Finanzen

Bundesregierung macht hunderte Milliarden Euro für Unternehmen locker, beendet Schwarze Null mit Milliarden-Neuschulden

Lesezeit: 3 min
25.03.2020 15:29  Aktualisiert: 25.03.2020 15:29
Die Bundesregierung stellt großen Unternehmen 600 Milliarden Euro an Garantien und Krediten zur Verfügung. Auch Verstaatlichungen sind möglich. Für kleinere Firmen sind 50 Milliarden Euro eingeplant.
Bundesregierung macht hunderte Milliarden Euro für Unternehmen locker, beendet Schwarze Null mit Milliarden-Neuschulden
Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie, gibt seine Stimmkarte bei der namentlichen Abstimmung während der 154. Sitzung des Bundestages für den Nachtragshaushalt, Kreditobergrenzen und Wirtschaftsfonds im Rahmen der Corona-Krise im Foyer mit Sicherheitsabstand ab. (Foto: dpa)
Foto: Michael Kappeler

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Angesichts der bereits spürbaren Folgen der Corona-Epidemie in Wirtschaft und Gesellschaft wird der Ruf nach einer schnellen Umsetzung des beispiellosen staatlichen Hilfspakets immer lauter. Vor allem viele Klein- und Kleinstunternehmer leiden schon jetzt unter den massiven Einschränkungen.

Der Schutzschirm für Familien, Mieter, Beschäftigte, Selbstständige und Unternehmen nahm indessen die zweite Hürde. Der Bundestag stimmte dem Paket, das das Kabinett zu Beginn der Woche auf den Weg gebracht hatte, am Mittwoch mit großer Mehrheit zu. Am Freitag soll der Bundesrat folgen - wieder im Eilverfahren. Hier sind aber nicht alle Einzelgesetze zustimmungspflichtig.

Vor diesem bedrohlichen Hintergrund kam in der Debatte, aber auch außerhalb des Bundestages der Wunsch auf, schon jetzt über Exitstrategien aus dieser historisch schweren Krise nachzudenken. Damit sollen dauerhafte Schäden vermieden werden. Die Kritik aus der Opposition: Bislang fehle ein Plan für das, was nach Ostern beziehungsweise in zwei oder drei Monaten notwendig sein wird.

Etliche Redner schlossen nicht aus, dass beim Hilfspaket nachgelegt werden muss. Schon mit dem jetzigen Paket bringt die Bundesregierung gewaltige Summen auf. Nach sechs Jahren ohne neue Schulden fällt die schwarze Null im Bundeshaushalt: Das Kabinett beschloss einen Nachtragshaushalt mit einer Neuverschuldung von rund 156 Milliarden Euro. Dafür setzte der Bundestag eine Notfallregelung in Kraft.

Kleine Firmen und Solo-Selbstständige wie Künstler und Pfleger sollen über drei Monate direkte Zuschüsse von bis zu 15 000 Euro bekommen. Über einen Stabilisierungsfonds bis zu 600 Milliarden Euro sollen Großunternehmen mit Kapital gestärkt werden können. Der Staat soll sich notfalls auch an Firmen beteiligen können. Das Insolvenzrecht soll gelockert werden. Bereits am Montag startete ein unbegrenztes Sonder-Kreditprogramm der staatseigenen Förderbank KfW.

Außerdem sollen Vermieter ihren Mietern nicht mehr kündigen dürfen, wenn diese wegen der Krise ihre Miete nicht zahlen können. Familien mit Einkommenseinbrüchen sollen leichter Kinderzuschlag bekommen. Mit erweiterten Regelungen zur Kurzarbeit sollen Unternehmen Beschäftigte leichter halten können. Krankenhäuser sollen mit mehr als drei Milliarden Euro unterstützt werden.

Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) forderte ein Ende der wirtschaftlichen Auszeit nach Ostern. "Für die gesamte Volkswirtschaft und unseren Staat wird der Schaden nachhaltig und über Jahrzehnte nicht kompensierbar sein, wenn wir nicht spätestens nach Ostern die Wirtschaft wieder schrittweise hochfahren", sagte Linnemann der "Bild"-Zeitung (Mittwoch).

Auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner forderte eine "Exit-Strategie". Die jetzigen Beschränkungen seien verhältnismäßig. Der aktuelle Zustand passe aber nicht zu einer offenen Gesellschaft, gefährde die Wirtschaft und auch den sozialen Frieden. Da "schon in der allernächsten Zeit die Akzeptanz der Menschen sinken könnte", müsse der Zustand "Schritt für Schritt, aber so schnell wie möglich" überwunden werden.

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland mahnte ebenfalls, die Regierung müsse auch einen langfristigen Plan vorlegen. Die Menschen wollten wissen, was geschehe, "wenn es in drei Monaten immer noch keine Entwarnung gibt".

Unionsfraktionsvize Andreas Jung sprach sich für einen Tilgungsplan für die Kredite aus, die während der Corona-Krise auflaufen. Ein Tilgungsplan sei ein Versprechen an die Kindergenerationen, ihnen nicht die Schulden der jetzigen Krise zu überlassen.

Bereits vergangene Woche hatte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) im "Spiegel" angedeutet, dass irgendwann der Zeitpunkt kommen könnte, "an dem man zur sogenannten Umkehrisolation übergeht". "Die jüngere, gesunde Bevölkerung kann dann wieder zu einem tendenziell normalen Leben übergehen. Aber die älteren und vorerkrankten Patienten werden auch dann weiter mit Einschränkungen leben müssen."

Der AfD-Abgeordnete Paul Hampel argumentierte, besser als "die gesamte Wirtschaft auf Null zu stellen" wäre es, alte Menschen und Bürger mit Vorerkrankungen unter besonderen Schutz zu stellen - etwa durch Quarantäne in aktuell geschlossenen Hotels.

In der Generaldebatte des Bundestages appellierte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) an alle: "Vor uns liegen harte Wochen. Wir können sie bewältigen, wenn wir solidarisch sind." Der Finanzminister wie auch Abgeordnete dankten Ärzten, Verkäufern, Busfahrern und anderen, die trotz des Infektionsrisikos das öffentliche Leben am Laufen halten: "Sie leisten Großes in diesen Tagen", sagte Scholz.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nahm an der Sitzung nicht teil, da sie sich zuhause in Quarantäne befindet. Der erste sowie auch der zweite Test auf eine Corona-Infizierung waren negativ. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus kündigte eine schnelle Umsetzung der Hilfspakete an.

Linke-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali forderte einen Zuschlag von monatlich 500 Euro für systemrelevante Beschäftigte im Gesundheitswesen, im Einzelhandel oder bei Berufskraftfahrern. Multimillionäre und Milliardäre sollten eine Sonderabgabe leisten. Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte, möglicherweise müsse bei den Hilfspaketen nachgelegt werden.

Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Thorsten Frei verteidigte die verschärften Grenzkontrollen. Es gehe um Gesundheitsschutz, nicht um Abschottung.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Yulin Delegation - Erfolgreich veranstaltetes Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen in Berlin

Am 25. April 2024 organisierte eine Delegation aus der chinesischen Stadt Yulin ein erfolgreiches Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen...

DWN
Politik
Politik Heimatschutz: Immer mehr Bürger dienen dem Land und leisten „Wehrdienst light"
01.05.2024

Ob Boris Pistorius (SPD) das große Ziel erreicht, die Truppe auf über 200.000 Soldaten aufzustocken bis 2031 ist noch nicht ausgemacht....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Weltweite Aufrüstung verschärft Knappheit im Metallsektor
01.05.2024

Die geopolitischen Risiken sind derzeit so groß wie seit den Hochzeiten des Kalten Krieges nicht mehr. Gewaltige Investitionen fließen in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nachhaltigkeit als Schlüsselfaktor für Unternehmenserfolg
01.05.2024

Die Studie „Corporate Sustainability im Mittelstand“ zeigt, dass der Großteil der mittelständischen Unternehmen bereits Maßnahmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Private Pflegezusatzversicherungen: Wichtige Absicherung mit vielen Varianten
01.05.2024

Die gesetzliche Pflegeversicherung reicht oft nicht aus, um die Kosten im Pflegefall zu decken. Welche privaten Zusatzversicherungen bieten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 22-Prozent unbezahlte Überstunden: Wenn Spitzenkräfte gratis arbeiten
01.05.2024

Arbeitszeit am Limit: Wer leistet in Deutschland die meisten Überstunden – oft ohne finanziellen Ausgleich? Eine Analyse zeigt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Die größten Kostenfallen: So sparen Sie bei Fonds, Aktien und Co.
01.05.2024

Viele Anleger unterschätzen die Wirkung von Anlagekosten. Dabei sind Fondsgebühren, Orderkosten und Co. auf lange Sicht enorm...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Konsumstimmung steigt: Die Deutschen shoppen wieder
01.05.2024

Laut aktuellen Erhebungen der GfK steigt die Konsumstimmung in Deutschland für den Mai auf ein Zwei-Jahres-Hoch. Ausschlaggebend sind...