstag als einen "unverzeihlichen Vorgang" bezeichnet und gefordert, dass die Wahl rückgängig gemacht wird.

Erste Reaktionen auf die geplante Parlamentsauflösung

Peter Altmaier (CDU), Bundeswirtschaftsminister sagte, er sei erleichtert über die angekündigte Auflösung des Landtags in Thüringen. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass Kräfte vom rechten Rand einen entscheidenden Einfluss auf die Politik ausübten.

Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt, per Twitter: "Endlich"

Alice Weidel, AfD-Fraktionschefin Bundestag, per Twitter.: "Das politische Berlin steht Kopf, weil ein Ministerpräsident der SED-Nachfolgepartei nicht gewählt wurde. Nun wird der FDP-Ministerpräsident zur Aufgabe gezwungen. Merkel & alle Parteien offenbaren ein erschreckendes Demokratieverständnis - nämlich gar keines!"

SPD-Parteichef Norbert Walter-Borjans sagte, man wolle der Union Fragen beim Koalitionsausschuss am Samstag stellen. "Wie stellen wir sicher, dass dieser Dammbruch so schnell wie möglich behoben wird?" Es könne nicht sein, dass es eine kommissarische Amtsführung eines Ministerpräsidenten gebe, dem jede demokratische Legitimation fehle. Die SPD fordere zudem den Abtritt von Christian Hirte (CDU) als Ostbeauftragten der Bundesregierung. Hirte hatte per Twitter Kemmerich zur Wahl gratuliert und es als Erfolg bezeichnet, dass SPD, Linke und Grüne abgewählt worden seien.

Katrin Göring-Eckardt, Grüne-Fraktionschefin: "Herr Kemmerich muss tatsächlich zurücktreten und das nicht nur ankündigen. Ich sehe dann zwei Optionen, wie es weitergeht: Entweder gibt es innerhalb der Union genügend Abgeordnete, die eine Rot-Rot-Grüne Regierung offen, verlässlich und dauerhaft unterstützen, oder Neuwahlen sind die Konsequenz."

Björn Höcke, AfD-Landeschef Thüringen: "Demokratische Entscheidungen werden nicht respektiert." "Die Bundeskanzlerin meldet sich aus Südafrika und redet wie zu Untertanen, indem sie wörtlich fordert, dass 'das Ereignis rückgängig gemacht' werden müsse." "Das Wahlverhalten der - nur ihrem Gewissen unterworfenen - Abgeordneten wird von Parteizentralen aus Berlin sanktioniert."

Renate Künast, Grüne auf Twitter: "Die Trickserei hört nicht auf!"

Beatrix von Storch, stellvertretende AfD-Bundesparteivorsitzende auf Twitter: "Chaos bei der Umfallerpartei FDP zeigt, bürgerliche Wähler sind bei der AfD besser aufgehoben."

Christian Haase, CDU-Bundestagsabgeordneter auf Twitter: "Neuwahlen sind nur dann eine Chance für Thüringen, wenn sich die demokratischen Parteien vorab auf einen neuen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten einigen. Nur so lässt sich Spaltung des Landes überwinden."

Links-Partei in Sachsen auf Twitter: "Ehrlich gesagt ist das die erste richtige Entscheidung der FDP, an die ich mich seit vielen, vielen Jahren erinnern kann. CDU und FDP werden mit dieser unrühmlichen Kooperation mit Faschisten langanhaltend in Erinnerung bleiben."

Christian Lindner, FDP-Parteichef, will sich im Vorstand seiner Partei am Freitag der Vertrauensfrage stellen. Die Bundesführung der FDP müsse nach den Vorgängen um die Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten neu legitimiert werden. Er wolle aber die Partei weiter führen. Kemmerich habe sich nun aus der Abhängigkeit der Partei befreit: "Thomas Kemmerich hat die einzig richtige, einzig mögliche Entscheidung getroffen."

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warnt den Koalitonspartner CDU im "Spiegel" vor den Folgen der Vorgänge: "Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik haben CDU und FDP Nazis die Hand gereicht", sagte er. "Damit haben sie den demokratischen Grundkonsens 'Nie wieder' aufgekündigt." Das sei eine tektonische Veränderung der politischen Landschaft. Darüber werde auch am Samstag im Koalitionsausschuss geredet.

Sigmar Gabriel (SPD), Ex-Außenminister per Twitter: "Die Kanzlerin Angela Merkel nennt den Pakt von CDU & FDP mit der AfD in Thüringen einen 'unverzeihlichen Vorgang' und rettet damit Deutschlands Ehre."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Gesundheitscheck vor der Einstellung: Rechte und Grenzen für Bewerber
01.06.2025

Ein Vorstellungsgespräch ist erfolgreich verlaufen, doch bevor der Arbeitsvertrag unterschrieben wird, fordert der potenzielle Arbeitgeber...

DWN
Technologie
Technologie SaaS ist tot – die Zukunft gehört der KI, nicht Ihrer Plattform
01.06.2025

Niemand will die Nutzung Ihrer Plattform lernen – Unternehmen wollen Ergebnisse. Künstliche Intelligenz ersetzt Tools durch fertige...

DWN
Panorama
Panorama EU-Reform könnte Fluggastrechte deutlich schwächen
01.06.2025

Von Verspätungen betroffene Fluggäste haben in Zukunft möglicherweise deutlich seltener Anspruch auf Entschädigung. Die EU-Staaten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...