Finanzen

Erdogans Zinspolitik könnte die Regeln der Geldtheorie widerlegen

Der türkische Präsident Erdogan will den Leitzins weiter absenken und auf diese Weise die hohe Inflationsrate seines Landes in den Griff bekommen. Dies widerspricht eigentlich den Regeln der Geldtheorie.
14.02.2020 09:50
Aktualisiert: 14.02.2020 09:50
Lesezeit: 3 min
Erdogans Zinspolitik könnte die Regeln der Geldtheorie widerlegen
Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, spricht vor Mitgliedern seiner Regierungspartei im Parlament in Ankara. (Foto: dpa) Foto: Burhan Ozbilici

Noch bis Juli letzten Jahres lag der Leitzins in der Türkei bei 24 Prozent. Seitdem hat die Zentralbank des Landes den Leitzins Schritt für Schritt auf 11,25 Prozent abgesenkt. Und am Mittwoch prognostizierte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, dass sich der Trend sinkender Zinsen in der Türkei fortsetzen wird.

In einer Rede vor den Abgeordneten seiner Regierungspartei AKP äußerte Erdogan die Hoffnung, dass die jährliche Inflationsrate in diesem Jahr unter dem Jahresendziel der Regierung von 8,5 Prozent liegen wird. Im vergangenen Monat hatte die Inflationsrate knapp über 12 Prozent gelegen.

Der türkische Präsident bemühte sich, die nach wie hohe Inflation sowie die Schwäche der türkischen Währung gegenüber dem Dollar positiv zu bewerten: "Trotz sinkender Zinsen ist der Wechselkurs nicht explodiert, die Inflation ist nicht sprunghaft angestiegen und die Märkte wurden nicht aufgewühlt", zitiert ihn Reuters.

Die türkische Lira ist am Mittwoch auf den niedrigsten Stand gegenüber dem Dollar seit Mai gefallen. Analysten erklären den Rückgang der türkischen Währung mit der Besorgnis der Investoren im Hinblick auf die Eskalation der Gewalt in der syrischen Stadt Idlib, wohin die Türkei militärische Verstärkung geschickt hat.

Die türkischen Staatsbanken haben im letzten Jahr Dutzende Milliarden Dollar verkauft, um die Lira zu stabilisieren, die nach der Währungskrise im Jahr 2018 innerhalb von zwei Jahren 36 Prozent ihres Wertes verloren hat. Die türkischen Staatsbanken haben Ökonomen zufolge auch letzte Woche wieder interveniert, um die Lira zu stützen.

Die Schwäche der Lira gegenüber dem Dollar allein ist jedoch kein Warnsignal. Denn der Euro steht kaum besser da und handelt derzeit auf dem niedrigsten Stand zum Dollar seit zweieinhalb Jahren. Hintergrund ist die schwache wirtschaftliche Entwicklung in Europa. So verzeichnete die deutsche Industrie bereits im Dezember ein starkes Auftragsminus - und das war vor dem Ausbruch der Corona-Krise.

Um die Lira zu stabilisieren, haben die türkischen Aufsichtsbehörden zudem Maßnahmen gegen Leerverkäufe angekündigt. Sie wollen es den Hedgefonds sehr schwerer machten, gegen die türkische Währung zu wetten. In der Folge haben sich ausländische Investoren von türkischen Vermögenswerten getrennt.

Ende Januar veröffentlichte Daten haben gezeigt, dass ausländische Investoren in den vergangenen zwölf Monaten türkische Anleihen im Umfang von mehr als 3,3 Milliarden Dollar verkauft haben, sodass ihr Anteil am Markt für Schulden in der türkischen Landeswährung auf ein Rekordtief von 11 Prozent gefallen ist.

Präsident Erdogan sagte, dass die Wirtschaftsindikatoren für die Türkei derzeit ein positives Gesamtbild abgeben. Damit widerspricht er ausdrücklich den Warnungen einiger Analysten, wonach eine Fortsetzung der Zinssenkungen die türkische Lira weiter abwerten und die Inflation wieder antreiben könnte.

Erdogan bezeichnete den noch immer relativ hohen Leitzins seines Landes als "Mutter allen Übels". Entgegen der Standard-Geldtheorie behauptete er, dass hohe Zinssätze die Inflation anheizen würden. Zuvor hatte er angekündigt, dass der Leitzins im Jahr 2020 auf einstellige Zahlen fallen werden, was als politische Einmischung in die Geldpolitik angesehen wird.

Die türkische Zentralbank hat ihren Leitzins zuletzt am 16. Januar um 75 Basispunkte auf 11,25 Prozent abgesenkt. Allerdings war dieser letzte Zinsschritt weniger aggressiv als diejenigen zuvor. Dies könnte darauf hindeuten, dass weitere Zinsschritte ebenfalls geringer ausfallen werden, auch weil das Land die wirtschaftliche Rezession offenbar bereits überwunden hat.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China kündigt Gegenmaßnahmen auf US-Zölle an - so könnte die EU reagieren
04.02.2025

Während Mexiko und Kanada mit US-Präsident Donald Trump eine Vereinbarung zur vorübergehenden Aussetzung von Zöllen erzielten, kam es...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Spotify: Musikstreaming-Anbieter legt starke Zahlen vor - Aktie im Aufwind
04.02.2025

Spotify hat für das vierte Quartal im letzten Jahr starke Zahlen vorgelegt und kann immer mehr Nutzer von seinem Angebot überzeugen -...

DWN
Immobilien
Immobilien Anmeldung einer Wohnung: Die Krux des Meldewesens und wie Vermieter am Immobilienmarkt herumtricksen
04.02.2025

Es gibt eine neue Initiative namens „Anmeldung für alle“, die das polizeiliche Meldewesen als letzte Hürde des ungebremsten Zuzugs,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rheinmetall-Aktie nach Großauftrag mit Auf und Ab an der Börse
04.02.2025

Die Bundeswehr beschert dem Rüstungskonzern Rheinmetall einen Großauftrag in Milliardenhöhe. An der Börse ist mächtig Bewegung drin....

DWN
Politik
Politik Erste Wahlumfragen nach Migrationsdebatte: So schneidet CDU/CSU ab
04.02.2025

Die CDU/CSU ist mit der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD im Bundestag hohes Risiko gefahren. Doch wie macht sich das in der Wählergunst...

DWN
Finanzen
Finanzen Wall-Street-Analyse: Börsenprofis ziehen Parallelen zum Platzen der Dotcom-Blase
04.02.2025

Das effizientere KI-Modell des chinesischen Start-ups DeepSeek hat vergangene Woche hoch bewertete KI- und Technologieaktien erschüttert....

DWN
Panorama
Panorama Altkanzler Schröder mit Burnout in Klinik
04.02.2025

Altkanzler Gerhard Schröder hat sich zur Behandlung eines schweren psychischen Leidens in klinische Behandlung begeben. Laut seinem Arzt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Darum verkauften Brauereien 2024 so wenig Bier wie noch nie
04.02.2025

Der langfristige Rückgang des Bierkonsums in Deutschland setzte sich auch im vergangenen Jahr fort – trotz der...